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Ohne unsere Gonaden, die auch als Keimdrüsen bezeichnet werden, wäre eine Fortpflanzung nicht möglich. Dies liegt daran, dass dort die Keimzellen sowie wichtige Sexualhormone gebildet werden. Wie die Keimdrüsen bei Mann und Frau anatomisch aufgebaut sind, welche genauen Funktionen sie übernehmen und von welchen Krankheitsbildern sie betroffen sein können, behandelt dieser Artikel.
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Gonaden – Definition
Bei Gonaden, die man auch Keimdrüsen nennt, handelt es sich um Organe, in denen Keimzellen und Sexualhormone für die Fortpflanzung produziert werden. Die männlichen Gonaden sind die Hoden (Testis), die weiblichen die Eierstöcke (Ovar).
Gonaden – Übersicht
Die Gonaden sind paarig angelegt und zählen zu den primären Geschlechtsorganen. Durch ihr Vorhandensein definieren sie das gonadale Geschlecht, wobei die Gonadenentwicklung beim Embryo zunächst bei beiden Geschlechtern gleich abläuft. Erst die auf dem männlichen Y-Chromosom liegende sex-determining region of Y (SRY) bestimmt über den Hoden-determinierenden Faktor (TDF) die Entwicklung zum Hoden. Bei weiblichen Geschlechtschromosomen (fehlendes Y-Chromosom und somit keine sex-determining region of Y) kommt es zur Entwicklung von Eierstöcken.
Die Funktion der Keimdrüsen lässt sich in einen exokrinen und einen endokrinen Teil untergliedern. Die exokrine Funktion besteht in der Herstellung der Keimdrüsen bei geschlechtsreifen Menschen. Dabei handelt es sich beim Mann um Samenzellen (Spermien), bei der Frau um Eizellen (Oozyten). Während Männer von der Pubertät an bis ins hohe Alter befruchtungsfähige Samenzellen produzieren können, endet bei Frauen die Produktion von befruchtungsfähigen Eizellen bereits im fünften Entwicklungsmonat. Zu diesem Zeitpunkt existiert die maximale Anzahl an Eizellen, etwa 7 Millionen, die im Laufe des Lebens einer Frau immer mehr abnimmt. Zum Beginn der Pubertät sind nur noch ungefähr 400 Tausend Eizellen vorhanden, wovon lediglich weniger als 500 während der gesamten reproduktiven Phase vor der Menopause einen Eisprung vollziehen.
Die endokrine Funktion besteht bei beiden Geschlechtern in der Produktion und Bereitstellung von Sexualhormonen. Bei Frauen sind das Östrogene und Gestagene, beim Mann Androgene (vor allem Testosteron). Im Folgenden wird in separaten Abschnitten genauer auf die Hoden und die Eierstöcke eingegangen.
Gonaden – Hoden
Bei den Hoden (Testis) handelt es sich um die männlichen Keimdrüsen, die im Hodensack (Skrotum) liegen. Der Hoden ist eiförmig und hat ein Volumen von ungefähr 20 bis 25 Milliliter. Der linken Hoden ist bei den meisten Männern etwas größer als der rechte und liegt zudem tiefer im Hodensack. Der Hoden ist an dem Samenstrang (Funiculus spermaticus) aufgehängt und grenzt an seiner oberen Seite an den dem Hoden aufliegenden Nebenhoden.
Hodenhüllen
Von außen ist er von einer serösen Haut, der Tunica vaginalis testis, umgeben. Sie besteht aus zwei Blättern und ist gilt als Bauchfellduplikatur. Dies liegt daran, dass die Hoden embryologisch zunächst an der dorsalen Bauchwand angelegt werden und es anschließend in der 11. bis 16. Entwicklungswoche zu einer Verlagerung der Hoden in den Leistenkanal kommt. Dieser Vorgang wird als Descensus testis bezeichnet und erklärt, warum die Tunica vaginalis testis als Bauchfellduplikatur bezeichnet wird.
