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Die Großhirnrinde (lateinisch Cortex cerebri, kurz Cortex) ist die äußere Schicht des Großhirns (Telencephalon). Zahlreiche Windungen und Furchen verleihen ihr eine sehr große Oberfläche. Hier befindet sich eine große Anzahl an Nervenzellen, die der Hirnrinde ihre charakteristische rötlich-braune bis graue Farbe verleihen. Aufgrund dieser Färbung wird sie zur grauen Substanz (Substantia grisea) des Großhirns gezählt. Der Cortex cerebri übernimmt vielfältige Aufgaben der Sinneswahrnehmung, ist an Planungs- und komplexen Denkprozessen beteiligt und umfasst etwa die Hälfte des gesamten menschlichen Hirnvolumens. Alles Wichtige zur Großhirnrinde gibt es in diesem Artikel zu lesen.
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Großhirnrinde: Lage und Anatomie
Die Großhirnrinde gehört zum evolutionsgeschichtlich jüngsten Teil des menschlichen Gehirns, dem Großhirn. Das sogenannte Telencephalon nimmt etwa 85 Prozent der gesamten Hirnmasse ein. Unterteilt in zwei Großhirnhälften (Hemisphären), die durch den sogenannten Balken (Corpus callosum; Commissura magna) miteinander verbunden sind, zieht es sich vom Stirnbereich über die Schädelseiten bis zum Hinterkopf. Sie liegt über Thalamus, Hypothalamus, Hirnstamm und Kleinhirn.
Die Großhirnrinde stellt ihrerseits die jüngste und am weitesten entwickelte Region des Großhirns dar. Die zwei bis fünf Millimeter dicke Schicht aus Neuronen kleidet die äußere Oberfläche der Großhirnhemisphären direkt unter der Pia mater aus. Die Nervenfasern der Neuronen, die sich in der Großhirnrinde befinden, verlaufen unterhalb der Hirnrinde (subkortial) und werden als weiße Substanz (Substantia alba) oder als Mark bezeichnet.
Das Marklager bildet zusammen mit der Großhirnrinde den Großhirnmantel (Pallium cerebri). Innerhalb des subkortialen Marklagers befindet sich weitere graue Substanz, die sogenannten Großhirnkerne: die Basalganglien, das Claustrum (Vormauer) und der Corpus amygdaloideum (Amygdala).
Die Nervenfasermassen im Marklager lassen sich ihrerseits in drei verschiedene Fasersysteme unterscheiden:
Komponente | Erklärung |
Projektionsfasern | auf- und absteigenden Verbindungen zwischen der Hirnrinde und allen darunter gelegenen Zentren |
Assoziationsfasern | verbinden die verschiedenen Rindenbezirke untereinander |
Kommissurenfasern | verlaufen durch den Balken und verknüpfen die Rindenbereiche der beiden Großhirnhälften |
Gefurchte Struktur
Die Großhirnrinde Cortex Cerebri des Menschen zeichnet sich durch ihr gewundenes Aussehen mit zahlreichen Windungen (Gyri) und dazwischenliegenden Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci) aus. Gefurchte Gehirne werden als gyrenzephal bezeichnet. Bei einigen Kleinsäugetieren wie Nagern sowie bei Vögeln besitzt die Rinde keine Furchen.
Die gefurchte Anatomie der Großhirnrinde des Menschen erlaubt eine maximale Oberflächenausdehnung und hat damit auch eine höhere Anzahl an Neuronen zu Folge: Beim Menschen nimmt der Cortex im Durchschnitt eine Fläche von 1.800 Quadratzentimetern ein. Die Anzahl der Neuronen beträgt, abhängig von Größe und Geschlecht der jeweiligen Person, zwischen 19 und 23 Milliarden.
Es lassen sich verschiedene Arten von Furchen unterscheiden:
Komponente | Erklärung |
Primärfurchen | teilen das Großhirn in sechs verschiedene Lappen ein; sind in jedem Gehirn identisch |
Sekundärfurchen | von Primärfurchen ausgehende Abzweigungen; bilden Unterteilungen innerhalb der Großhirnlappen |
Tertiärfurchen | Abzweigungen von den Sekundärfurchen ausgehend |
Sekundär- und Tertiärfurchen sind von Gehirn zu Gehirn unterschiedlich und können so individuell wie ein Fingerabdruck sein.
