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Jeder Mensch beginnt seine Existenz mit der Befruchtung. Ein Prozess, in dem auf komplexe und präzise Art und Weise eine einzelne Samenzelle mit der weiblichen Eizelle verschmilzt und den Anfang eines neuen Lebens bildet. Dieser Vorgang erfordert aber weitaus mehr als nur die Vereinigung zweier Keimzellen: Es wird das perfekte Zusammenspiel biologischer Mechanismus benötigt, um eine sichere Fortpflanzung möglich zu machen. Die Befruchtung kann mit Herausforderungen verbunden sein, die genetische Anomalien, Implantationsstörungen oder Unfruchtbarkeit mit sich bringt. Wie genau es der Samenzelle gelingt, sich gegen Millionen von Konkurrenten durchzusetzen, welche biologischen Mechanismen für die Befruchtung einer einzelnen Eizelle sorgen und welche klinischen Bilder sich entwickeln können sind Inhalt des folgenden Artikels.
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Befruchtung – Definition
Die Befruchtung, auch bezeichnet als Konzeption oder Fertilisation, beschreibt den Prozess, bei dem eine männliche Samenzelle (Spermium) mit einer weiblichen Eizelle (Oozyte) verschmilzt. Dabei entsteht eine Zygote und es ist der erste Schritt zur Entstehung eines neuen Organismus.
Befruchtung – Physiologie und Ablauf
Beim Geschlechtsverkehr gelangen etwa 200-600 Millionen Spermien in die Vagina, von denen die meisten relativ kurzzeitig absterben. Die verbliebenen Spermien steigen bis in die Tubenampulle auf und durchlaufen die sogenannte Kapazitation, den Reifungsprozess. Außerdem erfolgt die sogenannte Akrosomenreaktion, bei der das Spermium zur Eizelle vordringen kann. Das Anheften des Spermiums an die Eizellmembran signalisiert der Eizelle die Beendigung der zweiten Reifeteilung und es entsteht letztendlich aus beiden Keimzellen die Zygote, die mit der Zellteilung beginnt.
Die Befruchtung erfolgt meist innerhalb von 24 Stunden nach der Ovulation in der Ampulle des Eileiters (Tuba uterina). Die Eizelle kann nur in einem Zeitraum von etwa 24 Stunden nach der Ovulation befruchtet werden, wobei Spermienzellen erst nach einigen Tagen ihre Fähigkeit zur Befruchtung verlieren. Dies ist der Grund, warum eine Befruchtung am wahrscheinlichsten ist, wenn der Geschlechtsverkehr einen Tag vor der Ovulation erfolgt. Prinzipiell ist eine Befruchtung aber auch ein paar Tage nach der Ovulation noch möglich, abhängig von den Bedingungen und der Fruchtbarkeit der Eizelle.
Ablauf
Der erste Schritt ist die Kohabitation, also der Geschlechtsverkehr. Die Spermien befinden sich nach der Ejakulation im hinteren Vaginalgewölbe. Anschließend kommt es zur Aszension, bei der die Spermien durch die Cervix (Gebärmutterhals) und den Uterus (Gebärmutter) bis zur Tubenampulle aufsteigen. Dabei kommt es zur Kapazitation.
Die Kapazitation beschreibt die funktionelle Reifung der Spermien in der Tuba uterina oder auf dem Weg dorthin und dauert etwa 6 Stunden. Hierbei ändert sich die Membranzusammensetzung der Spermien, was die anschließende Akrosomenreaktion ermöglicht. Zudem erhöht sich während der Kapazitation die Bewegungsaktivität der Spermien. Durch unterstützende Wirkung des Zervikalsekrets, wird der Proteinbezug der Spermien abgebaut und Eiweiße im Spermium erst aktiviert.
Im weiteren Verlauf kommt es zum Durchdringen der Corona radiata, welches nur funktionell gereifte Spermien tun können. Die Corona radiata ist die innerste Schicht aus Granulosazellen, die ringartig die Eizelle in den Tertiärfollikeln umgibt.
