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Glatte Muskulatur gehört zu den Muskelgeweben und damit neben dem Nervengewebe, Binde- und Stützgewebe sowie dem Epithelgewebe zu den Grundgeweben. Klinisch ist sie wichtig für die medikamentöse Behandlung von verschiedenen Erkrankungen wie Bluthochdruck. Der folgende Artikel soll die komplexen Vorgänge mit dem Aufbau verknüpfen und darstellen, wieso das Gewebe eine zentrale Rolle im klinischen Alltag spielt.
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Glatte Muskulatur – Definition
Als Teil des Muskelgewebes ist die glatte Muskulatur im Unterschied zur quergestreiften Skelettmuskulatur autonom und vegetativ gesteuert, da sie in den inneren Organen vorkommt. Sie ist dementsprechend langsamer und wesentlich ausdauernder.
Glatte Muskulatur – Aufbau und Anatomie
Die glatten Muskelzellen haben ein etwa spindelförmiges Aussehen und sind kürzer als die Muskelfasern des Skeletts. In Organen bilden die Zellen Schichten, bei der jede Zelle mit einer Basalmembran in Verbindung steht. Untereinander sind die Muskelzellen häufig mit Gap Junctions verbunden und somit funktionell aneinander gekoppelt.
Aufbau einer glatten Muskelzelle
Sie hat genau einen Zellkern und besitzt an der Zellmembran viele kleine Gruben, die halbkugelförmig in die Zelle hineinragen und Caveolae genannt werden. Diese sind sehr wahrscheinlich an der elektromechanischen Kopplung und damit an der Initiation der Kontraktion beteiligt. Im inneren hat die Zelle ein komplexes Zytoskelett, welches Teil des kontraktilen Apparats ist und eine Kontraktion ermöglicht.
Die Proteine Desmin oder Vimentin bilden Intermediärfilamente, die zusammen mit Aktin das Zytosklett bilden. Sie sind im Zytoplasma an den sogenannten Dense bodies verankert und an in der Zellmembran liegende Anheftungsplaques geheftet.
Der kontraktile Apparat an sich ist sehr ähnlich aufgebaut wie die Sarkomere in den Skelettmuskelfasern. Allerdings sind hier andere Isotypen der Aktin und Myosinfilamente verbaut. Das Korrelat zur Z-Scheibe im Sarkomer sind die Dense bodies, mit denen die Aktinfilamente verbunden sind. Bei den Aktinfilamenten des Zytoskeletts und des kontraktilen Apparats handelt es sich um unterschiedliche Formen des Proteins. Auch in der glatten Muskelzelle liegen Myosinfilamente zwischen den Aktinfilamenten und können so den Querbrückenzyklus sowie die damit verbundene Kontraktion ermöglichen. Eine stringente Ordnung wie in der Skelettmuskelfaser, wo die Sarkomere in den Myofibrillen geordnet verlaufen ist hier nicht gegeben. In der glatten Muskulatur verlaufen die kontraktilen Einheiten mehr oder weniger ungeordnet im Zytoplasma.
Innervation der glatten Muskulatur
Die glatte Muskulatur wird vom autonomen Nervensystem (auch vegetatives Nervensystem genannt) innerviert und ist damit nicht willkürlich steuerbar. Das heißt glatte Muskulatur kann nicht willentlich gesteuert werden. So gibt es eben einen parasympathischen Teil des autonomen Nervensystems und einen sympatischen. Folgende Tabelle soll einige Funktionen des Sympathikus und Parasympathikus am glattmuskulären Gewebe kompakt darstellen:
Glatte Muskulatur in … | Sympathikus | Parasympathikus |
… den Bronchien | Relaxation | Verengung |
… dem Verdauungstrakt | Peristaltik gehemmt | Peristaltik aktiviert |
… den Gefäßen | Vasokontriktion | Vasodilatation |
… dem Auge | Mydriasis (Pupille weit) | Miosis (Pupille eng) |
Es können glattmuskuläre Gewebe anhand ihrer Innervation in zwei Typen unterschieden werden: Single-Unit-Typ und Multi-Unit-Typ. Zellen in Verbänden vom Single-Unit-Typ sind untereinander stark über Gap Junctions miteinander verbunden. Diese ermöglichen die Weiterleitung von elektrischen Potenzialen untereinander. Man sagt sie bilden ein funktionelles Synzytium und üben ihre Kontraktion eben als Einheit aus. Sie erhalten vor allem von Schrittmacherzellen ihrer jeweiligen Organe das Signal zur Kontraktion. Die Innervation der Multi-Unit-Verbände erfolgt bei jeder Zelle einzeln durch Synapsen-en-passant. Dabei wickeln sich die Axone um die Muskelzellen herum und aktivieren sie quasi “im Vorbeigehen”.