Großhirnrinde: Funktion und Aufbau
Die Großhirnrinde ist ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Sinneswahrnehmung. Die im Cortex befindlichen Nervenzellen empfangen und verarbeiten Signale der einzelnen Sinnesorgane und wandeln diese in gezielte Eindrücke um. Die Großhirnrinde dient damit höheren Funktionen wie dem Sehen, Lesen, Hören, Sprechen, aber auch der Planung sowie der Initiierung von willkürlichen Bewegungen. Weiterhin ermöglicht sie komplexe Denkprozesse und steht mit der menschlichen Persönlichkeit in Verbindung. Einige Forscher/innen vermuten zudem, dass es sich bei der vorderen Großhirnrinde um den Sitz des Bewusstseins handeln könnte. Diese Forschungshypothese ist allerdings nicht belegt.
Strukturierung durch Sulci
Die Sulci teilen die Hirnrinde in sechs Lappen (Lobi) auf:
- Frontallappen (Lobus frontalis): Der Frontallappen ist der größte Lappen der Hirnrinde und enthält vier Hauptgyri (Windungen). Er teilt sich seinerseits in verschiedene Areale. Die Regionen um den Gyrus praecentralis stellen die motorischen Zentren des Großhirns dar. Im vorderen Abschnitt des Frontallappens befindet sich der präfrontale Cortex, der unter anderem für die Handlungsplanung und -initiierung verantwortlich ist.
- Scheitellappen oder Parietallappen (Lobus parietalis): Der Parietallappen schließt hinten an den Frontallappen an und gliedert sich in den Gyrus postcentralis sowie den Lobus parietalis superior und inferior. Der Lobus parietalis inferior besteht aus zwei Gyri, dem Gyrus supramarginalis und Gyrus angularis. Hier befindet sich das primäre sensible Zentrum des Großhirns. Der Lobus parietalis superior ist an sensiblen und motorischen Funktionen beteiligt und sendet Signale an den Prämotorischen Cortex aus.
- Hinterhauptslappen oder Okzipitallappen (Lobus occipitalis): Die Furchung des Lobus occipitalis weist eine große Variabilität auf. Je nach Ausprägung teilt sich dieser Lappen in zwei bis drei Gyri: superior, medius und inferior. Der Cuneus und der darunterliegende Gyrus lingualis, getrennt durch den Sulcus calcarinus, bilden zusammen das Sehzentrum (Area striata).
- Schläfenlappen oder Temporallappen (Lobus temporalis): Der Lobus temporalis besteht aus drei Gyri, dem Gyrus temporalis superior, medius und inferior. Zum Gyrus temporalis superior auf der Innenseite des Temporallappens gehört das Hörzentrum (Area temporalis granulosa) in den Heschlschen Querwindungen (Gyri temporales transversi). Dahinter befindet sich das sensorische Sprachzentrum. In der dominanten Hirnhälfte bildet der hintere Teil dieser Region das sogenannte Wernicke-Areal, das für das Sprachverständnis von Bedeutung ist. Der Gyrus temporalis medius ist an der Bewegungswahrnehmung beteiligt, der Gyrus temporalis inferior an der Wiedererkennung von Gesichtern.
- Insellappen (Lobus insularis): Im Insellappen befindet sich eine Ansammlung kurzer und längerer Gyri. Er ist an der Aufnahme und Verarbeitung verschiedener Informationen beteiligt, unter anderem am Geschmacksempfinden, am Schmerzempfinden und am Gleichgewichtssinn. Forscher/innen vermuten hier zudem das primäre Zentrum für die Verarbeitung von Informationen aus den Eingeweiden.
- Limbischer Lappen (Lobus limbicus): Unter diesem Namen werden die entwicklungsgeschichtlich älteren Bereiche der Großhirnrinde zusammengefasst. Dazu gehören der Gyrus cinguli und der Hippocampus. Dieser Bereich übernimmt Gedächtnisfunktionen und emotionale Prozesse.
