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Die Flimmerhärchen (Zilien) kleiden die Lungenoberfläche durch eine besondere Epithelart aus und sorgen somit auch für eine ungehinderte Atmung und schützen vor Krankheiten. Werden sie chronisch durch Noxen wie das Rauchen beeinflusst, können sie sich bösartig verändern oder ihre Funktion verlieren. Dieser Artikel geht auf die histologischen Besonderheiten der Zilien ein und betrachtet die Veränderungen durch das Rauchen.
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Flimmerhärchen (Zilien) – Definition
Flimmerhärchen, die auch Zilien oder Kinozilien genannt werden, zählen neben den Stereozilien und Mikrovilli zu den Zellfortsätzen. Sie sind etwa fünf Mikrometer lang mit einem Durchmesser von einem Viertel Mikrometer und, im Unterschied zu den anderen beiden Zellfortsätzen, aktiv und frei beweglich. In ihrer Form ähneln sie einer Wimper und sind Fortsätze der apikalen (oberen) Membran von Epithelzellen.
Flimmerhärchen (Zilien) – Aufbau, Histologie, Funktion
Ein Kinozilium besteht aus einem Innengerüst aus Mikrotubuli, einem Bestandteil des Zytoskeletts, und angelagerten Proteinen, das im Gesamten als Axonem bezeichnet wird. Die typische Struktur ist dabei eine 9×2+2 Anordnung. Das bedeutet, dass sich neun Mikrotubulidupletten (9×2) kreisartig um zwei einzelne Mikrotubuli (+2) in der Mitte anordnen. Angelagert an die Dupletten sind Motorproteine, die Dyneine, die versuchen, an der benachbarten Duplette entlang zu wandern. Diese Möglichkeit fällt aber durch die Anwesenheit von anderen Verbindungen zwischen den Dupletten wie Nexin weg. Dadurch wandelt sich die entstehende Kraft in eine Beugung des Kinoziliums um. Diese Grundlage ermöglicht die aktive Bewegung.
Kinetosomen (Basalkörper) befestigen die Flimmerhärchen im Zytoplasma. Kinetosomen sind die Ursprünge des Axonems und ähneln in ihrem Aufbau einem Zentrosom. Sie besitzen also eine 9×3+0 Struktur und bestehen damit aus neun Mikrotubulidupletten ohne zentrale Mikrotubuli.
Funktionsweise
Die Zilien führen im Gewebeverband einen sogenannten metachronen Zilienschlag aus. Das bedeutet, dass sie nicht alle zur selben Zeit (synchron) ihre Schlagbewegung ausführen, sondern stattdessen koordiniert hintereinander, ähnlich einer La Ola-Welle. Dadurch entsteht eine gerichtete, wellenartige Bewegung, die den Weitertransport von Stoffen ermöglicht.
Beispielsweise Zellen können so weitertransportiert werden, etwa die Eizelle im Eileiter oder Spermien in den Ductuli efferentes im Nebenhoden. Auch Staub- und Rußpartikel in den Atemwegen werden so transportiert. Letzteres nennt sich mukoziliäre Clearance, eine Reinigung der Atemwege und ein Mechanismus der Immunabwehr in der Lunge. Zu diesem Zweck produzieren die Becherzellen und weitere exokrine Drüsen einen Schleim, der Bakterien und Staub enthält. Die Flimmerhärchen transportieren diesen dann nach oral Richtung Mund, wo er dann abgehustet werden kann.
Diese Funktion ist autonom und erlischt erst zwei Tage nach dem Tod (post mortem). Die Schlagfrequenz reicht von zwei bis dreißig Mal pro Sekunde.
Flimmerhärchen (Zilien) – Vorkommen und Sonderform
Flimmerhärchen kommen prinzipiell dort vor, wo Stoffe oder Zellen transportiert werden müssen. Das ist an folgenden Orten im menschlichen Körper der Fall:
- Atemwege: Hier findet sich respiratorisches Flimmerepithel.
- Eileiter: Zilien befinden sich auf dem Epithel der Tuba uterina.
- Ductuli efferentes: Im Nebenhoden finden sich ebenfalls Kinozilien auf dem Epithel.
- Vestibularapparat: Im Gehörgang entsprechen die Haarzellen im Aufbau den Kinozilien.
Auch im Liquorsystem spielen Kinozilien eine große Rolle. Der Plexus choroideus, der den Liquor cerebrospinalis produziert, besteht zellulär aus Ependymzellen. Diese überziehen die Tela choroidea, das Bindegewebsgerüst. Die Ependymzellen kleiden die inneren Liquorräume ebenfalls aus. Sie besitzen auf ihrem Epithel Kinozilien, die für den korrekten Weitertransport des Liquors verantwortlich sind.Flimmerhärchen im Liquorsystem
Respiratorisches Flimmerepithel
Das respiratorische Flimmerepithel bezeichnet ein mehrreihiges hochprismatisches Epithel mit Kinozilien und eingestreuten Becherzellen. Im Aufbau besteht es überwiegend aus einkernigen Basal-, Becher-, und Flimmerzellen. Basal, am unteren Ende der Zellen, finden sich die Basalzellen, die als Stammzellvorrat für die Becher- und Flimmerzellen dienen. Diese Schicht hat Kontakt zur Basalmembran, jedoch keinen Zugang zur Epitheloberfläche oder zum Lumen.
