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Der Muskeltonus ist essenziell für die Motorik und Haltungskontrolle und beschreibt die Grundspannung des Muskels. Das Zusammenspiel von Reflexbögen, spinalen Reflexen, zentralen Steuermechanismen und sensorischen Rückkopplungsmechanismen kontrolliert den Spannungszustand des Muskels. Kommt es zu Abweichungen des physiologischen Muskeltonus, so dient dies als wichtiger Hinweis auf neurologische Krankheitsbilder, wie beispielsweise einem Rigor. Was der Rigor in diesem Zusammenhang bedeutet und die genaue Physiologie und Funktion des Muskeltonus, sind Inhalt des folgenden Artikels.
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Muskeltonus – Definition
Der Muskeltonus beschreibt den Zustand der Grundspannung eines Muskels, der durch abwechselndes und unwillkürliches Kontrahieren einzelner Muskelfasern entsteht. Diese unbewusste Muskelaktivität ermöglicht eine aufrechte Körperhaltung und die Vorbereitung auf Bewegungen.
Muskeltonus – Physiologie und Funktion
Die Regulation des Muskeltonus erfolgt durch das zentrale und periphere Nervensystem. Folgende neuronale Mechanismen sind am Muskeltonus beteiligt:
- Spinale Reflexe: Durch das Erfassen von Dehnungsveränderungen durch die Muskelspindeln, senden letztere über afferente Nervenfasern Signale an das Rückenmark. Dadurch werden Reflexbögen aktiviert, die über alpha-Motoneurone eine Kontraktion der betroffenen Muskulatur auslösen, den sogenannten monosynaptischen Dehnungsreflex.
- Kontrolle durch das Gehirn: Die motorischen Zentren im Gehirn, also der motorische Kortex, die Basalganglien, das Kleinhirn und der Hirnstamm, regulieren den Muskeltonus über pyramidale und extrapyramidale Bahnen.
- Propriozeption und Sensorik: Golgi-Sehnenorgane messen die Spannung und tragen zudem zur Feinregulierung der Muskelspannung bei. Sie hemmen über inhibitorische Interneurone das alpha-Motoneuron.
- Neurotransmitter: Acetylcholin dient als Haupttransmitter der motorischen Endplatte, während GABA (Gamma-Aminobuttersäure) und Glycin inhibitorische Wirkungen auf Motoneurone ausüben.
Auch äußere Reize wie die Temperatur und psychische Zustände können den Muskeltonus beeinflussen.
Ruhetonus
Auch bei einer kompletten Entspannung eines Muskels, liegt trotzdem eine Grundspannung vor. Diese Grundspannung nennt man Ruhetonus und er liegt bei physiologisch normaler Innervation vor. Er wird auch als sogenannter passiver Muskeltonus dem aktiven Muskeltonus gegenübergestellt. Lediglich bei einer Paralyse (schlaffe Lähmung) wäre dieser Ruhetonus vollkommen aufgehoben.
Skelettmuskulatur
Der aktive Muskeltonus im Skelettmuskel wird durch neuronale Reize der Motoneurone bewirkt. Die abwechselnde Kontraktionen der einzelnen Muskelfasern und die Reflexbögen durch Afferenzen und Efferenzen stellen den Tonus sicher.
Die elektromechanische Kopplung am Skelettmuskel erfolgt über eine Konformationsänderung von Calciumkanälen. Die Calciumkonzentrazion steigt an, Myosinbindungstellen auf Aktin werden freigelegt, Myosin und Aktin interagieren und es kommt zu einer Kontraktion.
Glatte Muskulatur
Bei der glatten Muskulatur spielen Hormone wie Adrenalin oder Angiotensin II sowie auch Sympathikus und Parasympathikus nerval eine wichtige Rolle für die Dilatation und Konstriktion des Muskels und sind damit bedeutend für den Muskeltonus. Die Dilatation beschreibt dabei die Erweiterung und die Konstriktion die Verengung der Gefäße. Vor allem der molekulare Mechanismus über die Myosin-leichte-Ketten-Kinase (MLKK) und die Myosin-leichte-Ketten-Phosphatase bestimmt eine starke oder schwächere Dauerkontraktion durch welche ein bestimmter Tonus zustande kommt.
