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Die bekannteste Wirkung von Gastrin ist eine Steigerung der Magensäureproduktion. Dabei ergeben sich seit einigen Jahren zunehmend Hinweise, dass das Hormon weit mehr beeinflusst als nur die Verdauung.
Dieser Artikel bietet einen Überblick über die aktuellen Erkenntnisse zu Gastrin und zeigt auf, wie das Hormon künftig die Therapie einiger „Volkskrankheiten“ beeinflussen könnte.
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Gastrin – Definition
Die Synthese des Peptidhormons Gastrin erfolgt in den sogenannten G-Zellen, einer spezialisierten Zellgruppe, die im Magenantrum sowie im Zwölffingerdarm (Duodenum) angesiedelt ist.
Die Ausschüttung von Gastrin passt sich der Nahrungsaufnahme an. Wichtige Trigger sind dabei die Aufnahme von Proteinen, die Dehnung der Magenwand und die Anwesenheit bestimmter Nährstoffe im Magen.
Gastrin – Wirkung und Funktion
Vorrangig reguliert Gastrin die Sekretion der Magensäure, die zur Zersetzung der Nahrungsbestandteile und zur Abwehr von Krankheitserregern benötigt wird. Ohne Gastrin kommt es zu einer Störung der Proteinspaltung und das Risiko für nahrungsmittelassoziierte Infektionen steigt an.
Darüber hinaus regt es die Darmmotilität an und fördert die Ausschüttung von Pepsinogen, das zur Proteinaufspaltung benötigt wird, sowie von Gallensäuren, Insulin und dem Gastrin-Hemmer Somatostatin.
Die Gastrinbildung wird gehemmt durch Sekretin, das bei Übertritt von Magensäure in den Zwölffingerdarm ausgeschüttet wird. Auch das glukoseabhängige insulinotrope Peptid (GIP), das nach Ankunft von Zucker und Fettsäuren aus der Nahrung im Zwölffingerdarm freigesetzt wird, kann die Gastrinfreisetzung unterdrücken, ebenso wie das vasoaktive intestinale Peptid (VIP), dessen Blutspiegel als Reaktion auf eine Aufdehnung des Verdauungstraktes ansteigen.
Herz-Kreislauf-System
Wenngleich das Herz-Kreislauf-System nicht direkt von Gastrin adressiert wird, scheint es doch günstige Effekte des Hormons auf die Gefäßgesundheit zu geben. Aktuelle Studien zeigen eine reduzierte Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei steigendem Gastrin-Spiegel. In diesem Zusammenhang konnten die Forschenden im Tiermodell nachweisen, dass unter Einfluss von Gastrin weniger Herzmuskelzellen nach einem Herzinfarkt zugrunde gingen als in Abwesenheit des Hormons. Außerdem ließ sich die Neubildung von Blutgefäßen im Bereich der Durchblutungsstörung durch Gastringaben anregen. Dies führen die Forschenden sie auf eine Steigerung des Wachstumsfaktors VEGF und auf eine vermehrte Wanderung von Zellen der Blutgefäßwände in die Infarktzone zurück. Eine Übertragung dieses Wissens in die Humanmedizin ist Gegenstand aktueller Studien.
Zentrales Nervensystem
Gastrin spielt vor allem eine Rolle bei der Steuerung des Enterischen Nervensystems. Dies ist ein hochkomplexes Netzwerk von Nervenzellen, das weitestgehend unabhängig vom Zentralen Nervensystem die Aktivität im Magen-Darm-Trakt steuert. Über eine Beschleunigung der Magenentleerung und Darmpassage könnte Gastrin allerdings auch einen indirekten Einfluss auf das zentrale Nervensystem ausüben, denn das Sättigungsgefühl und die Nahrungsaufnahme passen sich an die Signale aus dem Magen-Darm-Trakt an.
Studien deuten darüber hinaus auf eine mögliche Beeinflussung der Stressantwortsysteme durch Gastrin hin.
Glatte Muskulatur
Im Verdauungstrakt beeinflusst Gastrin die Aktivität der glatten Muskelzellen des Darms hin zu einer gesteigerten peristaltischen Welle. Die Nahrung wird hierdurch gut mit den Verdauungssäften durchmischt und zügig weiter transportiert. Gleichzeitig steigt der Druck im unteren Ösophagussphincter an, dem muskulären Verschluss der Speiseröhre gegenüber dem Magen. Dies verhindert den Rückfluss von Magensaft und dem Speisebrei aus dem Magen in die Speiseröhre.
Gastrin hemmt zudem den Abbau von Stickstoffmonoxid und kann darüber die Magenwand vor Schäden durch die Magensäure schützen. Stickstoffmonoxid ist gleichzeitig auch ein wesentlicher Faktor für die Entspannung der glatten Muskelzellen in den Wänden der Blutgefäße. Es bewirkt eine Erweiterung der Gefäße (Vasodilatation) und trägt hierdurch zur Senkung des arteriellen Blutdrucks bei. Diese Zusammenhänge lassen Wissenschaftler annehmen, dass Gastrin indirekt auch über diesen Weg das Herz-Kreislauf-System positiv beeinflusst, wenngleich auch in diesem Punkt noch kein konkreter therapeutischer Nutzen aus diesen Informationen gezogen werden kann.
