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Fruchtwasser spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung des ungeborenen Kindes und ist ein oft unterschätzter Bestandteil der Schwangerschaft. Diese klare Flüssigkeit umgibt den Fötus in der Gebärmutter und bietet nicht nur Schutz, sondern unterstützt auch die gesunde Entwicklung lebenswichtiger Organe und Systeme. In diesem Artikel werden die Funktionen des Fruchtwassers, seine Zusammensetzung sowie mögliche Komplikationen und deren Auswirkungen auf Mutter und Kind eingehend untersucht. Darüber hinaus werden auch die moralischen und medizinischen Aspekte im Zusammenhang mit Verfahren wie der Amniozentese thematisiert, um ein umfassendes Verständnis dieses wichtigen Themas zu ermöglichen.
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Fruchtwasser – Definition
Fruchtwasser, auch als Amnionflüssigkeit bekannt, ist eine schützende Flüssigkeit, die das ungeborene Kind während der Schwangerschaft in der Gebärmutter umgibt. Es füllt die Fruchtblase und spielt eine entscheidende Rolle für die gesunde Entwicklung des Fetus. Sie liegt innerhalb der Amnionhöhle, die sich vollständig ab Beginn der dritten Monats (etwa zeitgleich mit der einsetzenden Fetalperiode) entwickelt. Das Epithel der Fruchtblase – Amnionepithel – kleidet den Raum auf und ist primär für die Entstehung des Fruchtwassers verantwortlich.
Fruchtwasser – Zusammensetzung und Normwerte
Fruchtwasser besteht hauptsächlich aus Wasser, macht aber auch Elektrolyte, Proteine, Kohlenhydrate, Lipide und Hormonbestandteile aus. Es enthält auch Zellen, die vom Fötus abgestoßen werden, und ist reich an Nährstoffen, die für die Entwicklung des Kindes wichtig sind. Der Fruchtwasser pH-Wert ist im neutralen Bereich und liegt in der Regel zwischen 7 und 7,5.
Ins Wasser pinkeln
Tatsächlich macht ein großer Teil des Fruchtwasser der Urin den Fetus aus. Dieser trinkt ab dem 5. Monat etwa 400, in der Spätschwangerschaft sogar etwa 900 ml täglich und scheidet die aufgenommene Flüssigkeit als gering konzentrierten Urin wieder aus, etwa 1.000ml pro Tag. Daneben machen auch eine Intramembranöse Absorption, die Resektion über die Lunge und der transmembranöse Austausch der mütterlichen Zellen einen großen Teil der Zirkulation aus. So wird das Fruchtwasser ein bis zweimal am Tag komplett ausgewechselt.
Menge der Amnionflüssigkeit
Das Fruchtwasser nimmt während der fetalen Entwicklung kontinuierlich zu und letztendlich zum Geburtstermin hin wieder ab. Woher diese Entwicklung kommt und was ihr Grund ist, ist wissenschaftlich nicht letztendlich verstanden. Dennoch scheint seine Menge eine große gesundheitliche Bedeutung zu haben. Liegt zu viel Amnionflüssigkeit vor, spricht man von einer Polyhydramnie, bei zu geringer Menge von einer Oligohydramnie. Folgende Tabelle zeigt die Normwerte der Fruchtwasserverteilung im Verlauf der Schwangerschaft auf:
Woche | Menge in Milliliter |
10 | 10 bis 20 ml |
12 | 50 ml |
20 | 400 ml |
34 | 800 ml |
36 bis 38 | 1.000 ml |
Geburtstermin | 500 bis 1.000 ml |
Quelle: Prof. Dr. Luigi Raio, FHA das Fachmagazin, Ausgabe 04/19
Fruchtwasser – Funktion
Fruchtwasser erfüllt mehrere wesentliche Funktionen während der Schwangerschaft, die entscheidend für die gesunde Entwicklung des Fetus sind. Es bietet einen schützenden Puffer, der das Baby vor Stößen und äußeren Einflüssen bewahrt, während es gleichzeitig die Bewegungsfreiheit fördert, die für die Entwicklung der Muskulatur und der Knochen notwendig ist. Zudem hilft Fruchtwasser, eine konstante Temperatur aufrechtzuerhalten und trägt zur Regulation des pH-Wertes bei. Die Flüssigkeit ermöglicht es dem Fötus, zu atmen und zu schlucken, was wichtig für die Entwicklung der Lungen und des Verdauungssystems ist. Darüber hinaus fördert es den Austausch von Nährstoffen und Abfallstoffen zwischen dem Fetus und der Schwangeren über die Plazenta.
Fruchtwasser – Untersuchung und Amniozetese
Die wichtigste um am häufigsten durchgeführte Untersuchung des Fruchtwassers ist die sonografische Beurteilung. Hierbei teilt man die im Sono eingestellte Fruchtblase entweder gedanklich in vier Quadranten auf und beurteilt die Summe von vier Durchschnittsmessungen in den Quadranten (AFI 5 bis 24 cm) oder beurteilt den Durchschnitt des größten Depots (2 bis 8 cm). Liegt demnach zu wenig Fruchtwasser vor, ist der häufigste Grund ein Blasensprung.