So setzt sich die Bauchhaut als Skrotalhaut mit der darunter liegenden Tunica dartos fort. Die oberflächliche Körperfaszie und die Faszie des Musculus obliquus externus abdominis gehen in die Fascia spermatica externa über. Diese liegt dem Musculus cremaster, der den Samenstrang umhüllt und bei Kontraktion den Hoden nach oben zieht, außen auf. Der Musulus cremaster bildet gemeinsam mit seiner Faszie, der Fascia cremasterica, wiederum die Fortsetzung des Musculus obliquus internus abdominis und des Musculus transversus abdominis. Die Fascia transversalis setzt sich als Fascia spermatica interna fort und liegt dem Musculus cremaster von innen an.
Auch das Peritoneum setzt sich in gleicher Art fort, sodass das viszerale Blatt den Hoden als sogenanntes Epiorchium überzieht und das parietale Blatt den Hodensack von innen als Periorchium auskleidet. In dem Spalt zwischen den beiden Blättern, dem Cavum vaginale, befindet sich ein dünner Flüssigkeitsfilm, der der Verschieblichkeit des Hodens dient. Zudem bilden die beiden Blätter eine Umschlagsfalte, die Mesorchium heißt und den Hoden am Hodensack fixiert.
Gefäßversorgung und Innervation
Die Gefäßversorgung des Hoden erfolgt aus der Arteria testicularis, die einen Ast der Aorta abdominalis darstellt. Im Hoden teilt sie sich in zahlreiche geschlängelte Ästchen auf und bildet im Parenchym ein verzweigtes Kapillarnetz. Das venöse Blut hingegen wird auf beiden Seiten in einem venösen Geflecht, dem Plexus pampiniformis, gesammelt und fließt anschließend über die Vena testicularis dextra beziehungsweise sinistra ab.
Varikozele
Einer Varikozele liegt eine krankhafte Erweiterung des Plexus pampiniformis zugrunde und kommt vor allem auf der linken Seite vor. Dies liegt daran, dass die Vena testicularis sinistra fast rechtwinklig in die Vena renalis sinistra mündet und dadurch eine Insuffizienz der Venenklappen begünstigt wird.
Des Weiteren erfolgt die vegetative Innervation des Hodens über den Plexus testicularis und den Plexus deferentialis, während die sensible Versorgung der Hodenhüllen durch Äste des Nervus genitofemoralis übernommen wird.
Mikroskopischer Aufbau
Mikroskopisch betrachtet wird der Hoden von einer straffen, bindegewebigen Organkapsel, der Tunica albuginea, umgeben. Von dieser verlaufen Bindegewebssepten in das Innere des Hodens und teilen ihn in ungefähr 300 Läppchen auf (Lobuli testis). Diese sind wiederum mit jeweils ein bis vier Samenkanälchen, den Tubuli seminiferi, ausgestattet. Sie münden in das Rete testis, welches im weiteren Verlauf in die Ductuli efferentes über geht. Das Epithel der Tubuli seminiferi ist mit den sogenannten Sertoli-Zellen ausgestattet, die eine wichtige Rolle im Stützen und Ernähren der zwischen ihnen liegenden Keimzellen spielen. Außerdem bilden die Sertoli-Zellen die Blut-Hoden-Schranke, welche zwischen unterschiedlichen Stadien der Keimzellen verläuft. Sie schützt die Keimzellen vor möglichen Schadstoffen und vor der Immunabwehr des Körpers.
Gonaden – Eierstöcke
Bei den Eierstöcken, die man auch Ovarien nennt, handelt es sich um die weiblichen Keimdrüsen, welche Eizellen ausbilden und diese beim monatlichen Eisprung (Ovulation) ausstoßen. Das Ovar hat eine mandelähnliche, zu beiden Seiten konvexe Form und befindet sich intraperitoneal in einer Gewebsvertiefung (Fossa ovarica) innerhalb des kleinen Beckens. Über das Ligamentum suspensorium ovarii ist es mit der seitlichen Beckenwand verbunden, über das Ligamentum ovarii proprium mit der Gebärmutter (Uterus). In der Nähe des Ovars verlaufen der Harnleiter (Ureter), die Aufzweigung der Arteria iliaca communis beziehungsweise der Vena iliaca communis und der Nervus obturatorius.