Glatte Muskulatur – Funktion und Physiologie
Die Funktion der glatten Muskulatur besteht darin, unwillkürliche Bewegungen in den Wänden von inneren Organen zu steuern. Sie reguliert Prozesse wie die Peristaltik im Magen–Darm-Trakt, die Weitung oder Verengung von Blutgefäßen zur Kontrolle des Blutdrucks sowie die Kontraktion der Atemwege und anderer Hohlorgane, ohne dass bewusstes Eingreifen nötig ist. Dafür ist eine elektromechanische Kopplung notwendig, die letztendlich die Kontraktion in Gang setzt.
Elektromechanische Kopplung
Die elektromechanische Kopplung läuft etwas anders ab, als im Skelettmuskel. Durch einen in der Regel elektrischen Reiz, öffnen spannungsabhängige Calcium-Kanäle der Plasmamembran und Calcium strömt in die Zelle ein. Der intrazelluläre Calcium-Spiegel steigt. Das Calcium in der Zelle bindet an freies Calmodulin und zusammen bilden sie einen Komplex, der das Enzym Myosin-leichte-Ketten-Kinase (MLKK) aktiviert. Die Aktivierung der MLKK ist ein essentieller Schritt der elektromechanischen Kopplung in der glatten Muskulatur, da sie nun die leichte Kette der Myosinfilamente phosphorylieren und damit die Kontraktion starten kann. Das ist ein wesentlicher Unterschied zur Funktion im Skelettmuskel, wo die Myosinketten ohne andere enzymatische Hilfe das Myosinköpfchen in Bewegung setzten können. Anschließend läuft der Querbrückenzyklus, also die Verschiebung der Filamente und damit die Verkürzung des kontraktilen Apparats im Groben genauso ab wie im Sarkomer.
Die Aktivität der leichten Kette des Myosinfilaments wird aufgehoben durch das Enzym Myosin-leichte-Ketten-Phosphatase (MLKP), welches jene eben dephosphoryliert. Dies geschieht unter anderem bei Absinken des intrazellulären Calcium-Spiegels. Ursache für das Zurückgehen der Calcium-Konzentration in der Zelle sind üblicherweise verschiedene Transporter, die das Calcium in den Extrazellulärraum oder in das Sarkoplasmatische Retikulum (SR) zurück pumpen. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte SERCA-Pumpe, die Calcium in das SR transportiert.
Regulation der Muskelaktivität
Stickstoffmonoxid (NO) kann die MLKP aktivieren, indem es ein Enzym namens Guanylatcyclase aktiviert, welches den Second Messenger cGMP herstellt. Hohe cGMP-Spiegel in der glatten Muskelzelle aktivieren wiederum die Proteinkinase G, welche letztendlich für eine erhöhte Aktivität der MLKP sorgen kann. Damit sorgt NO für eine Relaxation der glatten Muskulatur.
Second Messenger
Second Messenger sind Moleküle innerhalb einer Zelle, die Signale von außen, die über Rezeptoren empfangen wurden, weiterleiten und verstärken. Sie spielen eine zentrale Rolle in der Signalübertragung, indem sie bei einem Signal, das von einem ersten Botenstoff (wie einem Hormon oder Neurotransmitter) kommt, vermehrt gebildet werden und eine Kaskade biochemischer Reaktionen in Gang setzen. Bekannte Second Messenger sind z. B. cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat), Calcium-Ionen und IP3 (Inositoltriphosphat).
Hemmende Enzyme der MLKP sind die Rho-Kinase und die Proteinkinase C.
Beta-2-Rezeptoren können bei Aktivierung (z.B. durch Adrenalin) auch eine Relaxation der glatten Muskulatur verursachen, indem sie den Spiegel der Second Messenger cAMP und cGMP intrazellulär erhöhen. cAMP kann letztendlich die MLKK hemmen und zum anderen die Aktivität der SERCA-Pumpe erhöhen, was wie schon erwähnt zu einem niedrigeren Calcium Spiegel in der Zelle führt.
Viele körpereigene Hormone haben also eine Wirkung auf das Verhalten der glatte Muskulatur und deren Wirkung soll in folgender Tabelle dargestellt werden:
Hormon | Organ | Wirkung |
Oxytocin | Uterus |
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Adrenalin | Gefäße |
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Bronchien |
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Uterus |
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Blase |
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Histamin | Gefäße |
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Glatte Muskulatur – Klinik und Medikamente
Genau wie Hormone die glatte Muskulatur in ihrem Tonus beeinflussen können, so können auch verschiedene Medikamente Einfluss auf das Verhalten der glatten Muskelzelle nehmen. In einigen Erkrankungen oder medizinische Situationen kann durch die Regulation des Tonus der glatten Muskulatur eingegriffen werden.
Arterieller Bluthochdruck
Etwa die Hälfte aller Erwachsenen in Deutschland leiden unter arterieller Hypertonie, die damit auch den häufigsten Risikofaktor kardiovaskulärer Ereignisse darstellt. Medikamentös werden häufig sogenannte ACE-Hemmer eingesetzt. Diese greifen in das Renin-Angiotemsin-Aldosteron-System (RAAS) der Niere ein und hemmen die Bildung von Angiotensin II und Aldosteron. Angiotensin II übt über AT1-Rezeptoren eine Vasokonstriktion aus.
