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Die Existenz und Funktion der Mechanorezeptoren ist essenziell wichtig für den Menschen, da darüber zum Beispiel der Tastsinn reguliert wird. Physikalische Reize aus der Umwelt sollen über solche Strukturen im Körper wahrgenommen werden. Doch nicht nur der Tastsinn, sondern auch weitere lebenswichtige regulatorische Funktionen werden von Mechanorezeptoren im gesamten Körper übernommen. Dieser Artikel soll eben diese Mechanorezeptoren beschreiben, einordnen und deren Funktion erklären.
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Mechanorezeptoren – Definition
Vor allem Zellen und Gebilde, die physikalisch-mechanische Reize in biologische Signale umwandeln werden als Mechanorezeptoren, oder kürzer als Mechanozeptoren (oder Mechanosensoren), bezeichnet. Diese werden dann an das zentrale Nervensystem weitergeleitet und dort verarbeitet.
Mechanorezeptoren – Anatomie und Histologie
Unter dem Begriff Mechanorezeptoren versteht man vor allem die Komplexe, welche unter oder in der Haut liegen und verschiedene Qualitäten des Tastsinns vermitteln. Unterschieden werden sie anhand ihrer Funktion, aber auch wegen ihrem unterschiedlichen Aufbau. Zusätzlich finden sich Mechanorezeptoren in Gewebe des Bewegungsapparats und in den Eingeweiden.
In der Haut
Basal haben Merkel-Zellen einen engen Kontakt zu Axon-Endungen, auf die sie die mechanischen Signale chemisch übertragen. Man findet sie im Stratum basale und spinosum der Epidermis. Die Signaltransduktion der Merkel-Zellen ist nicht ganz geklärt, wobei bei diesen Zelle bei der Maus Synapsen-ähnliche Komplexe bildet, die bei mechanischer Reizung Serotonin ausschüttet und Serotonin-Rezeptoren des Axons aktiviert.
Unterhalb der Epidermis, in der Dermis, findet man sogenannte Ruffini-Körperchen. Bei diesen Gebilden handelt es sich um zylindrige, bindegewebige Kapseln, die Kollagene enthalten. Auf diese Kollagengebilde zwischen Axon-Endigungen wirken Scherkräfte ein, was das Signal ist, Signale auf die Axone zu übertragen.
Auch in Meissner-Taskörperchen verlaufen Kollagene, die von Stapeln an Schwann-Zellen umgeben sind. Sie liegen in den Papillen des Bindegewebes der Dermis. Die Axon-Endigung läuft durch die Kollagene und wird ähnlich wie bei den Ruffini-Körperchen bei bestimmten mechanischen Reizungen aktiviert.
Bei den Vater-Pacini-Körperchen handelt es sich um sehr große Gebilde in der Subcutis der Haut. Sie besitzen eine zentral gelegene Axonendigung, die von mehreren Lagen an Schwann-Zellen lammellenartig umgeben sind. Danach folgen wiederum mehrere Lagen an flachen Perineuralzellen.
Es können auch freie Nervenendigungen in der Haut vorkommen, die mechanische Reize registrieren. Sie können unter anderem mit dem Haarfollikel assoziiert sein und nehmen dann die Auslenkung des Haars wahr.
Im Bewegungsapparat
Bei den Muskelspindeln handelt es sich um Gebilde, die die Dehnung der Skelettmuskulatur wahrnehmen und zur Kontrolle und Wahrnehmung des Körpers im Raum (Propriozeption) an das zentrale Nervensystem weiterleiten. Sie liegen folglich im Muskel und sind mit dem Perimysium, also dem Bindegewebe um die Muskelfasern herum, verbunden. In der Spindel verlaufen intrafusale Muskelfasern und parallel dazu extrafusale Fasern. Sowohl afferente, als auch efferente Nervenfasern laufen in der Mitte der Muskelspindel ein und wickeln sich um intra-und extrafusale Faser, mit denen sie dann Kontakte bilden.
Golgi-Sehnenorgane befinden sich in den Übergängen von Muskel zu Sehne und messen dort die Spannung des Muskels. Sie bestehen aus einer Kapsel, durch die Sehnenmaterial läuft und in die Axone eintreten.
In Gelenkkapseln und Bändern des Bewegungsapparats liegen auch in gewisser Menge Vater-Paccini- und Ruffini-Körperchen vor, die hier propriozeptive anstatt sensible Informationen übermitteln.
