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Die Geburt markiert das Ende der Schwangerschaft und den Beginn des eigenständigen Lebens außerhalb des Mutterleibs. Der Geburtsprozess umfasst eine Reihe physiologischer Abläufe, die in mehreren Phasen organisiert sind und sowohl für die Mutter als auch für das Kind eine große körperliche wie emotionale Herausforderung darstellen. In der Medizin beschreibt die Geburt nicht nur den Moment des Austritts des Kindes, sondern einen genau definierten Ablauf, der engmaschig begleitet wird und unter Umständen unterstützt wird. Im Folgenden wird die Geburt in ihrer Definition, ihrem physiologischen Ablauf sowie potenziellen Komplikationen näher beleuchtet.
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Geburt – Definition
Die Geburt beschreibt den physiologischen Vorgang, bei dem der Fötus aus dem Mutterleib unter Wehentätigkeit ausgestoßen wird. Die Geburt stellt das Ende der Schwangerschaft dar und kann auf natürliche Weise oder durch medizinische Eingriffe, wie den Kaiserschnitt, durch eine Hebamme oder einen Arzt als Entbindung erfolgen.
Geburt – Physiologie und Ablauf
Eine ordnungsgemäße Geburt verläuft in drei Phasen und beginnt mit den Eröffnungswehen, die die Eröffnungsperiode der Geburt einleiten. Die zweite Phase wird als Austrittsperiode (früher als Austreibungsphase) bezeichnet und beginnt durch die vollständige Eröffnung des Muttermundes. Sie endet mit der Geburt des Kindes. Die sogenannte Nachgeburtsperiode schließt den Entbindungsvorgang ab und endet mit der vollständigen Geburt der Nachgeburt, der Plazenta. Alle drei Phasen haben für sich charakteristische Wehen, die im folgenden genauer beschrieben werden.
Normale Geburt
Eine normale Geburt wird beschrieben bei einer Schwangerschaftsdauer zwischen 270 und 290 Tagen, einer Geburtsdauer zwischen 3 und 18 Stunden, einem Blasensprung in der Eröffnungsperiode, Blutverlusten unter 500 ml und einer Einlingsschwangerschaft. Während der Geburt sollten keine bemerkenswerten Komplikationen bezüglich der Gesundheit der Kindes und der Mutter auftreten.
Eröffnungsperiode
Die Eröffnungsperiode dauert etwa 3 bis 12 Stunden und damit der längste Abschnitt der Geburt. Sie ist abhängig von der Anzahl vorheriger Geburten, jedoch individuell sehr unterschiedlich und bei Erstgebärenden tendenziell länger als bei Mehrgebärenden.
Unterschied zwischen Erst- und Mehrgebärenden
Bei Erstgebärenden erfolgen die Zervixeröffnung und Öffnung des Muttermundes nacheinander, während beides bei Mehrgebärenden gleichzeitig erfolgt. Dies ist der Grund warum bei Mehrgebärenden die Eröffnungsperiode meist deutlich kürzer ist.
Die Eröffnungsperiode ist durch Eröffnungswehen gekennzeichnet, die in regelmäßigen, koordinierten Abständen auftreten und mit zunehmender Intensität den Muttermund vollständig eröffnen. Sie treten erst alle 10 Minuten und kurz vor Eröffnung des Muttermundes alle 2 bis 3 Minuten auf. Mit dem Ende der Eröffnungsphase kann der Kopf des Kindes durch die Zervix (Gebärmutterhals) in die Vagina geschoben werden und die Austrittsperiode kann beginnen.
Austrittsperiode
Die Austrittsperiode beschreibt den Zeitraum zwischen vollständiger Eröffnung des Muttermundes und vollständiger Geburt des Kindes. Das Kind wird durch Einwirkung der Wehen durch den Geburtskanal nach außen geschoben. Die Dauer hängt von der Anzahl früherer Geburten ab. Die zugehörigen Wehen dieser Periode heißen Austrittswehen. Sie sind charakterisiert durch koordinierte regelmäßige Wehen hoher Intensität. Diese Wehen treten zunächst alle 4 bis 10 Minuten und dienen dem Austreten des Kindes.
In der letzten Phase werden die Austrittswehen häufiger und verstärkt, alle 2 bis 3 Minuten mit Drücken von bis zu 200 mmHg, auch bezeichnet als Presswehen.
Nachgeburtsperiode
Die Nachgeburtsperiode definiert den Zeitraum zwischen der Geburt des Kindes und der vollständigen Geburt der Plazenta mit Eihäuten, welche bei aktivem Management eine maximale Dauer von 30 Minuten hat. Die zugehörigen Wehen zur Periode sind die Nachgeburtswehen, die Minuten nach der Geburt des Kindes das erste Mal auftreten. Sie zeichnen sich durch unregelmäßige Kontraktionen niedriger Intensität, die innerhalb von 30 Minuten zum Ausscheiden der Plazenta führen, aus.
