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Die Immunhistochemie ist ein in der Medizin und in anderen Bereichen genutztes Verfahren, welches die Darstellung von bestimmten Proteinen oder anderen Strukturen in einem Gewebe ermöglicht. Wie genau sie funktioniert und in welchen Situationen sie Anwendung findet, beschreibt dieser Artikel.
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Immunhistochemie – Definition
Bei der Immunhistochemie (wird häufig mit IHC abgekürzt) handelt es sich um ein wissenschaftliches Verfahren, mit dem man Proteine oder auch andere Strukturen in einem Gewebe entdecken und auch genau lokalisieren kann. Sie basiert auf bestimmten Antikörpern, die an die Zielstrukturen koppeln und durch spezielle Methoden (zum Beispiel Färbung) sichtbar gemacht werden.
Immunhistochemie – Funktionsweise
Bei der Immunhistochemie kommen bestimmte Antikörper zum Einsatz, die an die zu untersuchenden Strukturen in einem Gewebe binden und anschließend auf eine spezielle Art und Weise dargestellt werden. Je nachdem ob nur ein oder zwei Antikörper verwendet werden, unterscheidet man zwischen der direkten und indirekten Immunhistochemie.
Allgemeines Prinzip
Das Prinzip dieser Untersuchungsmethode beruht darauf, dass Antikörper zu einem Gewebe gegeben werden, die eine Affinität zu einem bestimmten Molekülabschnitt eines Antigens (Epitop) haben. Diese Affinität führt zu einer Antigen-Antikörper-Reaktion, sodass der Antikörper mit dem Epitop eine feste Bindung eingeht. Bevor man den Antikörper allerdings zum Gewebe hinzu gibt, koppelt man ihn mit einem sogenannten Nachweissystem (zum Beispiel mit einem Farbstoff), welches in späteren Schritten die genaue Lokalisation des Antikörpers und somit auch des von ihm gebundenen Epitops ermöglicht. In anderen Worten bedeutet dies also, dass der Nachweis eines Antikörpers in einer bestimmten Region des Gewebes darauf schließen lässt, dass das Epitop (beziehungsweise Antigen), welches man sucht, ebenfalls in dieser Region vorzufinden ist.
Nach der Hinzugabe des Antikörpers und der Kopplung mit einem Nachweissystem wie einem Farbstoff, werden die Antikörperbindungen sichtbar gemacht. Dies geschieht mithilfe eines Lichtmikroskops, mit dem man das Muster und die Intensität der Färbung beurteilen kann. Das Ziel ist dabei, ein möglichst starkes Färbesignal im Bereich des zu untersuchenden Epitops zu erhalten. Die Abschnitte des Gewebes, in denen sich das Epitop nicht befindet, sollten wiederum unangefärbt bleiben. Durch den Einsatz von verschiedenen Farbstoffen ist es außerdem möglich, mehrere Zellarten in unterschiedlichen Farben gleichzeitig darzustellen.
Wahl des passenden Antikörpers
Aufgrund der beschriebenen Funktionsweise ist die Auswahl eines passenden Antikörpers ein wichtiger Schritt, der entscheidend zum Erfolg der Untersuchung beiträgt. Der ideale Antikörper sollte hochspezifisch für das Antigen, auf das man das Gewebe untersucht, sein. Wenn das nicht der Fall ist kann es passieren, dass der Antikörper auch an andere, ähnliche Antigene, die eigentlich gar nicht untersucht werden sollen, bindet und man somit ein falsch-positives Ergebnis erhält. In den meisten Fällen werden bei der Immunhistochemie monoklonale Antikörper eingesetzt, da sie eine hohe Spezifität für das Epitop auf einem Antigen aufweisen. Somit ist davon auszugehen, dass ihre Anwendung zu präzisen Ergebnissen führt. Polyklonale Antikörper binden hingegen an mehrere Epitope auf dem Zielantigen und sind somit weniger spezifisch. Allerdings ergibt sich dadurch auch ein Vorteil, da diese Antikörper in bestimmten Situationen stärkere Signale liefern können. Neben der Spezifität eines Antikörpers sollte man zudem auch die Spezies, in der die Antikörper produziert wurden, berücksichtigen. Auch die richtige Markierungsmethode spielt eine wichtige Rolle.
Indirekte Immunhistochemie
Bei der indirekten Immunhistochemie fügt man zunächst wie bereits beschrieben einen spezifischen Primärantikörper dem zu untersuchenden Präparat hinzu. Danach trägt man einen zweiten Antikörper auf, der sich gegen den zuvor hinzugefügten Primärantikörper richtet und an diesen bindet. Den zweiten Antiköper nennt man Sekundärantikörper und koppelt ihn mit einem Farbstoff. Sieht man unter dem Mikroskop nun ein Farbsignal, gilt dies als Nachweis für das Epitop. Statt eines Farbstoffs kann als Nachweissystem auch ein Enzym dienen, das man im Anschluss mit mithilfe einer Enzym-Substrat-Reaktion sichtbar macht.
