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Mittels der Lymphgefäße gelingt dem Körper die Rückführung der Lymphe in die venösen Gefäße. Sie bilden ein komplexes Gefäßsystem, das Analogien zum Blutkreislauf aufweist. Welche Unterschiede es aber dennoch gibt, wie der histologische Aufbau dieser Gefäße ist und welche Erkrankungen im klinischen Alltag auftreten können, wird in diesem Artikel detailliert betrachtet.
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Lymphgefäße – Definition
Die Lymphgefäße (Vasa lymphoidea) erstrecken sich durch den gesamten Körper, mit Ausnahme des Zentralen Nervensystems (ZNS) und dem Nierenmark. Sie transportieren die aus dem Interstitialraum aufgenommene Lymphe nach Durchlaufen der Lymphknoten wieder zurück in die venösen Gefäße. Im Gesamten betrachtet bilden sie das Lymphgefäßsystem.
Erforschung der Lymphgefäße
Bereits im Jahr 1622 entdeckte Gaspare Aselli Lymphgefäße bei der Sektion von Tieren. Genauer gesagt fand er weiße Gefäße mit Klappen, die eine milchige Flüssigkeit enthielten. Dementsprechend nannte er sie Vasa lactea, da er eine Nahrungsaufsaugung annahm. Etwa 30 Jahre später, 1653, prägte Thomas Bartholin den Begriff der Lymphgefäße.
Lymphgefäße – Anatomie und Einteilung
Die embryologische Entwicklung erfolgt mittels Stimulation durch die Wachstumsfaktoren, wobei der Rezeptor VEGF-Rezeptor 3 (vascular endothelial growth factor receptor) mit seinen passenden Liganden VEGF-C und VEGF-D eine besonders große Rolle einnimmt. Dieser Vorgang der Entstehung der Lymphgefäße ist als Lymphangiogenese bekannt.
Histologisch ist der Aufbau der Gefäße ähnlich der der Venen. Die drei Schichten der Gefäßwand umfassen von innen nach außen folgende:
- Tunica intima: Hier befinden sich Endothelzellen, die das Gewebe des Gefäßes von der Lymphe angrenzen.
- Tunica media: In dieser Schicht liegen glatte, zirkulär angeordnete Muskelfasern, die für die Kontraktion der Gefäße zuständig sind und somit den Lymphtransport aufrecht halten. Daneben enthält sie auch elastische Fasern des Bindegewebes, sodass die Gefäße etwas dehnbar und flexibel sind.
- Tunica externa: Auch diese Schicht besitzt Muskelfasern, sie sind allerdings longitudinal (längs) angeordnet. Es kommen auch elastische Fasern vor, wodurch wiederum die Dehnbarkeit und der Lymphtransport unterstützt wird.
Bei den kleineren Lymphgefäßen und -kapillaren fehlen die eben genannten elastischen Fasern und die glatten Muskelzellen. Sie bestehen entsprechend nur aus den Endothelzellen und dem umliegenden Bindegewebe, wodurch sich ein zweischichtiger Aufbau ergibt. Analog zu den venösen Gefäßen, besitzen auch die Vasa lymphoidea Gefäßklappen, welche als Valvulae lymphaticae bezeichnet werden. Sie verhindern einen Rückstrom der Lymphe. Begrifflich als Lymphangion bezeichnet wird der Abschnitt des Lymphgefäßes zwischen zwei dieser Klappen.
Hierarchie
Die kleinsten Lymphgefäße sind die Lymphkapillaren. Sie nehmen die Flüssigkeit zwischen den Zellen auf und transportieren sie weiter. Zwischen den Kapillaren des Blutes beginnen sie blind und liegen in den Zellzwischenräumen. Ihr Wandaufbau zeigt ein lückenhaftes Endothel und eine Basalmembran mit Poren, was die Aufnahme der Lymphe und der in ihr enthaltenen Teilchen und Mikroorganismen erleichtert. Durch diesen extrem dünnen Wandaufbau sollten die Kapillare eigentlich kollabieren. Ankerproteine wie Fibrillin, die die Lymphkapillare am umliegenden Bindegewebe befestigen, verhindern das jedoch. Im Knochenmark und Knorpelgewebe fehlen die Kapillare, im ZNS gibt es erste Hinweise auf ein Vorkommen.
Durch die Vereinigung der Lymphkapillaren bilden sich die Lymphgefäße (Vasa lymphatica). Der dreischichtige Wandaufbau ist oben detailliert aufgegriffen. Sie werden auch als Lymphkollektoren bezeichnet, da sie Lymphe von verschiedenen Kapillaren sammeln und weiter transportieren.
Im Anschluss vereinigen sich die Lymphgefäße zu paarigen Lymphstämmen (Trunci lymphatici). Folgende Stämme gibt es im Körper, jeweils in der rechten Körperhälfte (dexter) und linken Körperhälfte (sinister):
- Trunci lumbales: Lymphe der Beine und des Beckens
- Trunci intestinales: Lymphe der unpaaren Bauchorgane und des Darms
- Trunci bronchomediastinales: Lymphe des rechten oder linken Brustraums
- Trunci subclavii: Lymphe der oberen Extremität
- Trunci jugularis: Lymphe des Kopf- und Halsbereichs
Die größten Lymphgefäße stellen der Ductus thoracicus und der Ducuts lymphaticus dexter dar. Der rechte Lymphgang (Ductus lymphaticus dexter) erhält die Lymphe des rechten oberen Quadranten, der Milchbrustgang (Ductus thoracicus) die Lymphe des gesamten restlichen Körpers. Entsprechend fällt auch seine Größe aus, er ist das größte Lymphgefäß des Körpers.
