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Die Embryologie ist die Wissenschaft, die sich mit der Entwicklung eines Organismus von der Befruchtung der Eizelle bis zur Geburt befasst. Sie umfasst die Untersuchung der frühen Stadien der Zellteilung, Gewebedifferenzierung und Organbildung. Ein besonderer Fokus liegt auf der Teratologie, einem Teilbereich der Embryologie, der sich mit Fehlbildungen und deren Ursachen beschäftigt. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Einteilung der Embryologie und gibt einen Überblick über das Fachgebiet der Teratologie.
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Embryologie – Definition
Die Embryologie des Menschen ist ein Teilgebiet der Medizin, das sich mit der Entwicklung von Organismen von der Befruchtung der Eizelle bis zur Geburt beschäftigt. Sie untersucht die Prozesse der Zellteilung, Gewebedifferenzierung und Organbildung während der pränatalen Phase. Dabei beschäftigt sich die Wissenschaft vor allem mit den morphologisch sichtbaren Entwicklungen, zum Beispiel die Gastrulation, und grenzt sich damit von der Entwicklungsgenetik ab.
Der Teilbereich der Teratologie beschäftigt sich mit Fehlbildungen und deren Ursachen. Dieses Fachgebiet liefert wichtige Erkenntnisse für die Prävention angeborener Anomalien.
Embryologie – Einteilung
Die Einteilung der Embryologie ermöglicht eine systematische Betrachtung der komplexen Prozesse, die während der Entwicklung eines Organismus ablaufen. Dabei kann man die Einteilung nach Schwerpunkt in eine allgemeine und spezielle Embryologie vornehmen, oder den zeitlichen Verlauf der Embryonalentwicklung gliedern. Diese Unterteilung bietet eine klare Struktur, um die Vielfalt der Entwicklungsprozesse besser zu verstehen. Dennoch unterscheidet sich die Gliederung der Wissenschaft in der Literatur teilweise deutlich.
Einteilung nach Schwerpunkten
Die Embryologie wird in zwei Schwerpunkte unterteilt, die allgemeine Embryologie, die sich mit den grundlegenden Entwicklungsprozessen befasst, und die spezielle Embryologie, die die Entwicklung spezifischer Organsysteme untersucht.
Die allgemeine Embryologie umfasst dabei den Zeitraum, in dem sich die Keimzellen und der Embryo in den ersten Schwangerschaftswochen entwickeln. Sie beschreibt den Weg nach Befruchtung und Implantation der befruchteten Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut, der sich mit der Ausbildung der Plazenta und Eihäute fortsetzt und anschließend in die Entwicklung der Keimscheiben und der Höhlen des Embryos übergeht. Teilweise wird auch die Reifung der Keimzellen (Gametogenese) und die Ovulation (Eisprung) dazu gezählt.
Die spezielle Embryologie beschäftigt sich mit der spezifischen Entwicklung der einzelnen Organe. Ein Beispiel hierfür ist die embryonale Entwicklung des Herzens. In diesem Zusammenhang beschreibt man die Entstehung und Bildung des Herzens im Detail.
Vergleichende Embryologie
Die vergleichende Embryologie ist ein weiteres Teilgebiet, das die embryonale Entwicklung verschiedener Spezies untersucht, um evolutionäre Zusammenhänge und phylogenetische Beziehungen zu verstehen. Durch den Vergleich von Entwicklungsstadien können Wissenschaftler Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Ontogenese identifizieren, die auf gemeinsame Vorfahren oder konvergente evolutionäre Prozesse hinweisen. Beispielsweise zeigen frühe Embryonen von Wirbeltieren oft ähnliche Strukturen, wie die Anlage von Kiemenbögen, was auf eine gemeinsame evolutionäre Herkunft hindeutet. Diese Disziplin liefert somit wertvolle Erkenntnisse über die Mechanismen der Evolution und die Entwicklung von Organismen.
Einteilung nach zeitlichem Verlauf
Die Embryogenese wird zeitlich in drei Hauptphasen unterteilt. Diese Einteilung ist in der Klinik eher gebräuchlich.
- Vorembryonalperiode (1. Entwicklungswoche): Diese Phase beginnt mit der Befruchtung der Eizelle und umfasst die Furchungsteilungen, die Bildung der Blastozyste sowie die Implantation in die Gebärmutterschleimhaut. Es erfolgt die Ausbildung der zweiblättrigen Keimscheibe und die Anlage der extraembryonalen Strukturen wie Amnion und Dottersack.
- Embryonalperiode (2.–8. Entwicklungswoche): In dieser Phase findet die Gastrulation statt, bei der die dreiblättrige Keimscheibe mit Ektoderm, Mesoderm und Endoderm entsteht. Es folgt die Neurulation, die zur Bildung des Neuralrohrs führt, dem Vorläufer des zentralen Nervensystems. Zudem werden die Grundlagen für alle wichtigen Organsysteme gelegt, und der Embryo nimmt eine menschliche Gestalt an.