Luminal liegen die Becherzellen, die Schleim produzieren, und die Flimmerzellen, die die Flimmerhärchen tragen. Diese Schicht hat sowohl Kontakt zur Basalmembran, als auch zur Oberfläche, was das ausschlaggebende Kriterium für mehrreihige Epithelien ist.
Durch die Schleimsekretion und den nach oral gerichteten Kinozilienschlag ist die beschriebene mukoziliäre Clearance möglich. Dabei ist zu beachten, dass die Sekreteigenschaften die Beweglichkeit der Kinozilien beeinflusst.
Diese Form des Epithels kommt in den gesamten luftleitenden Atemwegen vor, wie der Name vermuten lässt. Dazu zählen folgende anatomische Strukturen:
- Nasenhöhle
- Nasopharynx (Nasenrachenraum)
- Larynx (Kehlkopf)
- Trachea (Luftröhre)
- Bronchien: von den Hauptbronchien bis hin zu den Bronchioli terminales
Geißel (Flagellum)
Geißeln (Flagellen) sind einzelne, sehr lange Kinozilien, die sich im Schwanzstück des Spermiums befinden. Sie ermöglichen die Vorwärtsbewegung des Spermiums im Ejakulat und können die zehnfache Länge eines normalen Kinoziliums annehmen. Neben dem Menschen besitzen auch viele Bakterien zur Fortbewegung Geißeln.
Flimmerhärchen (Zilien) – Klinik und Pathologien
Verschiedene Änderungen in der Umgebung der Flimmerhärchen können eine Lähmung der Ziliarbewegung hervorrufen. Dazu zählen folgende:
- pH-Wert: Eine Erhöhung über 9,0 oder eine Senkung unter 6,4 führt zu Einschränkungen.
- allergische Mechanismen, wie beispielsweise allergisches Asthma
- Stoffwechselstörungen wie etwa Mukoviszidose, eine Erbkrankheit, die zur Produktion von zähem Sekret führt.
- physikalische Schädigungen: Dazu zählen etwa Kälte oder hohe Temperaturen.
- mechanische Schädigungen wie Luftverwirbelungen
Neben diesen Ursachen gibt es noch die primäre und sekundäre Ziliendysfunktion. Die primäre Form liegt beispielsweise beim Kartagener-Syndrom vor, bei der genetisch bedingt die Funktion der Kinozilien eingeschränkt ist. Die sekundäre Form entsteht zum Beispiel nach Infektionen oder durch inhalative Belastung mit Schadstoffen.
Die Transportgeschwindigkeit kann mit Hilfe von Testpartikeln gemessen werden. Ein Beispiel dafür ist die Messung der Geschwindigkeit des Transports in der Nasenhöhle durch den Saccharin-Clearance-Test.
Einflüsse des Rauchens
Dass Rauchen schlecht für die Gesundheit ist, ist kein Geheimnis. Doch was genau verursacht der Tabakkonsum in den Atemwegen, besonders in Hinblick auf die Flimmerhärchen?
Eine Folge ist das Schwächen der mukoziliären Clearance. Dieser physiologische Schutzfaktor sorgt beim Gesunden dafür, dass Tröpfcheninfektionen, aerogene Infektionen und Mikroaspirationen nicht zu Erkrankungen wie der Lungenentzündung (Pneumonie) führen. Der Hustenreflex, die Schleimproduktion und die Ziliarfunktion sorgen für einen Abtransport der Krankheitserreger. Rauchen beeinflusst diesen Vorgang enorm. Das bedeutet, dass es für Bakterien und Viren leichter ist, eine Erkrankung auszulösen, was chronische und akute Atemwegserkrankungen begünstigt.
Des Weiteren ist Rauchen für etwa 90 Prozent der Lungenkarzinome, also Lungenkrebs, verantwortlich. Dabei gilt, je länger und je mehr geraucht wurde, desto höher ist das Risiko einer Erkrankung. Das liegt daran, dass sich das Flimmerepithel der Atemwege pathologisch verändern kann. Dann spricht man von einer Metaplasie. Aus dem gesunden Flimmerepithel entwickelt sich ein Plattenepithel. Die Gefahr dabei ist, dass die Zellen dabei entarten und ein bösartiges (malignes) Wachstum hervorrufen, weshalb dieser Zustand auch als fakultative Präkanzerose gilt. Daraus kann sich ein Karzinom entwickeln.
Ein Vorteil ist, dass die Funktion der Zilien bei sekundären Ursachen wiederhergestellt werden kann. Hört man mit dem Rauchen auf, so ist es in fast allen Stadien der Metaplasie möglich, dass die normale Ziliarfunktion wieder zurückkommt.
- Ulfric N., Kurzlehrbuch Histologie, 5. Auflage, Thieme
- Die Pathologie der Kinozilien, https://link.springer.com/... , (Abrufdatum: 08.08.2024)
- Allgemeine Histologie, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 08.08.2024)
- Menignen, Liquorräume und Blut-Hirn-Schranke, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 08.08.2024)
- Lungenkarzinom, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 08.08.2024)
- Pneumonie, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 08.08.2024)
- Zelluläre Veränderungen, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 08.08.2024)