Gefäßversorgung und Innervation
Die Blutversorgung des Ovars wird durch die Arteria ovarica gewährleistet. Diese entspringt jeweils auf beiden Seiten aus der Aorta abdominalis und zieht innerhalb des Ligamentum suspensorium ovarii zum Ovar. Eine weitere Arterie, die das Ovar mit Blut versorgt, stellt der Ramus ovaricus der Arteria uterina dar. Er zieht durch das Ligamentum ovarii proprium und bildet gemeinsam mit der Arteria ovarica Anastomosen aus. Über die Venae ovaricae fließt das Blut ab.
Die vegetative Innervation der Eierstöcke erfolgt im Plexus mesentericus superior, Plexus renalis und teilweise im Plexus hypogastricus inferior. In organnahen Plexus wie dem Plexus ovaricus und dem Plexus uterovaginalis schalten sie sich dann um. Der Plexus uterovaginalis ist sehr stark ausgeprägt und enthält zahlreiche Ganglienzellen, weshalb man ihn auch Frankenhäuser-Ganglion nennt.
Mikroskopischer Aufbau
Das Ovar ist genau wie der Hoden ebenfalls von einer bindegewebigen Kapsel, der Tunica albuginea, umgeben. Darunter liegt ein einschichtiges kubisches Epithel, das Müller-Epithel. Des Weiteren lässt sich das Ovar in eine äußere Rinde (Cortex ovarii) und ein inneres Mark (Medulla ovarii) unterteilen. Während die Rinde mit spinozellulärem Bindegewebe ausgestattet ist, welches nur dort vorkommt, findet man im Mark gewöhnliches lockeres Bindegewebe. In der Rinde findet die Follikelreifung statt, bei der die Follikel folgende Stadien durchlaufen:
- Primordialfollikel
- Primärfollikel
- Sekundärfollikel
- Tertiärfollikel
- Graaf-Follikel
Der Graaf-Follikel reißt beim Eisprung schließlich ein und gibt somit die reife Eizelle in den Eileiter ab. Er enthält Granulosa- und Thekazellen, die synthetisch aktiv sind und im Ovar verbleiben. Dort werden sie zum Gelbkörper (Corpus luteum), der sich bei einer ausbleibenden Befruchtung am Ende des Menstruationszyklus allerdings wieder degeneriert. Bei einer erfolgreichen Befruchtung wird er hingegen durch bestimmte Hormone für die Schwangerschaft aufrecht erhalten.
Gonaden – Krankheitsbilder
Erkrankungen, die die Gonaden betreffen, können zu einem Verlust der Fruchtbarkeit führen und sollten daher in der Regel schnellstmöglich behandelt werden. Im Folgenden werden die häufigsten Krankheitsbilder des Hoden und der Ovarien thematisiert.
Hodentorsion
Eine Hodentorsion ist ein urologischer Notfall, da es zu einer Verdrehung des den Hoden versorgenden Gefäßstiels kommt. Dadurch kann der Hoden nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt werden und droht abzusterben. Eine Hodentorsion kann sowohl im Rahmen einer Entwicklungsanomalie, bei der der Hoden besonders beweglich ist (idiopathische Hodentorsion) als auch aufgrund einer Gewalteinwirkung von außen (traumatische Hodentorsion) auftreten.
Die Torsion macht sich durch einen akut einsetzenden, starken Schmerz, der meist in die Leisten und den Unterbauch ausstrahlt, bemerkbar. Der betroffene Hoden steht dabei höher als der nicht betroffene und nimmt eine abnormale Position ein. Mit zunehmender Dauer der Torsion kommt es zu einer Schwellung und Rötung des Hodensacks. Ein einfach durchzuführender Test, der Hinweise auf das Vorliegen einer Hodentorsion liefern kann, ist das Prehn-Zeichen. Hierbei wird der betroffene Hoden angehoben, während der Patient möglichst ruhig auf der Untersuchungsliege liegen sollte. Wenn die Schmerzen beim Anheben des Hodens gleich bleiben oder sogar zunehmen, liegt ein negatives Prehn-Zeichen, welches für eine Hodentorsion spricht, zu. Falls der Schmerz durch das Anheben abnimmt, sind eine Entzündung des Hodens oder des Nebenhodens wahrscheinlicher. Weitere Hinweise zur Diagnose ergeben sich durch einen fehlenden Kremaster-Reflex, das Abtasten des Leistenkanals oder bildgebende Verfahren wie die Dopplersonographie.