In den Eingeweiden
Auch in den Eingeweiden kommen hin und wieder Vater-Pacini-Körperchen vor (z.B. im Pankreas). Freie Nervenendigungen und sogenannte Barorezeptoren findet man in den Wänden von großen Blutgefäßen wie der Arteria carotis communis oder dem Aortenbogen. Diese geben dort Informationen über den Druck, der im Gefäßsystem herrscht. Der Hustenreflex wird über Mechanorezeptoren in der Schleimhaut der Atemwege vermittelt.
Mechanorezeptoren – Funktion und Physiologie
Neurophysiologisch lassen sich die Mechanorezeptoren in verschiedene Klassen einteilen. Diese beziehen sich auf die Schnelligkeit, mit der die Antwort des Rezeptors bei anhaltendem mechanischen Reiz abnimmt. Das wird als Adaptation bezeichnet. Es können also langsam adaptierende SA-Typen (slowly adapting) von schnell adaptierenden RA-Typen (rapadly adapting) unterschieden werden.
Grobe Funktionen der einzelnen Mechanosensoren der Haut sind schon einmal in der folgenden Tabelle dargestellt:
Mechanorezeptor | Funktion |
Merkel-Zelle | Druck und Berührung |
Meissner-Tastkörperchen | Berührung |
Ruffini-Körperchen | Scherkräfte und Spannung |
Vater-Pacini-Körperchen | Vibration |
Druck, der senkrecht zu den Merkel-Zellen durch die Haut ausgeübt wird, aktiviert die sogenannten Piezo2-Ionenkanäle der Zelle, was zu einem Einstrom von Kationen führt und damit zu einer Veränderung des Membranpotenzials. Ruffini-Körperchen aktivieren sich durch Scherkräfte, das heißt durch eine Dehnung des Gewebes. Beide Mechanorezeptoren leiten diese sensiblen Informationen über Aβ-Fasern an das zentrale Nervensystem und sind vom Typ der langsam adaptierenden (SA-Sensoren) Mechanorezeptoren. Dabei erzeugen die Merkel-Zellen die höchste räumliche Auflösung, was sie zu den wichtigsten Sensoren für das Lesen der Blindenschrift macht.
Meissner-Tastkörperchen und Sensoren der Haarfollikel registrieren Berührungen der Haut, indem die Meissner-Tastkörperchen Formveränderungen der Haut und Haarfollikel-assoziierte Sensoren die Auslenkungen der Haare wahrnehmen. Auch die Informationen dieser beiden Sensoren werden über Aβ-Fasern gebündelt und weitergeleitet. Beide sind vom Typ der schnell adaptierenden Sensoren (RA-Sensoren).
Der prominenteste Vertreter von Vibrationssensoren ist das Vater-Pacini-Körperchen. Die Aktivierung erfolgt auch über Piezo-Kanäle und die Signalübertragung wiederum über Nervenfasern des Aβ-Typs.
Exkurs: Nervenfaser-Klassen
Nervenfasern können unter anderem anhand ihrer Leitungsgeschwindigkeit in Klassen nach Erlanger und Gasser eingeteilt werden. Dabei sind die des A-Typs die schnellsten und die des C-Typs die langsameren. Aα-Fasern (z.B. Motoneurone) leiten mit einer ungefähren Geschwindigkeit von 60 bis 120 Metern pro Sekunde. Die des Typs Aβ sind mit circa 30 bis 60 Metern pro Sekunde deutlich langsamer unterwegs. C-Fasern werden mit Nerven assoziiert, die dumpfen Schmerz weiterleiten.
Über ihre intrafusalen Muskelfasern registriert die Muskelspindel Längenveränderungen des Muskels, die dann für die Information über die Lage des Körpers im Raum von enormer Bedeutung sind. Sie können über sogenannte γ-Motoneurone (Typ Aγ), die vom Vorderhorn des Rückenmarks aus laufen, reguliert werden. Muskelspindeln sind im Rückenmark direkt, oder über ein Interneuron, mit Motoneuronen verschaltet, die über Reflexe den Muskel kontrahieren lassen können. Dies trägt zur unbewussten Bewegungssteuerung bei.
