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Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) ist ein zentraler Indikator für die Nierenfunktion. Sie zeigt, wie effizient die Nieren Abfallstoffe filtern. Schwankungen sind normal, doch eine dauerhaft veränderte GFR kann auf Nierenerkrankungen hinweisen. Dieser Artikel erklärt, wie die GFR berechnet wird und warum sie so wichtig ist.
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GFR – Definition
Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) ist ein wichtiger Parameter zur Beurteilung der Nierenfunktion. Sie beschreibt das Flüssigkeitsvolumen des Plasmas, das von allen Glomeruli beider Nieren pro Zeiteinheit gefiltert wird. Alternativ kann man die GFR als die Menge an Primärharn verstehen, die pro Minute entsteht.
Der Normalwert der GFR liegt bei etwa 120 ml/min/1,73 m² Körperoberfläche, was einer täglichen Filtration von ungefähr 180 Litern entspricht. Es handelt sich jedoch nicht um eine konstante Größe, da die GFR je nach Tageszeit um bis zu ein Drittel schwanken kann. Zudem nimmt die glomeruläre Filtrationsrate mit dem Alter ab. Sie erreicht ihren Höhepunkt etwa im 20. Lebensjahr und beginnt ab dem 35. Lebensjahr kontinuierlich zu sinken.
Neben dem Alter kann auch die Muskelmasse die GFR beeinflussen. Da die Bestimmung häufig anhand der Kreatinin-Konzentration im Blut erfolgt, kann eine erhöhte Muskelmasse zu einer überschätzten GFR führen, während eine geringe Muskelmasse den Wert unterschätzen kann.
Die GFR ist ein wichtiger Indikator für die Nierenfunktion und spielt eine zentrale Rolle in der Diagnostik und Verlaufsbeurteilung von Nierenerkrankungen. Ein erniedrigter Wert kann auf eine eingeschränkte Filterleistung der Nieren hinweisen und somit ein Hinweis auf eine chronische Nierenerkrankung oder andere gesundheitliche Probleme sein.
GFR – Physiologie
Die glomeruläre Filtrationsrate wird durch mehrere physiologische Faktoren bestimmt. Zu den wichtigsten Einflussgrößen gehören der effektive Filtrationsdruck (Peff), die Gesamtfläche des glomerulären Filters und dessen Durchlässigkeit. Diese drei Parameter bestimmen gemeinsam, wie viel Plasma die Glomeruli der Nieren pro Zeiteinheit filtrieren.
Mathematisch beschreibt folgende Formel die GFR:
𝐺𝐹𝑅=𝑃𝑒𝑓𝑓×𝐹×𝐿=𝑃𝑒𝑓𝑓×𝐾𝑓
wobei Peff den effektiven Filtrationsdruck, F die Filtrationsfläche, L die Permeabilität des Filters und Kf die Filtrationskoeffizienten beschreibt.
Der effektive Filtrationsdruck ergibt sich aus den verschiedenen Drücken, die in den Glomeruluskapillaren und der Bowman-Kapsel herrschen:
𝑃𝑒𝑓𝑓=𝑃𝑘𝑎𝑝−𝑃𝑏𝑜𝑤−𝜋𝑜𝑛𝑘=Δ𝑃−𝜋𝑜𝑛𝑘
- Pkap (Kapillardruck): Dies ist der hydrostatische Druck in den Glomeruluskapillaren. Er stellt die treibende Kraft für die Filtration dar und wird durch Vasokonstriktion oder Vasodilatation der zuführenden (Vas afferens) und abführenden (Vas efferens) Arteriole beeinflusst.
- Pbow (Kapseldruck): Dies ist der hydrostatische Druck in der Bowman-Kapsel, der dem Filtrationsprozess entgegenwirkt.
- ΔP (Druckdifferenz): Die Differenz zwischen dem Kapillardruck (Pkap) und dem Kapseldruck (Pbow).
- πonk (onkotischer Druck): Der kolloidosmotische Druck in den Kapillaren, der durch Plasmaproteine erzeugt wird und die Filtration hemmt.
Der effektive Filtrationsdruck (Peff) ist die treibende Kraft der Filtration. Seine Höhe bestimmt, wie viel Flüssigkeit tatsächlich durch die glomeruläre Membran ins Tubulussystem gelangt.
Die Filtrationsleistung eines einzelnen Glomerulus ist dabei nicht konstant, sondern verändert sich entlang des Kapillarschlingenverlaufs. Vom Vas afferens zum Vas efferens nimmt die Filtrationsrate ab, da sich der onkotische Druck in den Kapillaren durch den Flüssigkeitsverlust zunehmend erhöht und so den weiteren Austritt von Flüssigkeit hemmt.
