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Der Laborwert Hämoglobin gehört zu den wichtigsten Parametern des kleinen Blutbildes. Eine Abweichung dieses Wertes von der Norm kann richtungsweisend für verschiedene Krankheitsbilder sein und sollte abgeklärt werden. Wie genau der Hämoglobinwert zustande kommt und was zu einer Entgleisung führen kann, erläutert dieser Artikel.
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Hämoglobin – Definition
Hämoglobin ist ein Sauerstoff-Transportprotein in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Es setzt sich als Proteinkomplex aus vier Aminosäureketten, beim Erwachsenen klassischerweise je zwei alpha- und zwei beta-Ketten, zusammen. Jede dieser Ketten besteht aus einem Globulinanteil sowie einem Häm-Anteil, in das ein Molekül zweiwertigen Eisens eingelagert ist.
Jedes Häm kann damit ein Sauerstoffmolekül binden, dies erfolgt über das Eisen. Daher ist für die intakte Funktion des Hämoglobins eine adäquate Eisenzufuhr erforderlich. Einen Teil der benötigten Eisenmoleküle kann der Körper aus abgestorbenen roten Blutkörperchen rückgewinnen. Der Rest muss über die Ernährung aufgenommen werden.
Hämoglobin wird abgekürzt zu Hb und taucht in dieser Schreibweise häufig in Laborausdrucken von Point-of-Care-Systemen (POCT) und Blutgasanalysen auf.
Hämoglobin – Aufgaben
Hämoglobin nimmt in den Lungenkapillaren Sauerstoff auf und transportiert ihn in den roten Blutkörperchen über den Blutstrom zu den Organen. Dort herrscht durch die hohe Stoffwechselrate ein sauerstoffarmes Milieu mit eher niedrigem pH-Wert. Dieses führt zu einer Verschlechterung der Bindungsfähigkeit des Hämoglobins, sodass sich die Sauerstoffmoleküle lösen und an die Organe abgegeben werden können. Gleichzeitig wird ein Teil des Kohlenstoffdioxids aus den Zellen aufgenommen und für die Abgabe in die Ausatemluft in die Lunge transportiert.
Hämoglobin bestimmen
Der Anteil an Hämoglobin im Blut wird zumeist durch Spektralanalyse aus einem Vollblutröhrchen bestimmt. Es werden jedoch zunehmend bessere Messmethoden entwickelt, mittels derer die Blutwerte auch am Patientenbett bestimmt werden können.
Hämoglobin – Normwerte
Bei Männern bewegt sich der Hämoglobin-Wert zwischen 13,5 und 17,5 g/dl (Gramm pro Deziliter Blut). Der Normwert bei Frauen liegt mit 12 bis 16 g/dl etwas darunter. Abweichungen von der Norm weisen häufig auf eine nicht bedarfsgerechte Blutbildung oder eine Störung des Flüssigkeitshaushaltes im Körper hin. Für eine genaue Diagnose sollte man stets das Gesamtbild von Laborwerten, klinischer Symptomatik und gegebenenfalls Bildgebung berücksichtigen.
Hämoglobin zu niedrig
Ein zu niedriger Hämoglobinwert ist häufig die Folge eines Eisenmangels. Bei einer unzureichenden Eisenzufuhr kann das Hämoglobin nicht richtig gebildet werden kann. Die roten Blutkörperchen sind verkleinert, die Rotfärbung des Blutes nimmt ab.
Auch ein Mangel an Vitamin B 12 kann eine Blutarmut auslösen. In diesem Fall wären die Blutzellen aber zu groß. Knochenmarkserkrankungen sind eine weitere Ursache für einen verminderten Hämoglobinwert. Sie gehen meist mit einer Störung auch anderer Blutzellen wie der Gerinnungs- oder Abwehrzellen einher.
Ist der Körper überwässert, etwa bei Flüssigkeitseinlagerungen durch Herz– oder Nierenerkrankungen, so kann der Hämoglobinwert ebenfalls absinken.