Andere Antihypertensiva, die auf die glatte Muskulatur wirken sind zum Beispiel Urapidil oder Clonidin. Clonidin wirkt stimulierend auf alpha-2-Rezeptoren und damit letztendlich aber hemmend auf den Sympathikotonus. Das heißt die Aktivität des sympathischen Systems wird an der Gefäßmuskulatur herabgesetzt, was auch den Gefäßwiderstand und damit den Blutdruck senken soll. Urapidil ist ein peripherer Hemmstoff der alpha-1-Rezeptoren und senkt darüber den Gefäßwiderstand.
Wehenhemmer
Fenoterol aktiviert die beta-2-Rezeptoren auf der glatten Muskulatur der Gebärmutter (Uterus), führt damit zu einer Relaxation des Uterus und kann deshalb unter bestimmten Vorraussetzungen zur Hemmung der Wehen eingesetzt werden. Aufgrund der beta-2-Rezeptor-Aktivierung kann er auch beim Asthma bronchiale verabreicht werden, da dort unter anderem eine Verengung der glatten Muskulatur in den Bronchien ursächlich für die Erkrankung ist.
Häufige Fragen
- Was ist glatte Muskulatur und wo kommt sie vor?
- Wie unterscheidet sich glatte Muskulatur von Skelettmuskulatur?
- Welche Organe enthalten glatte Muskulatur?
- Welche Rolle spielt die glatte Muskulatur bei der Verdauung?
- Wie wird die glatte Muskulatur gesteuert?
- Wie beeinflussen Medikamente die glatte Muskulatur?
Die glatte Muskulatur ist eine Art von unwillkürlicher Muskulatur, die nicht bewusst gesteuert werden kann. Sie zeichnet sich durch das Fehlen der Querstreifung aus, die in der Skelett- und Herzmuskulatur vorhanden ist.
Während die glatte Muskulatur keine Querstreifung aufweist, ist die Skelettmuskulatur deutlich quer gestreift. Zudem arbeitet die glatte Muskulatur unwillkürlich und wird vom vegetativen Nervensystem gesteuert, im Gegensatz zur Skelettmuskulatur, die willkürlich kontrolliert wird und dem somatischen Nervensystem unterliegt. Funktionell sorgt die glatte Muskulatur für langsame, rhythmische oder tonische Kontraktionen, während die Skelettmuskulatur für schnelle, kraftvolle Bewegungen zuständig ist. Ein weiterer Unterschied liegt in der Ermüdungsresistenz: Glatte Muskulatur kann über lange Zeiträume kontinuierlich arbeiten, während die Skelettmuskulatur bei längerer Anstrengung ermüden kann.
Glatte Muskulatur kommt in den Wänden von Hohlorganen und Gefäßen vor, wie z. B. in den Blutgefäßen, dem Magen-Darm-Trakt, der Blase, den Atemwegen, der Gebärmutter und anderen Organen.
Diese Muskulatur befindet sich in den Wänden des Magen-Darm-Trakts, einschließlich des Magens, des Dünn- und Dickdarms. Ihre rhythmischen Kontraktionen, bekannt als Peristaltik, fördern den Nahrungsbrei vom Magen über den Darm bis zum Enddarm. Sie steuert auch die Öffnung und Schließung von Schließmuskeln, die den Nahrungsdurchgang zwischen verschiedenen Abschnitten des Verdauungstrakts regulieren.
Die glatte Muskulatur wird unwillkürlich durch das vegetative Nervensystem gesteuert, das aus dem sympathischen und parasympathischen Nervensystem besteht. Diese beiden Systeme wirken gegensätzlich auf die glatte Muskulatur, um ihre Funktion je nach den Bedürfnissen des Körpers zu regulieren. Zusätzlich wird die glatte Muskulatur durch hormonelle Signale (wie Adrenalin oder Oxytocin) sowie durch lokale Faktoren (z. B. pH-Wert, Sauerstoffgehalt) reguliert, die die Kontraktion oder Entspannung beeinflussen.
Medikamente können die glatte Muskulatur auf verschiedene Weise beeinflussen, indem sie entweder die Kontraktion oder die Entspannung der Muskelfasern fördern. Diese Effekte sind abhängig von den spezifischen Rezeptoren, die die Medikamente an der glatten Muskulatur aktivieren oder blockieren.
- Lüllmann-Rauch, Renate: Taschenlehrbuch Histologie, Thieme (Stuttgart: 6. Auflage, 2019)
- Silbernagel et. al.: Physiologie, Thieme (Stuttgart: 8. Auflage, 2018)
- Glatte Muskulatur, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 02.10.2024)
- Oxytocin, https://www.gelbe-liste.de/... (Abrufdatum: 02.10.2024)
- Epinephrin, https://www.gelbe-liste.de/... (Abrufdatum: 02.10.2024)
- Fenoterol, https://www.gelbe-liste.de/... (Abrufdatum: 02.10.2024)
- Arterielle Hypertonie, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 02.10.2024)