Es kommt zu einem Blutverlust von etwa 300 bis 400 mL durch das Lösen der Plazenta. Prophylaktisch wird Oxytocin nach Abnabelung des Kindes gegeben, um den Blutverlust zu reduzieren. Kommt es zu einem Blutverlust von über 500 mL, ist es wichtig dies abzuklären, zum Beispiel bei einer Plazentaretention, bei welcher die Plazenta nach der Geburt verzögert abgestoßen wird. Auch bei einer Uterusatonie, die eine atone Nachblutung durch Kontraktionsschwäche des Uterus (Gebärmutter) nach der Geburt und die Ausstoßung der Plazenta mit starkem Blutverlust darstellt, ist eine Abklärung wichtig. Die Uterusatonie ist der häufigste Grund für eine postpartale Blutung.
Die Plazenta wird nach Vollständigkeit, Nebenplazenta und weiteren Nabelschnurgefäßen untersucht. Bei der Vollständigkeit wird beispielsweise auf eine unregelmäßige Oberfläche der Dezidua geschaut, welche für einen intrauterinen Plazentarest spricht.
Bei der Nebenplazenta wird auf große Gefäße geschaut, die von der Plazenta zu den Eihäuten verlaufen und für eine im Uterus verbliebene Zweitplazenta sprechen würden.
Unvollständige Plazenta
Gibt es den Verdacht auf eine unvollständige Plazenta oder Nebenplazenta, so muss manuell nachgetastet werden und normalerweise kürettiert werden. Hier muss über das Risiko über das Auftreten des Asherman-Syndroms, also Verwachsungen oder Verklebungen der Gebärmuttervorder- und -rückwand, informiert werden.
Nach der Geburt bleiben Mutter und Neugeborenes noch im Kreißsaal, um mögliche Geburtsverletzungen zu versorgen und die Kindervorsorgeuntersuchung U1 durchzuführen.
Blasensprung-Diagnostik
Bei der Diagnostik des Blasensprungs wird eine Spekulumeinstellung durchgeführt, um eine Inspektion und je nachdem eine Entnahme von Abstrichen aus Vagina und Portio durchzuführen. Das Spekulum wird vaginal eingeführt und gespreizt.
Da die Diagnose eines vorzeitigen Blasensprungs vor allem eher schwierig sein kann, wird bei unklarem Befund der Nachweis von Fruchtwasser indiziert. Dies tut man anhand der Lackmusprobe, bei der ein Teststreifen durch den aufgetragenen Farbstoff als pH-Indikator dient. Des weiteren wird ein Nachweis von IGF-bindendem Protein (IGFBP) mittels Schnelltest und des plazentaren alpha1-Mikroglobulins angesetzt.
Eine weitere Beurteilung wird beispielsweise auch bezüglich der Farbe des Fruchtwassers durchgeführt. Dabei kann grünes Fruchtwasser durch Mekoniumabgang (erster Stuhl des Neugeborenen) des Kindes ein Hinweis auf fetalen Stress sein. Es kann weiterhin eine transabdominale Sonografie durchgeführt werden um eine gegebenenfalls verminderte Fruchtwassermenge zu erkennen.
Geburt – Klinik und Komplikationen
Komplikationen können in jeder Phase der Geburt auftreten. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist vor allem in solchen Fällen essenziell.
Kommt es zu Verzögerungen im Geburtsablauf beispielsweise durch Wehenschwäche, Erschöpfung der gebärenden Frau oder Hindernisse des Geburtskanals wie es bei Vorliegen von Uterusmyomen der Fall sein kann, so stellt dies eine Komplikation dar. Dies muss durch Überwachung von Mutter und Kind und die zeitgemäße Einleitung unterstützender Maßnahmen diagnostisch angegangen werden.
Protrahierte Geburt
Eine protrahierte Geburt, also der verlängerte Verlauf einer Geburt durch eine verzögerte Eröffnung des Muttermundes während der aktiven Eröffnungsperiode kann nochmals unterteilt werden in eine protrahierte Eröffnungsperiode und protrahierte Austrittsperiode. Je nach Komplikation wird geschaut wie gehandelt wird, das fachärztliche Personal hinzugezogen, und beispielsweise die Gabe von Oxytocin angeboten bei Wehenschwäche. Je nach Situation wird auch eine Amniotomie angeboten. Die Amniotomie beschreibt die künstliche Sprengung der Fruchtblase mittels Fingerling mit kleinem Häkchen.