Diese Variante der Immunhistochemie wird relativ häufig eigesetzt, da sie vergleichsweise kostengünstig ist und es durch den zweiten Antikörper zu einer Erhöhung der Signalintensität kommt. Somit lassen sich auch bei einer geringen Antigendichte bereits stärkere Signale erzielen.
Direkte Immunhistochemie
Bei dieser Variante ist der Primärantikörper direkt mit dem Nachweissystem gekoppelt, wodurch das entstandene Farbsignal anschließend unter dem Mikroskop als Indikator für das zu untersuchende Epitop dient. Sie eignet sich vor allem dann, wenn man mehrere verschiedene Antigene in einem Präparat darstellen will. Falls nur wenige Antigene im Gewebe vorhanden sind, kann es allerdings sein, dass das Farbsignal zu schwach ist und die Antigene sich deshalb nicht lokalisieren lassen.
Immunfluoreszenz
Die Immunfluoreszenz ist eine bestimmte Form der Immunhistochemie, bei der fluoreszierende Farbstoffe zur Anwendung kommen. Mit diesen markiert man den eingesetzten Antikörper und stellt die Farbsignale danach mithilfe eines speziellen Fluoreszenzmikroskops (zum Beispiel ein Epifluoreszenz-Mikroskop oder ein Konfokalmikroskop) dar. Bei den für die Immunfluoreszenz eingesetzten Materialen handelt es sich meist um Gewebsabschnitte, Zellkulturen oder Einzelzellen, in denen die Verteilung von Proteinen, Proteoglykanen oder auch anderen Molekülen sichtbar gemacht wird. Auch bei der Immunfluoreszenz unterscheidet man die indirekte von der direkten Variante.
Fluoreszenz-Durchflusszytometrie
Diese Methode ermöglicht die Analyse von Zellen, die sich in einer Flüssigkeit befinden. Zunächst koppelt man auch hier die zu untersuchenden Antigene mit Fluoreszenzfarbstoff-markierten Antikörpern. Anschließend gibt man die Flüssigkeit in ein sogenanntes Durchflusszytometer, wo die Zellen einzeln und nacheinander an einem Laserstrahl vorbeifließen. Der Laserstrahl beleuchtet die Zellen und regt die an ihnen gebundenen, fluoreszierenden Antikörper an. Diese geben wiederum Licht (Fluoreszenz) einer bestimmten Wellenlänge, die für den Farbstoff spezifisch ist, ab. Bestimmte Detektoren erfassen anschließend die abgegebene Fluoreszenz sowie das gestreute Licht und wandeln sie in elektrische Signale um, die ein Computer analysiert. Diese Analyse ermöglicht es, Rückschlüsse auf bestimmte Eigenschaften und Funktionen der Zellen zu schließen. Außerdem kann man mit dieser Methode bestimmte spezifische Zelltypen identifizieren, den Zellzyklusstatus bestimmen, Proteine quantifizieren und vieles mehr.
Immunhistochemie – Anwendungsbereiche
Die Immunhistochemie findet in vielen Bereichen wie zum Beispiel in der biomedizinischen Forschung und Diagnostik Anwendung. Ihre vielseitige Verwendung macht sie dort zu einer wertvollen Methode, durch die man komplexe zelluläre Gegebenheiten und Vorgänge darstellen kann. Dieser Erkenntnisse ermöglichen wiederum die Verbesserung von Diagnoseverfahren und die Entwicklung von neuen Therapieansätzen bei bestimmten Erkrankungen. Die folgenden Bereiche zählen zu den wichtigsten praktischen Einsatzgebieten der Immunhistochemie:
- Krebsforschung: In der Krebsforschung kommen immunhistochemische Verfahren zur genauen Identifikation von Tumoren vor. Bestimmte Oberflächen-Antigene des Tumors können durch die Bindung der markierten Antiköper sichtbar gemacht werden und ermöglichen eine Zuordnung des Tumorgewebes zu einem Ursprungsgewebe. Dies funktioniert auch dann, wenn das Gewebe mikroskopisch nicht mehr als solches zu erkennen ist. Außerdem kann man bestimmte Antigene der Tumorzellen identifizieren, die einen möglichen Angriffspunkt einer Therapie darstellen. Solche zielgerichteten Medikamente (häufig Antikörper) werden heutzutage bereits bei einigen Krebserkrankungen eingesetzt.
- Neurobiologie: In diesem Fachbereich nutzt man die Immunhistochemie beispielsweise zur Lokalisation von Neurotransmittern und Rezeptoren im Gehirn.