- Fetalperiode (9. Entwicklungswoche bis zur Geburt): Diese letzte Phase ist geprägt von Wachstum und Reifung der bereits angelegten Organe und Gewebe. Die funktionelle Differenzierung schreitet voran, sodass die Organsysteme ihre spezifischen Aufgaben übernehmen können. Der Fötus nimmt an Größe und Gewicht zu und bereitet sich auf das extrauterine Leben vor.
Diese zeitliche Gliederung der Embryogenese ist essenziell für das Verständnis der normalen Entwicklung sowie der Entstehung von Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen.
Embryologie – Carnegie-Stadien
Die Carnegie-Stadien sind ein international anerkanntes System zur Beschreibung der embryonalen Entwicklung beim Menschen. Sie umfassen 23 Stadien, die die Zeitspanne von der Befruchtung bis zum Ende der achten Entwicklungswoche, also die ersten 56 Tage, abdecken. Dieses System basiert nicht auf dem zeitlichen Verlauf, sondern auf morphologischen Kriterien, den sichtbaren Veränderungen und Entwicklungsfortschritten des Embryos. Diese Veränderungen sind nach der achten Woche nicht mehr stark ausgeprägt, weshalb die Einteilung in der Fetalperiode nicht genutzt wird.
Bedeutung der Carnegie-Stadien
Die Carnegie-Stadien dienen der genauen Klassifikation von Entwicklungsstadien, unabhängig von Variationen im zeitlichen Ablauf der Embryogenese. Sie ermöglichen eine vergleichende Betrachtung der Embryonalentwicklung zwischen verschiedenen Individuen und liefern ein einheitliches Referenzsystem für die Forschung und die klinische Diagnostik.
Einteilung der Stadien
- Stadium 1–5 (1.–2. Entwicklungswoche):
Hier findet die Befruchtung, Furchungsteilungen und Bildung der Blastozyste statt. Kennzeichen des Stadium 5 ist die Implantation der Blastozyste in die Gebärmutterschleimhaut.
- Stadium 6–13 (3.–4. Entwicklungswoche):
Es bildet sich die zweiblättrigen Keimscheibe (Stadium 6) und dreiblättrigen Keimscheibe durch Gastrulation (Stadium 7) aus. Weiterhin findet die Neurulation und Bildung der somatischen Segmente (Somiten) statt.
- Stadium 14–23 (5.–8. Entwicklungswoche):
In diesen Stadien erfolgt die Anlage der Organe, darunter Herz, Gehirn und Extremitäten. Es entwickeln sich charakteristische Körperstrukturen wie Arm- und Beinknospen (Stadium 17) und die primären Gesichtsanlagen (Stadium 19–21). Am Ende der Stadien (Stadium 23) hat der Embryo die wesentlichen Merkmale eines menschlichen Körpers erreicht.
Die Carnegie-Stadien sind entscheidend für die Beurteilung der normalen embryonalen Entwicklung und die Diagnose von Entwicklungsstörungen. Beispielsweise können spezifische Fehlbildungen, wie Neuralrohrdefekte oder Herzfehlbildungen, in Verbindung mit Abweichungen von den standardisierten Entwicklungsmerkmalen erkannt werden.
Embryologie – Teratologie
Die Teratologie befasst sich mit der Entstehung, Klassifikation und Prävention von Fehlbildungen während der pränatalen Entwicklung. Fehlbildungen resultieren aus intrauterinen Entwicklungsstörungen des Embryos oder Fötus und können in ihrer Ausprägung stark variieren. Einige Anomalien sind bereits bei der Geburt erkennbar, während andere erst im späteren Verlauf des Lebens manifest werden.
Klassifikation von Fehlbildungen
Fehlbildungen oder Anomalien können zum Beispiel durch genetische Ursachen bedingt sein. Dabei unterscheidet man zwischen Veränderungen an der Chromosomen oder an den Genen.
Chromosomenaberrationen beschreiben numerische (die Anzahl betreffend) oder strukturelle Veränderungen der Chromosomen, wie Trisomien (zum Beispiel Down-Syndrom) oder Deletionen, die zu vielfältigen Fehlbildungen führen können. In etwa sechs Prozent der Fälle wirken sie ursächlich für angeborene Fehlbildungen. Numerische Chromosomenaberrationen entstehen vorwiegend während der Mitose oder Meiose durch Non-Disjunction. Dabei trennen sich die Chromatidenpaare nicht wie angedacht auf, sodass eine Aneuploidie entsteht. In einer Zelle liegt schlussendlich ein Chromosom zu viel (Trisomie), während in einer anderen ein Chromosom zu wenig vorhanden ist (Monosomie).
