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Der Fötus ist die letzte Station im Bauch der Mutter, bevor das Kind das Licht der Welt entdeckt. In diesem Stadium wächst und gedeiht es und hält werdende Eltern damit auf Trapp. Doch welche Entwicklungsschritte durchläuft der Fötus in dieser Phase? Dieser Artikel gibt einen detaillierten Überblick über die Fetalentwicklung und geht sensibel auf die Gründe einer Fehlgeburt in diesem Rahmen ein.
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Fötus – Definition
Der Fötus (auch Fetus) beschreibt das Kind ab der neunten Entwicklungswoche bis zur Geburt, die üblicherweise in der 38. Woche stattfindet. Die Zeit beschreibt die Fetalperiode, die sich der Embryonalperiode mit dem Embryo anschließt. Grundlegend reifen in diesen Wochen alle Organe im Fötus, sodass sie bei Geburt ihre Funktion vollends ausüben können. Die Organe werden in der Embryonalzeit angelegt und wachsen und differenzieren sich in der Fetalzeit.
Zunächst gewinnt der Fötus an Größe, ab dem sechsten Monat auch an Gewicht. Kennzeichnend ist ebenfalls ein heterochrones Wachstum der Körperpartien, das heißt, dass sie sich unterschiedlich schnell entwickeln. Das zeigt sich am deutlichsten am Kopf.
Wie bestimmt man die Größe eines Fötus?
Anhand der Scheitel-Fersen-Länge (SFL) kann im Ultraschall die Länge des Kindes bestimmt werden, also der Abstand vom höchsten Punkt der Kopfes bis zur Ferse. Das ist ab der Fetalperiode möglich, wobei gilt, dass die SFL dem Quadrat des Monats in Zentimetern entspricht.
Hierzu ein Rechenbeispiel: Ist der Fötus in der neunten Entwicklungswoche, also dem dritten Monat, sollte die SFL in etwa neun Zentimetern entsprechen.
Ab dem sechsten Schwangerschaftsmonat (18. Woche) multipliziert man den Monat mit fünf. Ist der Fötus also im siebten Monat, beträft die SFL etwa 35 Zentimeter.
Fötus – Übersicht der Entwicklungsschritte
Im Laufe der Entwicklungswochen reifen die Organe und damit der Körper des Fötus immer weiter. Im Folgenden erfolgt eine Zuordnung der Schritte, die in den jeweiligen Wochen stattfinden.
Neunte bis zwölfte Entwicklungswoche
- Darm: Die Darmschlingen verlagern sich aus der Nabelschnur zurück in den fetalen Körper.
- Erythropoese: Bisher übernahm die Leber die Blutbildung (Hämatopoese). Ab jetzt ist die Milz dafür hauptsächlich zuständig.
- Urin: Der Fetus beginnt, selbstständig Urin zu bilden und ihn in die umgebenden Amnionflüssigkeit auszuscheiden.
- Abfallprodukte: Die Plazenta der Mutter nimmt die ausgeschiedenen Stoffe des Fötus auf.
- Geschlecht: Ab der zwölften Woche ist es möglich, das Geschlecht relativ sicher festzustellen.
- Extremitäten: Arme und Beine erreichen beinahe ihre gewohnten Proportionen.
- Kopfwachstum ist rückgängig und die Scheitel-Steiß-Länge verdoppelt sich
13. bis 16. Entwicklungswoche
- Koordinierte Bewegungen der Extremitäten
- Verknöcherung: die Knochen des Fötus lassen sich im Ultraschall darstellen.
- Kennzeichnend ist ein besonders schnelles Wachstum.
- Die Proportionen von Kopf zu Körper passen sich zunehmend an.
17. bis 20. Entwicklungswoche
- Das Kind bewegt sich spürbar.
- Haut: Eine “Käseschmiere” (Vernix caseosa) überzieht die Haut des Fetus. Sie hilft, die Temperatur und die Feuchtigkeit zu regulieren und unterstützt die Anpassung auf die Umwelt nach der Geburt.