- Pathologie: In der Pathologie ermöglicht diese Methode eine genaue Bestimmung und ein besseres Verständnis von Krankheitsmechanismen durch die Untersuchung der Proteinexpression in erkranktem Gewebe.
- Entwicklungsbiologie: Hierbei hilft sie bei der Beurteilung der Expression von Entwicklungsproteinen in embryonalem Gewebe.
Immunhistochemie – Beispiele in der Medizin
Die Immunhistochemie spielt in der Diagnostik und Therapie von bestimmten Erkrankungen (vor allem in der Onkologie) eine wichtige Rolle. Im Folgenden werden einige Beispiele genannt und erläutert.
HER2-Rezeptor-Status bei Brustkrebs
Bei Brustkrebs kann die Immunhistochemie verwendet werden, um den HER2-Rezeptor-Status des Tumors zu bestimmen. Dabei handelt es sich um ein Protein, welches sich auf der Oberfläche von manchen Tumorzellen befindet. Es hat sich gezeigt, dass ein positiver HER2-Rezeptor-Status mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Invasivität, Metastasierung und Chemoresistenz einhergeht. Deshalb ist es sinnvoll, dieses Protein durch eine Therapie zielgerichtet zu bekämpfen. Dafür kommen Biologicals wie Trastuzumab oder Tyrosinkinasehemmer wie Lapatinib oder Neratinib zum Einsatz, die die Prognose von HER2-positiven Mammakarzinomen nachweislich verbessern.
CD20 bei B-Lymphozyten
Bei CD20 handelt es sich um ein glykosyliertes Phosphorprotein, das in histologischen Präparaten mithilfe der Immunhistochemie auf der Membranoberfläche von B-Lymphozyten nachgewiesen werden kann. Klinisch ist es deshalb relevant, weil es bei einer Reihe von malignen Erkrankungen des blutbildenden Systems wie bei B-Zell-Lymphomen, Haarzellleukämie und Chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) exprimiert wird. Es hilft bei der Differentialdiagnose von B-Zell-Lymphomen und Leukämien und fehlt bei den morphologisch ähnlichen T-Zell-Lymphomen.
Zielgerichtete Therapie gegen CD20
Die Tatsache, dass CD20 bei einigen malignen Erkrankungen des blutbildenden Systems exprimiert wird, macht man sich therapeutische zunutze. So kann man bei B-Zell-Lymphomen oder Leukämien beispielsweise monoklonale Antiköper wie Rituximab, die gegen CD20 gerichtet sind, verabreichen.
ANA-Fluoreszenztest
Der ANA-Fluoreszenztest (ANA-IFT abgekürzt) dient dem Nachweis von antinukleären Antikörpern (ANAs). Diese Antikörper sind gegen Bestandteile des Zellkerns gerichtet und kommen bei verschiedenen Immunerkrankungen wie bei Sklerodermie, Dermatomyositis, Sjögren-Syndrom, Autoimmunhepatitis oder systemischer Lupus erythematodes in erhöhter Konzentration vor.
Bei diesem Test wird das Blutserum des Patienten zunächst in verschiedenen Verdünnungsstufen mit humanen Epithelzellen aus einer Zellkultur zusammengebracht. Falls sich antinukleäre Antikörper im Blutserum des Patienten befinden, binden diese nun an die Antigene der hinzugefügten Zellen. Anschließend gibt man mit Fluorescein-beladenem Anti-Human-Antikörper hinzu, die wiederum mit den Primärantikörpern eine Bindung eingehen. Diese können dann unter einem Fluoreszenzmikroskop sichtbar gemacht werden und anhand verschiedener Färbemuster Hinweise auf die antinukleären Antikörper geben.
Während sich der ANA-IFT durch eine hohe Sensitivität auszeichnet, besitzt er jedoch nur eine geringe Spezifität. Dies liegt daran, dass die Färbemuster nicht spezifisch für einen bestimmten Antikörper sind und es somit aufgrund von Antikörpern, die eigentlich gar nicht pathogen sind, zu falsch-positiven Ergebnissen kommt. Außerdem können Infektionen oder bestimmte eingenommene Medikamente die Ergebnisse zusätzlich verfälschen. Aus diesen Gründen sollte eine positives Testergebnis immer nochmals überprüft werden, indem in einem zweiten Schritt spezifische antinukleäre Antikörper durch ELISA oder Immunblot bestimmt werden. Dadurch dass die Titer-Höhe der ANAs nicht mit der Krankheitsaktivität zusammenhängt, ist der ANA-IFT nicht zur Verlaufskontrolle einer autoimmunen Erkrankung geeignet.
- Untersuchungsmethoden in der Pathologie, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 02.09.2024)