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Die Diploe spielt eine besondere Rolle in der komplexen Architektur des Schädels. Sie beschreibt den spongiösen Anteil der Schädelknochen. Dieses schwammartige Knochengewebe liegt zwischen zwei kompakten Knochenschichten und übernimmt nicht nur eine mechanische Schutzfunktion, sondern ist auch in den venösen Blutabfluss eingebunden und enthält während bestimmter Lebensphasen blutbildendes Knochenmark. Ziel dieses Artikels ist es, die anatomischen Merkmale, die funktionelle Bedeutung sowie die klinische Bedeutung der Diploe umfassend darzustellen.
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Diploe – Definition
Die Diploe bezeichnet den spongiösen, trabekulären Anteil der platten Schädelknochen. Sie befindet sich zwischen der äußeren Kompakta (Lamina externa) und der inneren Kompakta (Lamina interna) und ist von einem Netzwerk feiner Knochenbälkchen durchzogen. Diese bilden Hohlräume, in denen Knochenmark und venöse Gefäße, die sogenannten Diploevenen, eingebettet sind. Die Diploe ist maßgeblich an der Stoßdämpfung des Schädels beteiligt und spielt eine Rolle im venösen Blutkreislauf sowie während bestimmter Entwicklungsphasen in der Hämatopoese (Blutbildung).
Diploe – Anatomie
Der Schädelknochen besteht aus einer dreischichtigen Struktur: der Lamina externa, der Diploe und der Lamina interna. Die Lamina externa bildet die äußere kompakte Knochenschicht und verleiht dem Schädel Stabilität gegenüber äußeren mechanischen Einflüssen. Direkt darunter liegt die Diploe als schwammartiges, poröses Knochengewebe, das durch ein Netzwerk aus feinen, bogenförmig angeordneten Knochenbälkchen (Trabekeln) strukturiert ist. Diese Anordnung ermöglicht die gleichmäßige Verteilung der auftretenden Kräfte und schützt damit den Schädel vor Frakturen.
Innerhalb der Diploe verlaufen die Diploevenen, die in ihrer Architektur variabel sind und eine direkte Verbindung zwischen den oberflächlichen Venen der Kopfhaut und den venösen Sinus im Inneren des Schädels herstellen. Die Lamina interna, die innerste Knochenschicht, liegt der Dura mater an und ist im Vergleich zur äußeren Kompakta dünner, aber ebenfalls widerstandsfähig. Da sie jedoch spröder ist als die äußere Lamina, ist sie im Vergleich anfälliger für Frakturen. Deshalb bezeichnet man sie häufig auch als Glashaut (Lamina vitrea).
Die Dicke der Diploe variiert je nach anatomischer Region und individueller Ausprägung. Besonders ausgeprägt ist sie im Bereich des Scheitelbeins (Os parietale), des Hinterhauptbeins (Os occipitale) und des Stirnbeins (Os frontale), während sie in den Schädelbasisknochen in der Regel komplett fehlt. Mit zunehmendem Alter kann es zu strukturellen Veränderungen der Diploe kommen, etwa einer Verdünnung der Trabekel oder einer Umwandlung des blutbildenden roten Knochenmarks in inaktives, gelbes Fettmark.
Diploe – Funktion
Die Diploe übernimmt mehrere Funktionen innerhalb der Schädelanatomie. Ihre primäre Aufgabe besteht in der mechanischen Dämpfung von Krafteinwirkungen auf den Schädel. Durch die spongiöse Struktur kann die Diploe Stöße und Druckbelastungen abfedern und die Energie von Aufprällen umverteilen, wodurch das Risiko von Frakturen der inneren Kompakta und potenziellen Hirnverletzungen reduziert wird.