Renale Funktionsreserve (RFR)
Die renale Funktionsreserve (RFR) bezeichnet die Fähigkeit der Nieren, die glomeruläre Filtrationsrate bei erhöhtem Bedarf zu steigern. Sie ermöglicht eine Anpassung an physiologische (z. B. proteinreiche Mahlzeit) oder pathologische Reize. Eine gesunde Niere kann die GFR um bis zu 50 % erhöhen. Eine reduzierte oder fehlende RFR weist auf eine eingeschränkte Nierenfunktion hin und kann ein Frühindikator für Nierenerkrankungen sein.
GFR – Berechnung und Bestimmung
Die GFR kann man nicht direkt messen, allerdings durch Markersubstanzen oder mathematische Formeln abschätzen. Die so berechnete GFR bezeichnet man als “estimated GFR” (eGFR).
Zur klinischen Bestimmung nimmt man diese Formeln:
Formel | Berücksichtigte Faktoren | Einheit |
CKD-EPI-Formel | Serumkreatinin, Alter, Geschlecht, Ethnizität | mL/min/1,73 m² |
MDRD-Formel | Serumkreatinin, Alter, Geschlecht, Ethnizität | mL/min/1,73 m² |
Cockcroft-Gault-Formel | Serumkreatinin, Alter, Geschlecht, Körpergewicht | mL/min |
Für Kinder existieren spezielle Formeln, zum Beispiel Schwartz- oder Counahan-Barratt-Formel.
Normwerte
Die Normwerte der GFR sind altersabhängig:
Alter [Jahre] | Mittlere GFR |
20–29 | 116 ml/min |
30–39 | 107 ml/min |
40–49 | 99 ml/min |
50–59 | 93 ml/min |
60–69 | 85 ml/min |
> 70 | 75 ml/min |
Interpretation des GFR-Werts
Die Kidney Disease Outcome Quality Initiative (KDOQI) unterteilt die Nierenleistung anhand der glomerulären Filtrationsrate in folgende Stadien:
Stadium | Beschreibung | GFR [ml/min/1,73 m²] |
1 | Normale oder gesteigerte GFR | > 90 |
2 | Nierenschädigung, leicht verminderte GFR | 60 - 89 |
3 | Nierenschädigung, moderat verminderte GFR | 30 - 59 |
4 | Nierenschädigung, stark verminderte GFR | 15 - 29 |
5 | Niereninsuffizienz | < 15 |
Häufige Fragen
- Welcher GFR-Wert ist bedenklich?
- Welcher GFR-Wert mit 60 Jahren?
- Wie hoch ist die normale GFR?
- Kann das Trinken von mehr Wasser die GFR verbessern?
Ein GFR-Wert unter 60 ml/min/1,73 m² gilt als bedenklich, da er auf eine moderat bis stark eingeschränkte Nierenfunktion hinweist (Stadium 3–5 der Nierenerkrankung). Besonders kritisch ist ein Wert unter 30 ml/min/1,73 m² (Stadium 4), da hier eine fortgeschrittene Nierenschädigung vorliegt. Werte unter 15 ml/min/1,73 m² (Stadium 5) bedeuten eine terminale Niereninsuffizienz, die oft eine Dialyse oder Nierentransplantation erforderlich macht. Da die GFR mit dem Alter sinkt, sollte eine altersgerechte Bewertung erfolgen.
Mit 60 Jahren liegt die durchschnittliche GFR bei 85 ml/min/1,73 m². Dies entspricht dem natürlichen altersbedingten Rückgang der Nierenfunktion. Ein Wert in diesem Bereich gilt als normal, solange keine weiteren Hinweise auf eine Nierenerkrankung vorliegen. Sinkt der Wert jedoch unter 60 ml/min/1,73 m², sollte die Nierenfunktion ärztlich überprüft werden.
Die normale GFR beträgt bei jungen Erwachsenen etwa 120 ml/min/1,73 m². Sie erreicht ihren Höchstwert um das 20. Lebensjahr und nimmt danach langsam ab. Werte über 90 ml/min/1,73 m² gelten allgemein als normal, solange keine weiteren Anzeichen für eine Nierenschädigung vorliegen.
Das Trinken von mehr Wasser führt nicht direkt zu einer Erhöhung der GFR. Bei gesunden Nieren reguliert der Körper die Flüssigkeitsausscheidung automatisch. Allerdings kann eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr helfen, die Nieren gesund zu halten und das Risiko für Nierensteine oder Harnwegsinfekte zu senken. Bei bestehender Nierenerkrankung sollte die Trinkmenge mit einem Arzt abgestimmt werden.
- Silbernagl et. al., Taschenatlas Physiologie (Thieme, 9. Auflage, 2018)
- Alscher M., Checkliste Nephrologie (Thieme, 1. Auflage, 2024)
- Nierendurchblutung und glomeruläre Filtration, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 19.03.2025)
- Chronische Nierenerkrankung, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 19.03.2025)