Zum Abschluss des Kreislaufes muss die Lymphe wieder dem Blut zugeführt werden. Deshalb münden die Lymphgänge in den rechten beziehungsweise linken Venenwinkel (Angulus venosus) und anschließend in die Vena cava superior.
Physiologie und Funktion
Die Lymphflüssigkeit muss gegen den hydrostatischen Druck bewegt werden. Dafür sind die Muskelfasern in den Wänden der Gefäße essentiell. So können sie aktiv kontrahieren, besonders die größeren Lymphgefäße. Damit können sie ihre Hauptaufgabe, den Transport der Lymphe und im Endeffekt ihre Rückführung in das venöse Blutsystem, erfüllen. Würde dieser Teil des Transportes ausfallen, würde der kolloidosmotische Druck im Raum zwischen den Gewebszellen (Interstitium) steigen. Die Folge sind Ödeme und zu wenig Flüssigkeit in den Gefäßen. Ein gesteigerter kolloidosmotischer Druck bedeutet mehr Teilchen im Zellzwischenraum. Durch den entstandenen Konzentrationsgradienten diffundiert Wasser aus den Gefäßen in den Interstitialraum, um den Gradienten auszugleichen. Diese Flüssigkeit fehlt dann allerdings wiederum in den Gefäßen und das vermehrte Wasser im Gewebe zeigt sich als Ödeme. Zusammengefasst verursachen Störungen des Abtransports der Lymphe entsprechend Lymphödeme.
Andere Aufgaben der Lymphgefäße umfassen den Transport der in der Lymphe enthaltenen Lymphozyten und Antigene zu dem Lymphknoten, um eine eventuell nötige Aktivierung des Immunsystems zu bewirken. Im Chylus, der fettreichen Lymphe des Magen-Darm-Trakts, sind Chylomikronen erhalten. Diese dürfen nicht primäre zur Leber transportiert werden, weshalb die Umgehung via der Lymphe und den Weg des Ductus thoracicus notwendig ist. Erst nach Abgabe aller wichtigen transportierten Moleküle im Blutkreislauf gelangen Überbleibsel (Remnants) der Chylomikronen in die Leber zum Abbau.
Lymphgefäße – Diagnostik und Erkrankungen
Zur Diagnostik von Krankheiten, die die Lymphgefäße betreffen oder von ihnen verursacht werden, war lange Zeit die Lymphografie die Standardmethode. Mittlerweile gewinnt die Lymphszintigrafie das Rennen. Eine Übersicht der häufigsten Erkrankungen erfolgt am Ende dieses Abschnitts.
Diagnostische Methoden
Die Lymphografie beruht auf einer Darstellung der Lymphbahnen mittels des Röntgen nach einer Injektion von öligem Kontrastmittel. Unterschieden werden dabei eine direkte oder indirekte Methode. Bei ersterem wird der Farbstoff oder das Kontrastmittel direkt in ein vorher unter Lokalanästhesie zugänglich gemachtes Lymphgefäß injiziert. Die indirekte Methode basiert auf einer Injektion des Farbstoffes in die Haut, wonach anschließend durch den erhöhten Gewebsdruck die Farbe in die Lymphe aufgenommen wird. Anschließend wird unter lokaler Betäubung das Kontrastmittel in das Lymphgefäß appliziert.
Durch den hohen Aufwand und die eher unsicheren Ergebnisse, sowie die fehlende Möglichkeit der Darstellung von mediastinalen und viszeralen Lymphknoten löst die Lymphszintigrafie die Lymphografie ab. Hierbei werden radioaktive Tracer subkutan injiziert, welche die Lymphe abtransportiert, weil das venöse System der Kapillaren diese Makromoleküle nicht aufnehmen kann. Anschließend werden die Teilchen nuklearmedizinisch in ihrem Verlauf der Lymphbahn verfolgt. Rückschlüsse auf die Funktionsfähigkeit des Lymphsystems sind durch die Zeit und den Transportwegs der Tracer möglich.
Häufige Erkrankungen
Es folgt ein Überblick über die häufigsten Erkrankungen, die die Gefäße der Lymphe betreffen oder von ihnen ausgehen.
- Lymphangitis: Entzündung der Lymphgefäße, meist aufgrund einer akuten Infektion, selten im Rahmen von Reaktionen auf Toxine. Symptomatisch zeigen sich streifenförmige Rötungen der Haut, die nach zentral (Richtung Körper) fortschreiten, sowie Schwellungen und Schmerzen.
- Lymphödem: Subkutane Schwellung, die durch einen Rückstau in den Lymphgefäßen verursacht wird, wobei zumeist die Extremitäten (Arme und Beine) betroffen sind.
- Lymphangiom: Benigner (gutartiger), veskulärer Tumor der Lymphgefäße. Diese Form tritt sehr selten auf
- Lymphozele: Nach einer operativen Entfernung von Lymphknoten (Lymphadenektomie) und unverständigem Verschluss der Lymphgefäße kann sich ein mit Lymphe gefüllter Hohlraum bilden, welcher nicht mit Endothelzellen ausgekleidet ist.
- Lymphangiekstasie: Eine krankhafte Erweiterung (pathologische Dilation) oder Schwellung von Lymphgefäßen, entweder primär durch Gendefekte oder sekundär durch beispielsweise Tumore.
- Lymphangiosis carcinomatosa: Das krankhafte Wachstum von Krebszellen entlang der Lymphgefäße.
- Aumüller G et. al., Duale Reihe Anatomie, 5. Auflage, Thieme
- Schünke M et. al., Prometheus LernAtlas der Anatomie (Innere Medizin), 5. Auflage, Thieme
- Lymphatisches System, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 12.06.2024)