- Haare: Die Kopfhaare und Augenbrauen sind erkennbar und der Körper ist von einer Lanugobehaarung bedeckt. Das ist ein pigmentloses Flaumhaar, welches in der späteren Schwangerschaft durch das Vellushaar ersetzt wird.
21. bis 25. Woche
- Ab der 22. Woche ist es möglich, dass das ein Frühgeborenes theoretisch mit intensivmedizinischer Betreuung überlebt.
- Surfactant: Es beginnt die Produktion von Surfactant, das die Oberflächenspannung der Alveolen (Lungenbläschen) senkt und sie damit offen hält. Für die Funktion der Lunge ist dieses Sekret zwingend notwendig.
- Die Fingernägel bilden sich aus.
- Es lagert sich Fett ein und der Fötus nimmt an Gewicht zu.
26. bis 29. Woche
- Ein Überleben von Frühgeborenen ist ab jetzt durch die Intensivmedizin wahrscheinlich, da das Lungengewebe ausreichend ausgereift ist und somit der Gasaustausch möglich ist. Das Zentrale Nervensystem (ZNS) ist soweit gereift, dass es einen selbstständigen Atemantrieb generieren und die Körpertemperatur regulieren kann.
- Erythropoese: Das Knochenmark löst die Milz als Hauptort der Hämatopoese ab.
- Die Augenlieder öffnen sich.
- Fußnägel sind erkennbar.
30. bis 34. Woche
Neugeborene überleben in der Regel ab diesem Zeitpunkt. Außerdem lässt sich der Lichtreflex auslösen.
35. bis 38. Woche
Ab der 37. Schwangerschaftswoche ist das Kind offiziell reif für die Geburt. Die Organe sind soweit ausgereift, dass sie ihre Funktion aufnehmen und die Adaptation auf die Lebensumstände nach der Geburt tragen können.
Fötus – Besonderheiten der Organsysteme
Durch die anderen Anforderungen und Bedingungen im Mutterleib unterscheiden sich die Organsysteme und ihre Organisation vom reifen, geborenen Säugling und vom Erwachsenen.
Der Nährstoff- und Gasaustausch erfolgt beim Fötus über die fetoplazentare Einheit, die Lunge ist nicht belüftet und nur wenig durchblutet und der fetale Blutkreislauf weist einige Kurzschlüsse auf, um Leber und Lunge zu umgehen.
Endokrines System
Die mütterlichen Hormone der Schilddrüse und Glucocorticoide aus der Nebenniere und Nebennierenrinde können die Plazentaschranke passieren und gelangen so im Blut zum Fötus. Der Fötus selbst kann Insulin und Glucagon im Pankreas bilden, während die Nebenniere DHEA (ein Steroidhormon) und Cortisol (ab der 34. Woche) produziert. Die Plazenta nutzt das DHEA als Ausgangsprodukt für die Östrogensynthese.
Kreislauf und Lunge
Ein gerichteter Blutfluss entsteht bereits in der vierten Woche im Entwicklungsstadium des Embryos. Bis zur neunten Woche ist der Fetalkreislauf entwickelt. Charakteristisch ist eine Herzfrequenz von 120 bis 160 Schlägen pro Minute.
Ab der elften Woche treten erste Atembewegungen auf, die aber nicht mit der Atmung in Verbindung stehen. Sie dienen lediglich als Training für den Vorgang nach der Geburt, sodass die Muskulatur die Anstrengung meistert. Gleichzeitig fördern diese Bewegungen die Lungenreife.
Die Alveolen selbst entstehen zum Großteil erst nach der Geburt (postnatal). Tatsächlich ist die Lunge erst zum achten Lebensjahr vollkommen ausgereift.
Leber, Blut und Immunsystem
Ab der sechsten Woche kann die Leber Ausgangsstoffe verstoffwechseln. Außerdem übernimmt sie nach Geburt nach und nach die Ausscheidung von Bilirubin, was pränatal Aufgabe der Plazenta ist.