Hämoglobin zu hoch
Ein erhöhter Hämoglobinwert kann durch einen Flüssigkeitsverlust entstehen, beispielsweise bei starkem Schwitzen und unzureichender Trinkmenge. Allerdings kann auch eine Enthemmung der Blutbildung im Knochenmark oder eine übermäßige Hormonproduktion der Nieren das Überangebot an roten Blutkörperchen und somit den erhöhten Hb-Wert verursachen. Bei Lungen- und Herzerkrankungen versucht der Körper häufig, über eine Steigerung des Hämoglobins die Sauerstoffaufnahme zu verbessern.
Hämoglobin – Varianten
Einige Erkrankungen können zu einer Strukturveränderung des Hämoglobins führen, die man sich bei der Therapie zu Nutze machen kann. Um welche Varianten es sich dabei genau handelt, erklären die folgenden Abschnitte.
HbA1c
Bestehen über mehrere Monate regelmäßig erhöhte Blutzuckerspiegel, so lagern sich Zuckermoleküle an das Hämoglobin an. Diese veränderten Hämoglobinmoleküle werden als HbA-1c (adultes Hämoglobin / Hämoglobin des Erwachsenen mit Zuckerstrukturen) bezeichnet. Ihr Anteil am Gesamt-Hämoglobin ermöglicht eine gute Einschätzung der Blutzuckereinstellung im Rahmen der Therapie des Diabetes mellitus, der Zuckerkrankheit.
Dyshämoglobine
Dyshämoglobine sind Hämoglobinformen, bei denen eine Strukturveränderung des Hämoglobins durch externe Einflüsse die Sauerstoffaufnahme verhindert. Selbst bei einer normalen Anzahl von Hämoglobinmolekülen im Blut und einer suffizienten Atmung kommt es hierdurch zum Ersticken.
Ein Beispiel hierfür ist das Carboxyhämoglobin, das bei einem Überangebot von Kohlenmonoxid in der Atemluft entsteht. Kohlenmonoxid kann viel besser an Hämoglobin binden als Sauerstoff und besetzt somit dessen Bindungsstelle. Eine Vergiftung mit Kohlenmonoxid führt vor allem zu neurologischen Symptomen wie Verwirrung und Schläfrigkeit und kann tödlich enden.
Auch Methämoglobin ist ein häufig auftretendes Dyshämoglobin. Es entsteht durch eine Umwandlung des zweiwertigen Eisens in ein dreiwertiges Molekül, das keinen Sauerstoff binden kann. Diese Hämoglobinform wird in geringen Mengen regelhaft im Körper gebildet und durch ein entgegenwirkendes Enzym, die Methämoglobin-Reduktase, wieder zurückgebaut und nutzbar gemacht.
Hämoglobin – Rolle bei Erkrankungen
Neben den genannten Krankheitsbildern kann das Hämoglobin auch grundlegend in seiner Struktur verändert sein und so eigenständig zu verschiedenen Krankheitsbildern führen.
Im Fall der Sichelzellanämie führt eine erbliche Veränderung der beta-Ketten des Hämoglobins dazu, dass sich die roten Blutkörperchen in Abwesenheit von Sauerstoff zu Sicheln verformen und die Blutgefäße verstopfen.
Bei den sogenannten Thalassämien werden zumeist die beta-Ketten nicht richtig ausgebildet, wodurch es zu einer Blutarmut kommt.
Hämoglobinerkrankungen als Infektionsschutz
Durch die Strukturveränderung des Hämoglobins können Erreger der Malaria nur noch erschwert in die Blutzellen eindringen. Somit bieten diese Abweichungen von der Norm auch einen Selektionsvorteil in Endemiegebieten.
Eine weitere wichtige Gruppe von Bildungsstörungen des Hämoglobins bilden die Porphyrien. Diese gehen mit dem Fehlen verschiedener Enzyme einher, die zur Umwandlung der Vorstufen in das endgültige Häm benötigt werden. Die nicht weiter verarbeiteten Vorstufen lagern sich in Geweben ab, wo sie schmerzhafte Krankheitssymptome wie Bauchschmerzen, Lichtempfindlichkeit und neurologische Symptome auslösen können.
- Herold, G. (2019). Hämolytische Anämie. In G. Herold, Innere Medizin (S. 48 ff.). Köln: Herold, Gerd.