Die elektro- und pharmakomechanische Kopplung der glatten Muskelzellen bewirkt durch die Umwandlung verschiedener Reize eine mechanische Muskelkontraktion. Durch einen Reiz werde zunächst Calciumkanäle im Sarkolemm geöffnet und Calcium strömt in die glatte Muskelzelle aus dem Extrazellulärraum ein. Die intrazelluläre Calciumkonzentration steigt somit. Das Calcium bindet im Sarkoplasma an Calmodulin, ein Begleitprotein der Aktinfilamente, wodurch dieses aktiviert wird. Der somit entstandene Calcium-Calmodulin-Komplex aktiviert die Myosin-leichte-Ketten-Kinase, welche die leichte Kette des Myosinfilament phosphoryliert. Dieses phosphorylierte Myosin interagiert mit Aktin und führt letztlich zu einer Kontraktion.
Funktion
Der Muskeltonus ist essenziell für die Haltungskontrolle. Das heißt er ermöglicht dem Körper in einer stabilen Position zu sein. Außerdem dient er der Bewegungsvorbereitung, bei der ein adäquater Tonus für die nötige Muskelvorspannung sorgt und somit der Feinabstimmung von präzisen Bewegungen dient. Ein weiterer wichtiger funktioneller Aspekt sind die Koordination und Feinmotorik, denn die Regulation des Tonus ermöglicht flüssige Bewegungsabläufe.
Pathologische Befunde und Klinik
Bei der Tonusprüfung großer Muskelgruppen geht es um das passive Durchbewegen einzelner Gelenke oder Extremitäten, beispielsweise Handgelenk, Ellenbogengelenk und Schultergelenk oder das Hüftgelenk und das Kniegelenk. Normal sollte ein seitengleicher Befund vorliegen. Pathologisch wären folgende Befunde:
- Muskuläre Hypotonie: Ein verminderter Tonus der Skelettmuskulatur wäre ein pathologischer Befund.
- Spastik: Ein erhöhter Tonus bei einer passiver Dehnung der Skelettmuskulatur würde für einen pathologischen Befund im Rahmen einer Spastik sprechen. Initial tritt eine schlaffe Lähmung auf, die sich dann geschwindigkeitsabhängig zu einem erhöhten Tonus bei der passiven Dehnung entwickelt.
- Rigor: Hier spricht man von einem pathologischen Widerstand bei passiver Dehnung der Skelettmuskulatur, die nicht geschwindigkeitsabhängig ist. Im Gegensatz zur Spastik ist der Rigor durchgehend vorhanden und lässt sich nicht durch eine langsame passive Bewegung überwinden.
Insgesamt beschreiben eine muskuläre Hypotonie und eine schlaffe Lähmung, wie die Paralyse einen verminderten Muskeltonus, während ein Rigor und eine Spastik einen gesteigerten Muskeltonus beschreiben.
Muskelrelaxanzien werden in der Klinik beispielsweise als medikamentöse Blockade eingesetzt, um den Muskeltonus aufzuheben. Dies macht man sich bei Operationen zu Nutze. Bei der Behandlung des Bluthochdrucks (Hypertonie) dient die glatte Muskulatur als Angriffspunkt, um den Druck zu senken. Auch beim imperativen Harndrang oder einer benignen Prostatahyperplasie kann der Muskeltonus durch Medikamente lokal beeinflusst und verändert werden.
Häufige Fragen
- Was ist Muskeltonus?
- Welche Faktoren beeinflussen den Muskeltonus?
- Was passiert bei einem zu hohen oder zu niedrigen Muskeltonus?
- Was ist der Unterschied zwischen Hypotonie und Hypertonie?
Muskeltonus ist die natürliche Grundspannung der Muskeln im entspannten Zustand, der es dem Körper ermöglicht, eine stabile Haltung einzunehmen und Bewegungen effizient auszuführen.
Der Muskeltonus wird durch das zentrale und periphere Nervensystem, hormonelle Einflüsse, körperliche Aktivität, psychische Zustände und äußere Reize wie beispielsweise die Temperatur reguliert.
Ein zu hoher Muskeltonus kann zu Muskelverspannungen, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen. Ein zu niedriger Muskeltonus kann die Körperstabilität negativ beeinflussen und das Risiko von Verletzungen erhöhen.
Bei einer Hypotonie handelt es sich um einen zu niedrigen Muskeltonus mit reduzierter Körperstabilität, während eine Hypertonie einen erhöhten Muskeltonus mit Verspannungen und Schmerzen verursacht.
- Rassow et al.: Duale Reihe Biochemie. 2. Auflage Thieme 2008
- Aumüller et al.: Duale Reihe Anatomie. 1. Auflage Thieme 2006
- Neurologische Untersuchung, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum 13.02.2025)