Zwischen den Lappen verlaufen die großen Sulci. An den Seitenflächen des Gehirns befindet sich der Sulcus lateralis, auch als Sylvische Furche bezeichnet. Diese Furche trennt den Temporallappen vom Frontal- und Parietallappen. Der Sulcus centralis separiert den Frontal- und Parietallappen. An der medialen Gehirnoberfläche entlang verlaufen der Sulcus parietooccipitalis zwischen Parietallappen und Lobus occipitalis, der Sulcus cinguli zwischen Lobus limbicus und Frontal- und Parietallappen sowie der Sulcus collateralis zwischen Lobus limbicus und Lobus temporalis.
Histologische Einteilung der Großhirnrinde
Aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht teilt sich die Großhirnrinde in unterschiedlich alte Bereiche. Der älteste Anteil wird als Allocortex bezeichnet. Er setzt sich aus dem Archicortex (Urrinde) und dem Paleocortex (Altrinde) zusammen. Den Hauptbestandteil des Archicortex bildet der Hippocampus, gelegen in der Tiefe des Schläfenlappens. Der Paleocortex ist insbesondere für die Verarbeitung von Geruch und Geschmack zuständig. Der Mesocortex (Mittelrinde) besteht aus drei bis sechs Zellschichten (Laminae) und stellt eine Zwischenform aus Allocortex und dem jüngeren Isocortex dar. Rund 90 Prozent der Großhirnrinde entfallen auf den Iso- oder Neocortex (Neurinde), den entwicklungsgeschichtlich jüngeren Bereich. Der Neocortex beinhaltet alle Lappen und besteht aus sechs Zellschichten.
Funktionelle Gliederung
Die Großhirnrinde lässt sich auch funktionell in vertikale Säulen gliedern. Diese Säulen sind senkrecht zu den Schichten der Großhirnrinde ausgerichtet und bestehen ihrerseits aus sechs Zellschichten. Die Neuronen innerhalb einer Säule sind eng miteinander verknüpf. Weitere Verbindungen bestehen zu benachbarten Säulen sowie zu anderen kortikalen Strukturen, etwa dem Thalamus.
Aufbau nach Rindenbereichen
Anhand der Lage im Schädel lassen sich verschiedene Bereiche voneinander unterscheiden. Die Facies superolateralis bezeichnet die Lage seitlich oberhalb der Großhirnhälften. Die Facies medialis besitzt keine direkte Berührungsfläche mit dem Schädel. Dagegen liegt die Facies inferior an der Hirnbasis und ist der Schädelbasis zugewandt. Den Übergang der Facies superolateralis zur Facies medialis bezeichnet man als Mantelkante oder oberen Rand (Margo superior).
Einteilung in Rindenfelder
Die Großhirnrinde ist weiterhin in 52 Rindenfelder oder Brodmann-Areale gegliedert. Diese Areale stellen die Endstätten der aufsteigenden Nervenbahnen aus Hirnstamm, Rückenmark, Zwischenhirn und Kleinhirn dar.
Anordnung nach Funktionsbereichen
Die Großhirnrinde lässt sich weiterhin in drei Funktionsfelder aufteilen – Primärfelder, Sekundärfelder und Assoziationsfelder:
Zu den Primärfeldern gehören die sensorischen Zentren, die ihre Informationen direkt von Thalamus beziehen (affarente Verbindungen), sowie der Motorkortex, der seinerseits Informationen ans Rückenmark aussendet (efferente Verbindungen).
Die Sekundärfelder umgeben die Primärfelder und unterhalten zu diesen sowie zum Thalamus affarente Verbindungen. Ihre Aufgabe ist die Interpretation der Sinnesinformationen, die in den Primärfeldern verarbeitet werden.
Assoziationsfelder sind sowohl affarent als auch efferent mit den Primär- und Sekundärfeldern verbunden. Sie verarbeiten und analysieren die verschiedenen Reize, die das Gehirn erreichen, und übertragen diese in höhere Denkprozesse.