Spermien, deren Akrosomenreaktion spontan zu früh abläuft, helfen dabei die Corona radiata zu durchdringen. Solche "Fehlzünder" sind nötig, um eine Vereinigung des Spermiums mit der Eizelle zu ermöglichen.Fehlzünder
Unmittelbar vor der Befruchtung kommt es zur Fusion der äußeren Membran des Akrosoms und der Zellmembran. Dadurch entstehen Poren, durch die Inhalte wie die Hyaluronidase aus dem Akrosom freigesetzt werden. Dabei handelt es sich um ein Enzym, welches dem Spermium hilft die Corona radiata zu durchdringen. Sobald das Spermium die Zona pellucida erreicht, lösen sich sowohl die Zellmembran als auch die äußere Akrosomenmembran vollständig ab. So liegt die innere Akrosomenmembran an der Oberfläche und enthält die Protease Akrosin, welche das Durchdringen der Zona pellucida ermöglicht, indem es die Glykoproteine der Zona pellucida spaltet. Das Spermium ist so sehr nahe am Ziel und befindet sich zwischen der Zona pellucida und der Eizellmembran. Diesen Bereich nennt man den perivitellinen Raum.
Imprägnation und Vorkernverschmelzung
Bei der Imprägnation verschmelzen die “restliche” Zellmembran von Oozyte und das Spermium miteinander. Der Zellkern dirngt mit weiteren Zellbestandteilen in die Oozyte ein. Bis auf den Zellkern werden alle paternalen Bestandteile abgebaut. Durch Phagozytose kommt es zur Aufnahme des Spermiums in die Eizelle.
Dies löst die kortikale Reaktion aus, bei der sich die Zona pellucida verhärtet und die Eizellmembran verändert, um eine Polyspermie zu verhindern.
Bei der Polyspermie handelt es sich um das Eindringen mehrerer Spermien in die Eizelle bei der Befruchtung. Die Folge ist eine abnormale Embryonalentwicklung.Polyspermie
Anschließend beendet die Eizelle die zweite Reifeteilung und es entsteht der weibliche Vorkern. Die beiden Vorkerne nähern sich einander an und verdoppeln ihre DNA dabei, das heißt 1n1C wird zu 1n2C, was so viel bedeutet wie: Eine haploide Zelle mit einem einfachen Chromosomensatz, bei der jedes Chromosom als einzelne Chromatide vorliegt wird zu einer haploiden Zelle mit einem einfachen Chromosomensatz bei der jedes Chromosom bereits verdoppelt ist, also aus zwei Chromatiden besteht. Es kommt zur Vorkernverschmelzung, auch bezeichnet als Syngamie oder Konjugation. Hierbei lösen sich die Kernhüllen auf und die Chromosomen von Vater und Mutter vereinigen sich. Es entsteht eine diploide Zygote (2n4C), welche direkt mit der Zellteilung beginnt.
Die Befruchtung erfolgt in der Ampulla tubae uterinae, nahe der Fimbrien.
Befruchtung – Klinik
Bei der Befruchtung und der frühen Schwangerschaft können verschiedene klinische Komplikationen auftreten, dazu gehören unter Anderem Mehrlingsschwangerschaften und genetische Anomalien. Auch das Nichtauftreten einer Schwangerschaft innerhalb eines Jahres und trotz regelmäßigen, ungeschützten Geschlechtsverkehrs kann klinische Bilder und Komplikationen aufzeigen, bei denen man von Sterilität oder Infertilität spricht.
Mehrlingsschwangerschaften
Mehrlinge sind das Resultat einer Befruchtung mehrerer Eizellen oder der Teilung einer befruchteten Eizelle. Ein solcher Fall birgt ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten, aber auch für eine Plazentainsuffizienz. Bei einer Plazentainsuffizienz wäre eine unzureichende Versorgung des Fetus die Folge. Außerdem kann es bei eineiigen Zwillingen mit gemeinsamer Plazenta zum fetofetalen Transfusionssyndrom kommen, auch bekannt als Zwillings-Syndrom oder dem Akronym FFTS.
Beim FFTS handelt es sich um eine seltene Komplikation, das ein Perfusionsungleichgewicht zwischen den beiden Zwillingen mit sich bringt. Es kann zu Frühgeburten, Organschäden oder intrauterinem Fruchttod kommen.
Chromosomale und genetische Anomalien
Störungen während der Befruchtung oder frühen Zellteilungen können zu genetischen Krankheiten wie dem Down-Syndrom (Trisomie 21), dem Turner-Syndrom oder dem Pätau- und Edwards-Syndrom (Triosmie 13 und 18) führen.
Implantationsstörungen
Nach der Befruchtung muss sich die Blastozyste in der Gebärmutter einnisten. Die Eileiterschwangerschaft stellt hier ein Problem dar, denn hier kommt es durch die Extrauteringravidität zur Einnistung der Eizelle außerhalb der Gebärmutter – in diesem Falle in den Eileiter. Durch genetische Defekte und hormonelle Störungen oder Infektionskrankheiten kann es außerdem zum Abort, also einer Fehlgeburt kommen.