Darüber hinaus spielt die Diploe im Kindesalter eine aktive Rolle in der Hämatopoese. In den Hohlräumen zwischen den Trabekeln befindet sich zunächst rotes Knochenmark, das an der Bildung von Blutzellen beteiligt ist. Mit dem Erwachsenwerden wandelt sich dieses zunehmend in gelbes, inaktives Fettmark um, wobei in bestimmten Regionen des Schädels auch beim Erwachsenen noch Reste hämatopoetisch aktiven Knochenmarks nachweisbar sein können.
Eine weitere wichtige Funktion der Diploe liegt im venösen Blutabfluss. Die Diploevenen, die innerhalb der Spongiosa verlaufen, verbinden die Venen der Kopfhaut mit den intrakraniellen venösen Sinus. Diese Verbindungen gewährleisten nicht nur den venösen Abfluss aus den Schädelknochen selbst, sondern tragen auch zur Druckregulation im Schädel bei.
Thermoregulatorische Funktion
Die Diploe trägt indirekt zur Temperaturregulation des Gehirns bei. Durch das Netzwerk der Diploevenen kann überschüssige Wärme aus dem Schädelinneren über die Kopfhaut abgeleitet werden. Gleichzeitig ermöglicht das venöse System einen Ausgleich zwischen der Temperatur des Blutes im Schädelinneren und der Körperoberfläche. Diese Funktion ist besonders wichtig, da das Gehirn temperaturempfindlich ist und bereits geringe Schwankungen die neuronale Aktivität beeinflussen können.
Diploe – Klinische Bedeutung
Die Diploe hat vielfältige klinische Relevanzen, die sowohl in der Traumatologie als auch in der Diagnostik und Infektiologie von Bedeutung sind.
Bei Schädeltraumata wirkt die Diploe durch ihre spongiöse Struktur zunächst als Pufferzone. Sie kann mechanische Kräfte absorbieren und damit Frakturen der Lamina interna verhindern. Kommt es jedoch zu einer Durchtrennung oder Kompression der Diploevenen, kann dies zu intrakraniellen Blutungen führen. Besonders gefährlich sind hierbei subdurale Hämatome, die sich bilden können, wenn die Venen verletzt werden.
Auch Infektionswege können über die Diploe verlaufen. Aufgrund der venösen Verbindungen zwischen der Kopfhaut und den intrakraniellen Strukturen besteht bei lokalen Infektionen wie Furunkeln der Kopfhaut oder einer Sinusitis die Gefahr, dass pathogene Keime über die Diploevenen in das Schädelinnere eindringen. Das liegt vor allem daran, dass Diploevenen keine Venenklappen besitzen, was eine retrograde Infektionsausbreitung ermöglicht. Dies kann schwerwiegende Komplikationen wie eine Meningitis oder eine Sinusvenenthrombose nach sich ziehen. Die Sinusvenenthrombose tritt häufig im Bereich des Sinus sagittalis superior auf.
In der bildgebenden Diagnostik liefert die Diploe wichtige Hinweise auf pathologische Veränderungen. Im CT (Computertomographie) lässt sich die Dicke der Diploe gut beurteilen, was insbesondere bei der Diagnostik von Erkrankungen wie chronischen Anämien, bei denen es zu einer Verbreitung der Diploe kommen kann, von Bedeutung ist. Osteolytische Prozesse, etwa durch Knochenmetastasen oder Plasmozytome, können die Trabekelstruktur der Diploe zerstören und so im Röntgenbild oder CT als lytische Läsionen sichtbar werden. Im MRT (Magnetresonanztomographie) hingegen lassen sich entzündliche Prozesse oder infiltrative Erkrankungen, die das Knochenmark der Diploe betreffen, besonders gut darstellen.
Darüber hinaus spielt die Diploe auch in der forensischen Medizin eine Rolle, insbesondere in der Traumatologie im Rahmen von Schädelverletzungen oder Schussverletzungen im Bereich des Kopfes.
- Aust G et. al., Duale Reihe Anatomie (Thieme, 6. Auflage, 2024)
- Dettmeyer R et. al., Rechtsmedizin (Springer, 1. Auflage, 2011)
- Schädel, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 23.02.2025)