Wenn eine Hodentorsion diagnostiziert wurde, muss so schnell wie möglich eine Therapie erfolgen. Dies liegt daran, dass eine verminderte oder vollständig aufgehobene Durchblutung des Hodens auf Dauer zu einer irreversiblen Schädigung führt. Das Zeitfenster, in dem daher die Therapie erfolgen sollten, beträgt nur ungefähr vier Stunden. Die Behandlung der Wahl ist eine operative Freilegung des Hodens, bei der eine Detorsion durchgeführt wird (der verdrehte Gefäßstiel wird zurück in die Ausgangsposition gedreht). Außerdem wird der Hoden im Hodensack fixiert. Auch der andere, nicht von der Torsion betroffene Hoden wird prophylaktisch ebenfalls fixiert.
Polyzystisches Ovarialsyndrom
Das polyzystische Ovarialsyndrom, das mit PCOS abgekürzt wird, ist ein Symptomenkomplex, der sich durch eine ausbleibende Menstruationsblutung (Amenorrhö), Adipositas und ein Überschuss an Androgenen auszeichnet. Der Name kommt von den bei der Erkrankung vorliegenden polyzystischen Ovarien, wobei in einem Eierstock zwanzig oder mehr Follikel vorliegen. PCOS äußert sich in den meisten Fällen zwischen dem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr und ist die häufigste hormonelle Störung bei Frauen in diesem Alter.
Die Ursache der Erkrankung ist noch nicht vollständig erforscht. Man geht davon aus, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen. Auch eine Störung des endokrinen hypothalamischen-hypophysären-ovariellen Regelkreises liegt der Erkrankung vermutlich zugrunde. Die Diagnose des polyzystisches Ovarialsyndroms setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Zunächst kann die Konzentration von bestimmten Hormonen im Blut bestimmt werden. Dabei lässt sich meist ein normaler oder erniedrigter FSH-Wert feststellen, während der LH/FSH-Quotient oft erhöht ist. Die Androgene wie Testosteron, Androstendion, DHEA und DHEAS sind zudem stark erhöht.
Der hohe Androgenspiegel führt bei den Patientinnen zu einer charakteristischen Vermännlichung (Androgenisierung). Dies macht sich unter anderem durch die Entstehung eines männlichen Behaarungstyps (Hirsutismus), einer Klitorishypertrophie, Vertiefung der Stimme, Hypothrophie der Brustdrüse, Zyklusstörungen, Akne, Haarausfall, Adipositas und Insulinresistenz bemerkbar. Durch eine Ultraschalluntersuchung der Ovarien kann zudem die erhöhte Anzahl an Follikeln festgestellt werden. Auch eine Biopsie aus dem Ovar kann unter mikroskopischer Betrachtung weitere Hinweise für das Vorliegen eines polyzystischen Ovarialsyndroms liefern.
Die Therapie der Erkrankung muss individuell an die Bedürfnisse der Patientinnen angepasst werden. Bei einem fehlenden Kinderwunsch stellt die Gabe von Eisprung-hemmenden Medikamenten und/oder Glukokortikoiden eine Option dar. Falls ein Kinderwunsch besteht, versucht man andere Therapien wie beispielsweise mit Clomifen, Gonadotropinen oder einer pulsatilen Gabe von GnRH. Außerdem können Metformine und Statine eingesetzt werden, wobei es sich allerdings um einen Off-label-use handelt. Eine vollständige Normalisierung der Ovarfunktion ist bei Kinderwunsch mit den genannten Medikamenten jedoch nicht möglich.
- Schünke M et. al., Prometheus: Lernatlas der Anatomie (Innere Organe), Thieme, 5. Auflage
- Aumüller G et al., Duale Reihe Anatomie, Thieme, 5. Auflage