Sterilität und Infertilität
Kommt es trotz regelmäßigen Geschlechtsverkehrs ohne Verhütung und innerhalb eines Jahres, nicht zu einer Schwangerschaft, so spricht man von einer Sterilität. Bei der Infertilität handelt es sich um das Unvermögen eine Schwangerschaft bis zur Lebensreife des Kindes auszutragen, obwohl die Konzeption prinzipiell möglich ist. Beim Mann werden Sterilität und Infertilität meist synonym verwendet.
Es gibt verschiedene Ursachen der Sterilität und Infertilität. Dabei ist die häufigste Ursache der Tubenverschluss, der Folge einer Endometriose sein kann. Operative Eingriffe oder die hormonelle Therapie können neben dem Ermitteln des Konzeptionsoptimums bei Schwangerschaftswunsch helfen, diesen zu erfüllen. Operative Eingriffe können die Tubendurchgängigkeit wiederherstellen. Außerdem kann das Anti-Müller-Hormon kann bestimmt werden, um die ovarielle Aktivität und Follikelreserve einer Frau zu bestimmen.
Assistierte Reproduktionstechnik
Die assistierte Reproduktionstechnik (ART), auch bekannt als Methode der künstlichen Befruchtung stellt das letzte Mittel dar, um eine Schwangerschaft bei ungewollt kinderlos bleibenden Menschen zu ermöglichen. Hier gibt es verschiedene Methoden:
- In-vitro-Fertilisation (IVF): Es werden Spermien und Eizellen in einem Reagenzglas (“in vitro”) zusammengeführt und nach der Inkubation in die Gebärmutter übertragen.
- Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI): Hier werden die Spermien nicht nur zur Eizelle hinzugegeben, sondern zusätzlich zur IVF unter mikroskopischer Sicht direkt in die Eizelle eingeführt.
Bei der ART ist die Rate für Mehrlingsschwangerschaften erhöht und auch das Risiko für chromosomale Anomalien steigt. Ursächlich dafür sind das durchschnittlich höhere Lebensalter sowie auch die durchschnittlich verminderte Spermienqualität der Väter, die eine ART verwirklichen wollen.
Häufige Fragen
- Was genau passiert bei der Befruchtung?
- Wie lange überleben Spermien und die Eizelle?
- Wann ist die beste Zeit für die Befruchtung?
- Wie viele Spermien werden für die Befruchtung benötigt?
- Wann kann man eine Schwangerschaft nach der Befruchtung feststellen?
- Was ist eine Eileiterschwangerschaft?
Bei der Befruchtung verschmilzt eine Samenzelle (Spermium) mit einer Eizelle (Oozyte), wodurch eine Zygote entsteht. Dieser Prozess findet meist in der Ampulle des Eileiters statt.
Spermien können im weiblichen Körper bis zu fünf Tage überleben. Die Eizelle ist nur etwa 12-24 Stunden nach dem Eisprung befruchtungs- bzw. überlebensfähig.
Der optimale Zeitpunkt für eine Befruchtung ist ein bis zwei Tage vor dem Eisprung bis höchstens einen Tag danach.
Lediglich ein einziges Spermium befruchtet die Eizelle. Dafür müssen allerdings Millionen von Spermien die Gebärmutter durchqueren, um den Weg zur Eizelle zu erleichtern und die äußeren Schutzschichten zu durchdringen.
Ein Schwangerschaftstest kann frühestens 10-14 Tage nach dem Eisprung ein zuverlässiges Ergebnis liefern. Ein Bluttest kann bereits 6-9 Tage nach der Befruchtung eine Schwangerschaft nachweisen.
Bei einer Eileiterschwangerschaft, die man auch als extrauterine Schwangerschaft bezeichnet, nistet sich die befruchtete Eizelle nicht in der Gebärmutter, sondern im Eileiter ein. Dies kann gefährlich sein und erfordert oft eine medizinische Behandlung, denn nach der Befruchtung muss sich die Blastozyste normalerweise in der Gebärmutter einnisten.
- Aumüller et al.: Duale Reihe Anatomie. 1. Auflage Thieme 2006
- Bommas-Ebert et al.: Kurzlehrbuch Anatomie und Embryologie. 2. Auflage Thieme 2006
- Von der Befruchtung zur Implantation, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum 16.03.2025)