Geburtsstillstand und Blutungen
Bei einem fehlenden Geburtsfortschritt über mehrere Stunden, spricht man von einem Geburtsstillstand. Hier wird individuell abhängig von Ursache, Geburtsfortschritt, fetalem und maternalem Zustand eine Neubeurteilung der Gesamtsituation vollzogen und dementsprechend gehandelt. Ein Geburtsstillstand würde zum Beispiel bei einem nicht erfolgtem Geburtsfortschritt bei einer Dauer von über 6h und Zustand nach Blasensprung und einer Muttermundweite von über 6 cm und Wehenaugmentation mittels Oxytocin auftreten. Bei einem ebenfalls nicht erfolgten Geburtsfortschirtt nach einer Dauer von über 4 h nach Blasensprung und einer Muttermundweite von über 6 cm und adäquater Wehentätigkeit spricht man ebenfalls von einem Geburtsstillstand.
Bei einem Fall wie dem Geburtsstillstand greift man oft auf die operative Entbindung durch die Bauchdecke im Rahmen des Kaiserschnitts.
Auch Blutungen können auftreten, wozu die intrapartalen Blutungen gehören. Ab einem Blutverlust von etwa 1000 mL sind sofort Basismaßnahmen einzuleiten. Dazu gehören unter Anderem Hilfe holen, zwei großlumige venöse Zugänge legen und die Vitalparameter überwachen.
Geburtsverletzungen
Geburtsverletzungen umfassen Verletzungen von Labien, Zervix der Vagina. Insbesondere bei starken Scherkräften kann es zu einem Labienriss kommen. Ein Zervixriss kann durch pressen gegen den nicht vollständig geöffneten Muttermund erfolgen und ein Vaginalriss bei Zangenentbindung. Die Klitorisverletzung tritt in etwa 3 Prozent der Fälle auf. Therapeutisch wird bei starker Blutung eine operative Versorgung unter adäquater Analgesie durchgeführt.
Da der Damm bei der Geburt unter starker Spannung steht, ist der Dammriss einer der häufigsten Geburtsverletzungen. Es kommt je nach Stärke der Ausprägung zum Einreißen der Damm- und Vaginalhaut, der Beckenbodenmuskulatur sowie der Analsphinkteren. Ein Dammriss tritt bei bis zu 30 Prozent aller vaginalen Geburten auf.
Die Geburtsverletzungen versorgt man in der Regel noch im Kreißsaal nach Geburt der Plazenta. Treten jedoch stark blutende Wunden, hohe Zervixrisse oder Dammrisse auf und reichen die Lokalanästhetika nicht für eine gute Analgesie aus, so operiert man in Allgemeinanästhesie.
Häufige Fragen
- Wann beginnt die Geburt?
- Wie lange dauert eine Geburt?
- Was passiert bei einem Blasensprung?
- Was ist ein Kaiserschnitt und wann wird er gemacht?
- Tut eine Geburt wirklich so weh?
- Was ist eine PDA und wann kann man sie bekommen?
Die Geburt beginnt meist mit regelmäßigen Wehen oder dem Blasensprung. Treten die Wehen in regelmäßigen Abständen auf, werden dann stärker und dauern länger an, so ist dies ein sicheres Zeichen. Ein Schleimpropf-Abgang kann ein frühes Anzeichen sein.
Die Dauer der Geburt ist individuell sehr unterschiedlich. Bei Erstgebärenden dauert eine Geburt im Durchschnitt etwa 8 bis 14 Stunden, bei Mehrgebärenden meist kürzer. Die Geburt gliedert sich in drei Phasen: Eröffnungsperiode, Austrittsperiode und Nachgeburtsperiode.
Beim Blasensprung reißt die Fruchtblase und Fruchtwasser tritt aus. Tritt er vor Einsatz der Wehen auf, spricht man von einem vorzeitigen Blasensprung. Wichtig ist hier die Beobachtung auf Wehenbeginn und die Farbe des Fruchtwassers. Ist das Fruchtwasser grün, kann dies auf fetalen Stress hinweisen.
Ein Kaiserschnitt ist eine operative Entbindung durch die Bauchdecke. Er wird geplant oder notfallmäßig durchgeführt, z.B. bei Geburtsstillstand, fetalem Stress, Mehrlingsschwangerschaften, ungünstiger Kindslage oder Vorerkrankungen der Mutter.
Ja, Wehen sind schmerzhaft, aber jede Frau erlebt sie unterschiedlich. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten zur Schmerzlinderung. Dazu gehören Atemtechniken und Bewegung oder auch Medikamente.
Die PDA ist eine örtliche Betäubung im Rückenmarkskanal, die den Schmerz während der Geburt deutlich lindert. Sie kann in der aktiven Eröffnungsphase gelegt werden, wenn kein zu starker Geburtsfortschritt vorliegt.
- Uhl: Gynäkologie und Geburtshilfe compact. Georg Thieme Verlag 2018
- Kainer et al.: Facharztwissen Geburtsmedizin. Urban & Fischer 2016
- Geburtsablauf, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum 20.03.2025)