Strukturelle Aberrationen sind vor allem auf Brüche der Chromosomen zurückzuführen. Dabei kommt es häufig vor, dass Abschnitte der Chromosomen verloren gehen (Deletion). Ein Beispiel hierfür ist das Katzenschreisyndrom (Cri-du-chat-Syndrom). Hierbei liegt der Defekt in einer Deletion des kurzen Arms von Chromosom 5. Säuglinge fallen später unter anderem mit einem katzenähnlichen Schrei auf. Die Erkrankung geht mit weiteren Veränderungen einher, etwa Kleinwuchs und Gesichtsanomalien.
Genmutationen, also Punktmutationen oder größere genetische Veränderungen, können monogene Erkrankungen verursachen, die mit spezifischen Fehlbildungen einhergehen. Bei einer Genmutation kommt es zur Veränderung der Nukleotidsequenz der DNA. Diese Veränderung kann sowohl durch exogene Einflüsse, aber auch spontan entstehen. Sie können über diverse Arten vererbt werden. Eine autosomal-dominante Erkrankung ist zum Beispiel das Marfan-Syndrom, welches auf einem Gendefekt des Chromosoms 15 beruht. Betroffene leiden unter einer Erkrankung des Bindegewebes, die mit Veränderungen des Skeletts und des Herz-Kreislauf-Systems einhergehen. Gelenke sind häufig hyperelastisch und Herz und Aorta weisen Fehlbildungen auf.
Umweltbedingte Ursachen (Teratogene)
Auch die Umwelt beeinflusst bereits in der Schwangerschaft die embryonale Entwicklung. Medikamente und Chemikalien, wie Thalidomid oder Alkohol, können während der Schwangerschaft teratogene Effekte haben und Fehlbildungen verursachen. Thalidomid wurde Mitte der Fünfziger rezeptfrei als Schlaf- und Beruhigungsmittel verkauft, besser bekannt unter dem Handelsnamen Contergan. Die Einnahme dieses Medikaments sorgte um 1960 herum für einen Skandal, da in diesem Zeitraum tausende Föten, deren Mütter das Medikament genommen hatten, Fehlbildungen aufwiesen.
Zudem können Infektionen teratogen wirken. Mütterliche Infektionen mit Erregern wie dem Rötelnvirus oder Zytomegalievirus (CMV) können embryonale Entwicklungsstörungen hervorrufen. Physikalische Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle. Strahlung oder extreme Temperaturen können die normale Entwicklung des Embryos beeinträchtigen.
Oft bewirken die genetischen Ursachen und die Umweltfaktoren eine multifaktorielle Genese. Ein Zusammenspiel von genetischen Prädispositionen und Umweltfaktoren kann zu komplexen Fehlbildungsmustern führen, wie bei Neuralrohrdefekten oder Herzfehlern.
Pathogenese von Fehlbildungen
Die Entstehung von Fehlbildungen hängt vom Zeitpunkt und der Art des schädigenden Einflusses ab. Grundsätzlich gilt dabei, dass je früher die Störung auftritt, desto komplexer sind die Fehlbildungen. Das ist darin begründet, dass die Embryonalentwicklung in den Anfangsphasen extrem empfindlich ist.
Man teilt Erkrankungen in der Pathogenese ihrem jeweiligen Stadium zu.
Gametopathien entstehen schon vor der Konzeption bei der Bildung oder durch Schädigung der parentalen Keimzellen (Gameten) und dementsprechend in der Gametogenese. In der Blastogenese (erste und zweite Entwicklungswoche) treten Blastopathien auf. Schädigungen in dieser Phase führen häufig zu schweren Anomalien oder zum Abort (Fehlgeburt), da die Grundlagen für alle Organsysteme gelegt werden. Ein Beispiel für die Blastopathien sind Doppelfehlbildungen (veraltet Siamesische Zwillinge).
Fehlbildungen zwischen der dritten und achten Entwicklungswoche zählen zu den Embryopathien. In dieser kritischen Phase der Organogenese können teratogene Einflüsse zu spezifischen Organfehlbildungen führen. Störungen in der Fetogenese (ab der neunten Entwicklungswoche) führen zu Fetopathien. Hierbei ist meist die Reifung und das Wachstum der Organe betroffen, was zu funktionellen Beeinträchtigungen führen kann.
Zur Prävention und Diagnostik dienen drei Aspekte:
- Präkonzeptionelle Beratung: Identifikation und Management von Risikofaktoren vor der Schwangerschaft, wie genetische Beratung bei familiären Erkrankungen.
- Pränatale Diagnostik: Ultraschalluntersuchungen, fetale MRTs und invasive Verfahren wie Amniozentese ermöglichen die frühzeitige Erkennung von Fehlbildungen.
- Vermeidung teratogener Exposition: Aufklärung über potenziell schädliche Substanzen und Infektionen während der Schwangerschaft ist essenziell.
Ein tiefes Verständnis der Teratologie ist entscheidend, um Fehlbildungen vorzubeugen, frühzeitig zu diagnostizieren und betroffene Familien umfassend zu betreuen.
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- Grundlagen der Embryologie, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 02.12.2024)