Weiterleitung ins ZNS
Wie genau werden diese Informationen über mechanische Reize im Körper an das zentrale Nervensystem weitergeleitet und dort verarbeitet? Die Zellkörper dieser afferenten/sensiblen Nervenfasern, beziehungsweise Neurone liegen im Spinalganglion. Sie stellen damit das erste Neuron dieser sensiblen Bahn dar. Ohne umgeschaltet zu werden laufen sie in der Hinterstrangbahn des Rückenmarks (in der weißen Substanz) kranial in Richtung Hirnstamm. In der Medulla oblongata werden diese Fasern schließlich auf das zweite Neuron umgeschaltet, welches im Nucleus cuneatus und im Nucleus gracilis liegt. Der Nucleus cuneatus verschaltet Informationen der oberen Extremitäten, wohingegen der Nucleus gracilis die der unteren Extremität und des Rumpfes verschaltet. Die Axone des zweiten Neurons kreuzen weiter oberhalb in der Medulla oblongata und zieht weiter zum Thalamus, wo eine weitere Verschaltung stattfindet. Dieses Mal liegt das dritte Neuron der Bahn im sogenannten Nucleus ventralis posterolateralis. Im Thalamus werden die Informationen, die ankommen, gefiltert und an den entsprechenden Zielort im Gehirn weitergeleitet. Normalerweise ist das Ziel die sensible Großhirnrinde (somatosensorischer Kortex).
Mechanorezeptoren – Klinik
Um die Arteria carotis interna und den Aortenbogen liegt der Sinus caroticus. Bei großen Drücken, die in diesem Bereich auf das Gefäßsystem ausgeübt werden (auch von außen), werden der Blutdruck und die Herzfrequenz reflektorisch gesenkt, da hier Barorezeptoren in der Gefäßwand liegen. Es kann zum Kreislaufkollaps bis hin zu einem Herzstillstand kommen, weshalb Untersuchungen in diesem Bereich besonders vorsichtig durchgeführt werden sollten.
Das Merkel-Zell Karzinom ist ein relativ seltener bösartiger neuroendokriner Tumor der Haut. Er metastasiert allerdings häufig über Lymphgefäße in andere Gewebe.
Häufige Fragen
- Welche Arten von Mechanorezeptoren gibt es?
- Wo befinden sich Mechanorezeptoren im Körper?
- Welche Rolle spielen Mechanorezeptoren bei der Berührungsempfindung?
- Wie werden Signale von Mechanorezeptoren an das Gehirn weitergeleitet?
Es gibt verschiedene Arten von Mechanorezeptoren, die auf unterschiedliche mechanische Reize reagieren. Meissner-Körperchen sind empfindlich für leichte Berührungen. Vater-Pacini-Körperchen reagieren auf schnelle Vibrationen. Merkel-Zellen erkennen dauerhaften Druck und sind wichtig für die Wahrnehmung von Formen und Texturen. Ruffini-Körperchen erfassen Dehnungen der Haut. Zusätzlich gibt es Haarfollikel-Rezeptoren, die Bewegungen der Haare auf behaarter Haut wahrnehmen.
Im Bewegungsapparat spielen Mechanorezeptoren eine entscheidende Rolle, indem sie Informationen über die Position und Bewegung von Muskeln, Sehnen und Gelenken liefern. Dazu gehören Rezeptoren wie die Muskelspindeln, die die Dehnung und Länge der Muskeln messen, und die Golgi-Sehnenorgane, die auf den Spannungszustand der Sehnen reagieren.
Mechanorezeptoren befinden sich in verschiedenen Geweben des Körpers, wo sie auf mechanische Reize reagieren. Sie sind hauptsächlich in der Haut, in den Muskeln, Sehnen, Gelenken und den inneren Organen zu finden.
Mechanorezeptoren sind entscheidend für die Berührungsempfindung, da sie mechanische Reize wie Druck, Vibration und Berührung wahrnehmen und in elektrische Signale umwandeln, die ans Gehirn weitergeleitet werden. Sie ermöglichen es uns, feine Details wie Texturen, Formen und Oberflächenstrukturen zu spüren. Unterschiedliche Mechanorezeptoren, wie Meissner-Körperchen, Merkel-Zellen, Pacini-Körperchen und Ruffini-Körperchen, arbeiten zusammen, um eine präzise und vielseitige Wahrnehmung von Berührungen zu gewährleisten.
Die Signale von Mechanorezeptoren werden über sensible Nervenfasern als elektrische Impulse an das zentrale Nervensystem weitergeleitet. Diese Impulse wandern entlang der peripheren Nerven zum Rückenmark, wo sie in speziellen Bahnen aufsteigen und schließlich das Gehirn erreichen, insbesondere den somatosensorischen Kortex. Dort werden die Informationen verarbeitet und interpretiert, sodass wir Berührungen, Druck oder Vibration bewusst wahrnehmen und darauf reagieren können.
- Silbernagel et. al.: Physiologie, Thieme (Stuttgart: 8. Auflage, 2018)
- Lüllmann-Rauch, Renate: Taschenlehrbuch Histologie, Thieme (Stuttgart: 6. Auflage, 2019)
- Taktiles System, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 18.10.2024)
- Nervengewebe, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 18.10.2024)