Großhirnrinde: Klinik
Die menschlichen Sinneswahrnehmungen kommen durch ein komplexes Zusammenspiel von Sinnesorganen und Großhirnrinde zustande. Eine Schädigung des zuständigen Areals im Cortex cerebri kann zum Ausfall der Sinneswahrnehmung trotz funktionierendem Sinnesorgan führen.
Läsionen des Frontallappens
Schädigungen am Frontallappen betreffen in erster Linie ausführende Funktionen. Dazu gehören etwa die Fähigkeit, Probleme zu lösen, zu planen und Handlungen einzuleiten. Ist der hintere Teil des Frontallappens betroffen, der für die Kontrolle von Willkürbewegungen verantwortlich ist, kann dies zur Muskelschwäche oder -lähmungen führen.
Schäden am mittleren Teil des Frontallappens können Betroffene apathisch und unaufmerksam wirken lassen. Schäden am sogenannten Broca-Zentrum, dem mittleren hinteren Bereich des Frontallappens, führen zu Schwierigkeiten, sich sprachlich auszudrücken. Klinisch wird dieses Phänomen als Broca-Aphasie oder expressive Aphasie bezeichnet.
Beeinträchtigungen am vorderen Teil des Frontallappens können sowohl das Arbeitsgedächtnis als auch die Steuerung von Emotionen beeinflussen. Je nach Art der Beeinträchtigung können Apathie oder aber Zügellosigkeit auftreten.
Schäden parietal in der Großhirnrinde
Ist der Parietallappen geschädigt, hat dies unter anderem Empfindungsstörungen, Rechts-Links-Desorientierung, Probleme beim Rechnen und Schreiben und Apraxie zur Folge. Apraxie bezeichnet Schwierigkeiten beim Ausführen einfacher alltäglicher Handlungen, etwa Haare kämmen oder sich anziehen. Sie tritt bei Schäden am nicht-dominanten Parietallappen auf.
Wenn Teile des Temporallappens im Kopf beeinträchtigt sind
Dysfunktionen am linken Temporallappen können das Wortgedächtnis beeinträchtigen, ebenso wie die Fähigkeit, Sprache zu verstehen. Dieses Krankheitsbild wird als Wernicke-Aphasie oder rezeptive Aphasie bezeichnet. Beeinträchtigungen auf der rechten Seite des Temporallappens wirken sich dagegen auf das Gedächtnis für Töne und Musik aus.
Beeinträchtigungen der Bestandteile des Okzipitallappens
Schäden am Okzipitallappens können zur sogenannten kortikalen Blindheit führen. Dabei können Betroffene Gegenstände nicht mehr erkennen, obwohl beide Augen normal funktionieren.
Klinik – Limbischer Lappen
Beeinträchtigungen des limbischen Lappens können sich durch unterschiedliche Symptome äußern. Krampfanfälle sind zum Beispiel häufig.
Weitere Krankheitsbilder und Beeinträchtigungen
Klinisch von Bedeutung ist außerdem Alzheimer. Alzheimer entsteht, wenn sich in den Neuronen des Cortex Eiweißproteine, sogenannte Neurofibrillen, ablagern. In den betroffenen Zellen kommt es zu Störungen der Transportvorgänge. Bei fortschreitender Krankheit sterben die Nervenzellen ab. In Folge lassen das Gedächtnis und die kognitiven Fähigkeiten der Betroffenen nach.
Schäden am komplexen Netzwerk der einzelnen Cortex-Areale können auch zu einer Amnesie führen, der völligen oder partiellen Unfähigkeit, sich an Erfahrungen und Ereignisse zu erinnern.
1. Das Gehirn: Der Cortex: https://www.dasgehirn.info/... (Abrufdatum: 12.03.2023).
2. MDS Manuals: Gehirnschäden nach Gehirnregion, https://www.msdmanuals.com/... (Abrufdatum: 12.03.2023).
3. Amboss: Großhirn, https://www.amboss.com/... (Abrufdatum: 12.03.2023).
4. Imaios: Oberseitige Flächen der Gehirnhälften, https://www.imaios.com/... , (Abrufdatum: 12.03.2023).