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Die unzähligen Nervenzellen des Gehirns sind sehr empfindlich. Krankheitserreger, gefährliche Zellen oder anderweitige Schadstoffe aus dem Blut müssen daher möglichst von den Hirnstrukturen ferngehalten werden. Ansonsten drohen schwerwiegende Konsequenzen, wenn das fein austarierte Milieu für die vielen elektrochemischen und biochemischen Vorgänge durcheinander gerät. Diese verantwortungsvolle Aufgabe übernimmt die Blut-Hirn-Schranke: Sie vollführt einen Balanceakt zwischen Versorgung und Abriegelung. Alles zu Aufbau, Funktion und Klinik dieser unverzichtbaren Barriere gibt es in diesem Artikel.
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Blut-Hirn-Schranke – Definition
Die Blut-Hirn-Schranke (BHS) ist eine organische Barriere zwischen dem Blutkreislauf und dem Gehirn. Sie arbeitet wie ein Filter und reguliert unter anderem penibel den Stoffaustausch zwischen Blut und Zentralem Nervensystem.
Schranke für das Rückenmark
Auch das Rückenmark benötigt eine derartige Schranke. In diesem Bereich spricht man dementsprechend von der Blut-Rückenmark-Schranke.
Blut-Hirn-Schranke – Aufbau
Die Blut-Hirn-Schranke besteht aus mehreren Schichten. Von innen nach außen, also vom Blut zum Gehirn, wird sie von folgenden Strukturen gebildet:
- Kapillarendothel
- Basalmembran
- Perizyten
- Astrozyten
Das Endothel der Hirnkapillaren ist über enge Verbindungsstellen, sogenannte “tight junctions“, dicht miteinander verknüpft. Dieser Bereich stellt die eigentliche Diffusionsbarriere der gesamten BHS dar.
Nahezu undurchdringbar
Das Kapillarendothel der Blut-Hirn-Schranke ist 100 mal weniger durchlässig als Kapillaren in anderen Geweben des Körpers!
Die sich anschließende Basalmembran stellt eine umhüllende Proteinschicht dar. Den Astrozyten und Perizyten kommen hingegen eher regulatorische Aufgaben zu. Sie managen beispielsweise die Durchlässigkeit der BHS, den Gefäßtonus sowie die Ausschüttung diverser Botenstoffe.
Zirkumventrikuläre Organe
Manche Bereiche benötigen für ihre spezifischen Aufgaben eine direkte Verbindung zur Blutbahn. An diesen Stellen ist die Blut-Hirn-Schranke entweder durchlässiger oder gar nicht vorhanden. Man fasst diese Hirnbereiche unter dem Begriff “Zirkumventrikuläre Organe” zusammen. Dazu gehören zum Beispiel:
- Area postrema
- Neurohypophyse
- Epiphyse
- Plexus choroideus
Blut-Hirn-Schranke – Funktion
Eine intakte Blut-Hirn-Schranke ist lebensnotwendig. Das wird deutlich, wenn man sich die wichtigen Aufgaben dieser Filterbarriere im Detail ansieht.
Barriere
Die Blut-Hirn-Schranke ist für viele Stoffe und Medikamente undurchlässig. Das ist sehr wichtig, denn die empfindlichen Neuronen des Gehirns benötigen ein optimal eingestelltes Milieu, beispielsweise hinsichtlich pH-Wert und Kaliumkonzentration. Auf der BHS sitzen außerdem Enzyme, die manche Arzneimittel gezielt abbauen und inaktivieren können, um das Gehirn vor ihnen zu schützen. Somit wird also zusätzlich eine metabolische Barriere errichtet.
Blut-Hirn-Schranke bei Frühgeborenen
Bei Neugeborenen und insbesondere bei Frühchen ist die Blut-Hirn-Schranke noch nicht voll ausgeprägt. Da auch die Leber noch nicht mit voller Leistung arbeitet, kann sich Bilirubin ansammeln. Im Gehirn kann dieser Stoff den gefürchteten Kernikterus (Bilirubinenzephalopathie) verursachen. Um das zu verhindern, wird beispielsweise Phototherapie eingesetzt.
Prinzipiell ist die Wahrscheinlichkeit für ein Durchbrechen der BHS umso höher, je kleiner und lipophiler (fettlöslich) ein Stoff ist. Per Diffusion können lediglich lipophile Substanzen mit einem Molekulargewicht von unter 500 Da passieren. Hierzu zählen beispielsweise Nikotin, Alkohol und Blutgase.
Versorgung
Da das Gehirn jedoch auch gewisse Stoffe für seine Arbeit benötigt, gibt es zudem bestimmte Transportsysteme. Die Endothelzellen weisen beispielsweise spezialisierte Glukosetransporter auf. Andere Transporter existieren zudem für Elektrolyte, Insulin und bestimmte Peptide.
Durchblutung
Die Astrozytenfortsätze schränken die Dehnbarkeit der Gefäßwände ein. Was erstmal kontraproduktiv klingt, hat in Wirklichkeit eine wichtige Funktion: Steigt der Perfusionsdruck wird so das umliegende (empfindliche) Hirngewebe vor Kompression geschützt.
Die Astrozyten reagieren außerdem auf die Aktivität von Neuronen. Verrichten diese viel Arbeit, schütten die Astrozyten vasoaktive Substanzen aus. Somit wird die lokale Durchblutung aktiver Hirnareale gesteigert und die Versorgung sichergestellt.
Blut-Hirn-Schranke – Klinik und Beschwerden
Im klinischen Alltag spricht man von einer “Schrankenstörung”, wenn die Funktion der Blut-Hirn-Schranke beeinträchtigt ist. Dann ist diese für gewisse Substanzen gar nicht mehr oder aber vermehrt durchlässig. Eine Schrankenstörung kann beispielsweise durch ein Schädel-Hirn-Trauma, Vergiftungen, Entzündungen, Raumforderungen, einen Schlaganfall oder eine Epilepsie entstehen. Ist die BHS gestört, können Giftstoffe, Erreger oder schädliche Zellen die Barriere überwinden und Schäden im Gehirn verursachen.
- Meningen, Liquorräume und Blut-Hirn-Schranke, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 04.12.2023)
- Icterus neonatorum, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 04.12.2023)