Beurteilung des Vaginalausfluss: Teststreifen
Bei vorzeitigem (okkultem) Blasensprung kann es sein, dass noch keine klinischen Anzeichen einer Geburt auftreten. Diese Phase ist besonders heikel, da es unter Umständen zu Infektionen und Mangelversorgung des Fetus kommen kann, wenn die Fruchtblase eröffnet und das Fruchtwasser geringgradiger vorhanden ist. In diesem Fall bezieht man die Diagnose aus der Beurteilung des Vaginalausfluss. Da das Fruchtwasser nicht klar von beispielsweise Urin zu unterscheiden ist, verwendet medizinisches Personal Teststreifen, die aufgrund der Zusammensetzung des Fruchtwassers mit seinen speziellen Proteinen dieses identifizieren. Mit einem positiven Teststreifen ist der Blasensprung gesichert.
Amniozetese
Die Amniozentese ist ein medizinischer Eingriff, bei dem eine Nadel durch die Bauchdecke in die Fruchtblase eingeführt wird, um eine Probe des Fruchtwassers zu entnehmen. Diese Probe ermöglicht es, genetische Tests durchzuführen, um mögliche Anomalien beim Fetus zu diagnostizieren, wie zum Beispiel Down-Syndrom (Trisomie 21) oder andere chromosomale Störungen. Der Eingriff wird in der Regel zwischen der 15. und 20. Schwangerschaftswoche (SSW) durchgeführt und kann auch Informationen über die Lungenreife des Fötus liefern. Führt man die Fruchtwasser-Punktion vor der 15. SSW durch, spricht man von einer Früh-Amniozetese. Sie kann indiziert sein, weil beispielsweise ein vorheriges Kind bereits unter einer Erbkrankheit leidet, die nun ausgeschlossen werden soll. Vor der 11. Woche ist das Frühgeburtenrisiko allerdings noch sehr stark erhöht.
Amniozetese: Ethische Aspekte
Die bestehende Debatte zur Amniozentese dreht sich vor allem um die ethischen Implikationen des Eingriffs und die Konsequenzen, die sich aus den Testergebnissen ergeben können. Einerseits wird die Fruchtwasseruntersuchung als wichtiges Werkzeug zur frühzeitigen Diagnose genetischer Störungen betrachtet, was Eltern die Möglichkeit gibt, informierte Entscheidungen zu treffen. Andererseits gibt es Bedenken hinsichtlich der potenziellen Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen und der Möglichkeit, dass werdende Eltern sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden könnten, wenn Anomalien festgestellt werden. Diese Diskussion berührt auch Fragen der Autonomie der Eltern, des Lebensrechts und der gesellschaftlichen Verantwortung.
Fruchtwasser – Klinische Beschwerden
Eine der häufigsten Probleme ist das Vorhandensein von zu wenig Fruchtwasser (Oligohydramnion), was zu Entwicklungsstörungen der Lungen und anderen Organen führen kann. Mögliche Erklärungen sind neben dem stattgefundenen Blasensprung hierbei vor allem die gestörte Funktion der fetalen Harnwege. Auch eine Plazentainsuffizienz stellt eine mögliche Ursache dar. Umgekehrt kann zu viel Fruchtwasser (Polyhydramnion) auf Erkrankungen wie Diabetes der Mutter oder genetische Störungen des Fetus hinweisen. Die übermäßige Fruchtwasserproduktion ist an viele Risiken gekoppelt, dazu gehörig beispielsweise Frühgeburtlichkeit, eine Plazentaablösung oder auch das erhöhte Risiko einer Notsectio (Kaiserschnitt). Je mehr übermäßiges Fruchtwasser vorhanden ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit von Kindsfehlbildungen und ähnlichem. Besonders häufig kommt die Kombination auf übermäßiger Amnionflüssigkeit und sehr kleinem Kind bei Schwangeren im höheren Alter vor. Auch Suchtproblematik seitens der Schwangeren Person oder Medikamenteneinnahme können im Zusammenhang stehen.
Zudem können Infektionen im Fruchtwasser, wie zum Beispiel eine Amnionitis, sowohl für die Mutter als auch für das Kind gefährlich sein und zu Frühgeburten oder anderen Komplikationen führen. Regelmäßige Ultraschalluntersuchungen helfen, Abweichungen in der Fruchtwassermenge frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
- Prof. Dr. Raio, Das Fruchtwasser, Frauenheilkunde aktuell – das Fachmagazin, Ausgabe 04/19
- Kämmerer U, Garnier Y, Singer D. Anpassung des Neugeborenen an das extrauterine Leben. In: Pape H, Kurtz A, Silbernagl S, Hrsg. Physiologie. 10., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2023.
- Pedain C, Herrero Garcia J. In welcher Schwangerschaftswoche wird eine („klassische“) Amniozentese zur Gewinnung von Fruchtwasser zur Karyotypisierung normalerweise durchgeführt?. In: Pedain C, Herrero Garcia J, Hrsg. Fallbuch Gynäkologie und Geburtshilfe. 3., unveränderte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017.