Erhöhte Gastrin-Spiegel können Folge einer vermehrten Gastrinproduktion sein, etwa bei einer Störung der Magensäurebildung unter dauerhafter Einnahme von Magensäureblockern oder bei autoimmunen Erkrankungen des Magens. Auch eine eingeschränkte Säurewahrnehmung im Dünndarm oder ein unzureichender Abbau des Gastrins können die Blutspiegel ansteigen lassen. In seltenen Fällen ist eine schwere Magenausgangsstenose oder ein Gastrin-bildender Tumor (beim Zollinger-Ellison-Syndrom) für die erhöhten Blutspiegel verantwortlich. Die Symptome der Gastrinerhöhung sind bei allen Formen ähnlich und umfassen behandlungsresistente Magengeschwüre, chronische Magenschmerzen und häufig Reflux.Differentialdiagnose bei erhöhtem Gastrin-Spiegel
Mobilisierung von Energiereserven
Eine direkte Wirkung von Gastrin auf die Bereitstellung körpereigener Energiereserven ist bis dato nicht bekannt. Das Hormon reguliert vorrangig die Aufnahme von Nährstoffen und die Verdauung, wodurch es die Bildung und Füllung der Energiespeicher fördert.
Es gibt allerdings Hinweise auf ein mögliches Zusammenwirken von Gastrin und Cortisol. Da in Stresssituationen Energie benötigt wird, begünstigen die Stresshormone deren Bereitstellung aus den Körperspeichern. Gleichzeitig gehen körperliche Belastungen und die daraus resultierende Cortisolausschüttung mit einer verstärkten Gastrinproduktion einher. Somit könnte ein Zusammenhang zwischen beiden Systemen bestehen. Diesen Verdacht unterstützt auch die Tatsache, dass viele Menschen bei vermehrtem Stress über Magenbeschwerden klagen oder gar ein Magengeschwür entwickeln.
Sonstige Effekte
Im Tiermodell zeigte sich ein hemmender Einfluss hoher Gastrin-Spiegel auf das Fortschreiten chronischer Nierenerkrankungen und von bindegewebigem Umbau der Niere. Diese Zusammenhänge werden derzeit in Studien weiter untersucht. Sollte sich dabei bestätigen, dass es eine Schädigung der Niere verlangsamen oder gar verhindern kann, so könnte das Hormon in Zukunft auch eine wichtige Rolle in der medikamentösen Therapie von Herz– und Nierenkrankheiten erlangen. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass insbesondere bei dauerhafter Einnahme blutverdünnender Medikation ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von komplikationsreichen Magengeschwüren besteht. Dies betrifft häufig Herzpatienten.
Gastrin – Abbau
Der Abbau erfolgt durch enzymatische Inaktivierung und Aufspaltung des Hormons, das hiernach von den Nieren ausgeschieden wird. Bei Nierenfunktionsstörung kann es zu einer Erhöhung der Gastrin-Spiegel im Blut kommen, was sich durch Verdauungsstörungen und Magenbeschwerden äußern kann.
Häufige Fragen
- Was ist die Wirkung von Gastrin?
- Was erhöht den Gastrin-Spiegel?
- Was passiert, wenn der Körper zu viel Gastrin hat?
- Wann wird Gastrin ausgeschüttet?
Bindet Gastrin an spezifische Rezeptoren der Belegzellen des Magens, so beginnt in der Zelle eine Signalkaskade, die in einer vermehrten Abgabe von Magensäure in das Mageninnere endet. Hierdurch sinkt der pH-Wert des Speisebreis ab, was über einen negativen Feedback-Mechanismus die Gastrinbildung hemmt.
Der Gastrin-Spiegel steigt an bei beeinträchtigter Magensäuresekretion, beispielsweise infolge einer autoimmun-bedingten Gastritis oder unter Einnahme von Protonenpumpenhemmern. Weitere Auslöser sind das Kurzdarmsyndrom, eine stattgehabte Vagotomie, chronische Nierenerkrankungen oder das Zollinger-Ellison-Syndrom. Gelegentlich kann auch eine Verengung des Magenausgangs durch den gesteigerten Druck im Magen die Gastrin-Spiegel ansteigen lassen.
Zu hohe Gastrin-Spiegel führen zu einer abnormen und langanhaltenden Absenkung des pH-Wertes im Magen und fördern damit die Entstehung von therapieresistenten Magengeschwüren und schwerer Refluxerkrankung der Speiseröhre. Zudem regen sie die Darmtätigkeit an und können Durchfälle auslösen. Bei einer Kombination dieser Symptome ohne hinreichende differentialdiagnostische Erklärung hierfür sollte eine Diagnostik hinsichtlich eines Gastrin-produzierenden Tumors erwogen werden.
Gastrin wird ausgeschüttet, wenn ein entsprechender Reiz die G-Zellen von Magen und Zwölffingerdarm dazu anregt. Dies kann die Magendehnung durch eine zunehmende Füllung mit Nahrung sein oder eine Abschwächung des Säuregrades durch die Durchmischung mit Nahrung. Kaffee regt die Freisetzung von Gastrin an und fördert so die Verdauungsaktivität. Auch Signale des Vagusnerv, die zu einer vermehrten Freisetzung von Gastrin Releasing Peptid beitragen, und Nikotin, das den Acetylcholin-Spiegel steigen lässt, bewirken einen Anstieg der Gastrin-Spiegel.
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