Der Ort der Blutbildung wechselt von der Leber zur Milz und später zum Knochenmark. Eine Besonderheit im Bezug auf den Gasaustausch ist das fetale Hämoglobin (HbF), welches eine höhere Sauerstoffaffinität aufweist als die Version des Erwachsenen (HbA). Dadurch kann der Sauerstoff leichter vom mütterlichen auf das fetale Blut übertragen werden und im Gesamten ist eine geringere Sauerstoffkonzentration notwendig. Gleichzeitig ist die Konzentration des Hämoglobins erhöht, um die erschwerte Abgabe des Sauerstoffs auszugleichen. Das ist wichtig, da der Fötus zum Großteil mit Mischblut versorgt wird.
Wichtig für das Immunsystem des Fötus ist der sogenannte Nestschutz, da er selbst keine Immunglobuline bilden kann. Immunglobulin G (IgG) ist plazentagängig und kann so von der Mutter übertragen werden.
Gastrointestinaltrakt, Niere und Gehirn
Im dritten Schwangerschaftstrimenon ist der Gastrointestinaltrakt komplett funktionsfähig. Der Fötus schluckt das Fruchtwasser, welches der Darm anschließend resorbiert. Dadurch bildet sich das Mekonium, der erste Stuhl der Neugeborenen (Kindspech). Er wird innerhalb der ersten 48 Lebensstunden ausgeschieden und präsentiert sich zäh, klebrig und geruchlos mit einer grünlich-schwarzen Farbe.
Die glomeruläre Filtration der Niere und damit die Urinproduktion beginnt wie oben beschrieben in der neunten bis zwölften Entwicklungswoche, allerdings schafft es das Kind erst nach der Geburt, den Harn auch zu konzentrieren.
Die wichtige Myelinisierung des Gehirn beginnt am Ende der Fetalperiode und wird im ersten Lebensjahr fortgeführt.
Fötus – Fehlbildungen und Abort
Bei einer Störung nach der achten Entwicklungswoche treten Fetopathien auf, die sich allerdings meist milder präsentieren als Störungen in der Embryonalphase. Das ist darin begründet, dass die Organe bereits angelegt sind und lediglich das Größenwachstum in der Fetalperiode erfolgt.
Die Entwicklung des ZNS ist jedoch zu dem noch nicht abgeschlossen, weshalb sich Fehlbildungen besonders hier auswirken. Sie werden durch Infektionen, Antikörper oder Problematiken des Stoffwechsels hervorgerufen.
Infektionen
In der Schwangerschaft sind einige Erreger kritisch, die Auswirkungen auf das ungeborene Kind haben können. Sie sind unter dem Akronym STORCH bekannt.
- S: Syphilis
- T: Toxoplasmose, ein Erreger der im zweiten und dritten Trimenon unter anderem zu einer Retinochorioiditis, Hepatospenomegalie und intrazerebralen Verkalkungen führen kann.
- O: Others, worunter Listerien, Varizellen und das Parvovirus B19 fallen.
- R: Röteln mit der Fehlbildung der Rötelnfetopathie. Hierbei zeigen sich eine Hepatitis und Splenomegalie, sowie hämolytische Anämie und Thrombozytopenie. Die Symptome bilden sich meistens aber zurück.
- C: CMV, das Zytomegalievirus, welches vor allem im ZNS und an den Augen Schäden anrichtet, die zu späteren Hör- und Sehschäden führen können. Außerdem zeigen betroffene Kinder eine psychomotorische Retardierung, Lernschwierigkeiten und Zahndefekte.
- H: Herpes simplex Virus, welches häufig während oder nach der Geburt, selten aber auch transplazentar übertragen werden kann. Auch diese Erkrankung kann das ZNS einschließen.
Antikörper
Von besonderer Bedeutung für das ungeborene Kind ist eine Rhesus-Inkompatibilität, die zum Krankheitsbild des Morbus haemolyticus neonatorum führt. Voraussetzung hierfür ist eine Rhesus-negative Mutter, die Anti-D-Antikörper gebildet hat. Das Kind ist Rhesus-positiv, weshalb die Antikörper das Blut des Kindes angreifen. Das ist beim ersten Kind kein Problem, da die Mutter die Antikörper erst gegen Ende der Schwangerschaft bildet. Dadurch sind sie beim zweiten Kind allerdings vorhanden und gefährlich.
Bereits intrauterin kann durch die Reaktion ein Hydrops fetalis erfolgen, bei dem sich Flüssigkeit in den serösen Höhlen des Kindes sammelt (Pleura, Perikard, Peritoneum), was das Leben des Kindes bedroht. Postnatal tritt bei Säuglingen eine Hämolyse-bedingte Anämie auf. Deshalb wird in solchen Fällen eine Anti-D-Prophylaxe bei Rhesus-negativen Müttern durchgeführt.
Stoffwechsel
Den Stoffwechsel betreffend ist der Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) eine Glucose-Toleranzstörung, die erstmals während der Schwangerschaft auftritt oder diagnostiziert wird. Ab dem zweiten Trimenon zeigt sich beim Kind eine hormonell bedingte zunehmende Insulinresistenz, wodurch sich das Diabetesrisiko erhöht. Föten können die Fetopathia diabetica entwickeln und Fehlbildungen sind wahrscheinlicher, genauso wie eine Frühgeburt.
Deshalb wird jeder Schwangeren empfohlen, in der 24. bis 28. Schwangerschaftswohe einen abgeschwächten oralen Glucosetoleranztest durchzuführen.
Abort und intrauteriner Fruchttod
Warum einem Kind es nicht gelingt, das Licht der Welt lebend zu erblicken, kann viele verschiedene Gründe haben, die selten voraussehbar und vermeidbar sind. Häufig spielen beim intrauterinen Fruchttod in der Fetalperiode Infektionen und Fehlbildungen eine Rolle. Eine weitere Möglichkeit ist die intrauterine Wachstumsrestriktion (IUGR), bei der das fetale Schätzgewicht unterhalb der zehnten Perzentile liegt. Sie schöpfen ihr Wachstumspotenzial aufgrund pathologischer Vorgänge nicht aus.
Im Gegensatz dazu sind SGA-Feten (small for gestational age) ebenfalls zu klein, nutzen das Potenzial jedoch vollkommen aus.
Maternale, iatrogene oder fetoplazentare Risikofaktoren spielen eine Rolle in der Ätiologie eines Aborts. Dazu zählen jeweils folgende:
- Maternal: hormonelle Ursachen, Anomalien der Geschlechtsorgane, systemische Ursachen, Infektionen und äußere Einflüsse wie Alkohol oder Drogen
- Fetoplazentar: Chromosomenaberrationen, Plazentainsuffizienz, Nidationsanomalien, Nabelschnurkomplikationen
- Iatrofen: Medikamente, Amniozentese / Chorionzottenbiopsie, Lebendimpfungen
Mittels einer Obduktion nach einer Totgeburt kann versucht werden, die Ursache herauszufinden oder einzugrenzen. Eine genetische Analyse der Eltern und des Kindes kann helfen, erbliche Belastungen und ein Wiederholungsrisiko zu erkennen.
- Bommas-Ebert U et. al., Kurzlehrbuch Anatomie und Embryologie, 3. Auflage, Thieme
- Physiologische Aspekte prä- und postnatal, https://next.amboss.com/de/article/9p0N7S, (Abrufdatum: 19.07.2024)
- Abort und intrauteriner Fruchttod, https://next.amboss.com/de/article/MD0MUR, (Abrufdatum: 19.07.2024)
- Grundlagen der Embryologie, https://next.amboss.com/de/article/vp0ArS, (Abrufdatum: 19.07.2024)
- Schwangerschaft, https://next.amboss.com/de/article/dO0orT, (Abrufdatum: 19.07.2024)