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Der Nervus vestibulocochlearis, der achte Hirnnerv, erlaubt dem Menschen das Hören und die Kontrolle des Gleichgewichts. Entsprechend dieser Funktion erfüllt er seine Aufgaben in den anatomischen Strukturen des Ohres. Dieser Artikel beschäftigt sich ausführlich mit dem Verlauf und der Anatomie des achten Hirnnervens und geht am Ende auf die wichtigsten klinischen Erkrankungen und diagnostischen Möglichkeiten beim Ausfalls des Nervs ein.
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Nervus vestibulocochlearis – Definition
Der Nervus vestibulocochlearis, auch als Nervus statoacusticus oder Hörnerv bezeichnet, ist der achte Hirnnerv. Er leitet die Informationen aus dem Hör- und Gleichgewichtsorgan des Innenohres in Richtung der Hörbahn und zu den Vestibulariskernen. Genauer betrachtet setzt sich der Nerv aus zwei Anteilen zusammen, dem Nervus vestibularis für das Gleichgewicht und dem Nervus cochlearis für den Hörsinn.
Nervus vestibulocochlearis – Anatomie und Funktion
Der achte Hirnnerv findet seinen Beginn in zwei Anteilen, einer Radix vestibularis (staticus) und einer Radix cochlearis (acusticus). Die Radix vestibularis bildet den Nervus vestibularis für das Gleichgewicht und die Radix cochlearis den Nervus cochlearis für das Hören.
Die Radix cochlearis findet ihren Anfang im Innenohr, genauer gesagt an den Zellkörpern (Perikaryen) des Ganglion cochleare. Dieses befindet sich im Spindelkanal der Hörschnecke. Die zentralen Fortsätze bilden somit das erste Neuron der Hörbahn. Qualitativ handelt es sich hierbei um einen rein speziell-somatosensiblen Hirnnerv. Das bedeutet, dass der Nerv nur eine bestimmte Körperempfindung, in dem Fall das Hören, aufnehmen und weiterleiten kann.
Die Radix vestibulares beginnt im Ganglion vestibulare am Boden des inneren Gehörgangs (Meatus acusticus internus). Beide Nervenwurzeln umgibt eine gemeinsame Bindegewebshülle. Zusammen ziehen sie in ihrem Verlauf durch den Meatus acusticus internus hin zum Porus acusticus internus, einer Öffnung des Felsenbeins (Os petrosum). Hier treten die Wurzeln in die hintere Schädelgrube ein. Unterhalb des Pons zieht die Struktur weiter und tritt am Kleinhirnbrückenwinkel etwas unterhalb des Nervus facialis in den Hirnstamm ein. Ab hier erfolgt die Trennung der beiden Anteile zu ihren jeweiligen Endstrukturen.
Äste des Nervus vestibularis
Der Nervus vestibularis gibt in seinem Verlauf mehrere Äste ab. Dazu zählen folgende:
- Nervus utriculoampullaris: Er enthält afferente Fasern der Macula utriculi und der Crista ampullaris der Bogengänge. Der Nerv zieht durch die Area vestibularis superior des inneren Gehörgangs hindurch und endet am Ganglion vestibulare.
- Nervus utricularis: Der Nerv nimmt Reize an der Macula utriculi als Teil des Gleichgewichtsorgans auf.
- Nervus ampullaris anterior, lateralis, posterior: Diese drei Nerven haben ihre Rezeptorgebiete im entsprechenden Teil der Ampulla membranacea der Bogengänge.
- Nervus saccularis: Er erhält Fasern von der Macula sacculi und zieht ebenfalls zum Ganglion vestibulare.
Kerngebiete
Nach dem Schädeleintritt ziehen der Nervus vestibularis und der Nervus cochlearis zu ihren jeweiligen Kerngebieten. Dort erfolgt die Umschaltung zu Fasern, die zum Zielgebiet führen.
Zu den Kochleariskernen zählen der Nucleus cochlearis anterior (vorderer Schneckenkern) und der Nucleus cochlearis posterior (hinterer Schneckenkern). Sie befinden sich seitlich (lateral) der Vestibulariskerne. Die Kerne stellen die erste Umschaltungsstation der Hörbahn dar. Die Afferenzen des Nervus cochlearis, der die Informationen aus dem Innenohr bringt, werden auf Efferenzen umgeschaltet, die die Informationen zum Corpus trapezoideum und zum Nucleus olivaris superior transportieren. Teilweise verlaufen die Bahnen auf der kontralateralen Seite. Von hier aus beginnt das dritte Neuron der Hörbahn, welche den Lemniscus lateralis bilden.
Insgesamt vier Kerngebiete zählen zu den Vestibulariskernen:
- Nucleus vestibularis superior (Bechterew-Kern)
- Nucleus vestibularis lateralis (Deiters-Kern)
- Nucleus vestibularis medialis (Schwalbe-Kern)
- Nucleus vestibularis inferior (Roller-Kern)
Sie erhalten über den Nervus vestibularis die speziellen Informationen aus dem Gleichgewichtsorgan des Innenohres und über Fasern der Purkinje-Zellschicht des Kleinhirns (Tractus cerebellovestibularis) weitere Informationen. Letztere lassen sich vor allem im lateralen Kern finden. Alle Kerngebiete geben efferente Fasern zum Beispiel an die Augenmuskelkerne, den Thalamus oder an das Kleinhirn ab. So kann das Gleichgewicht individuell immer angepasst werden.
Nervus vestibulocochlearis – Klinik
Kommt es zu einem Ausfall des Nervus vestibulocochlearis, so zeigt sich das in Einschränkungen des Gleichgewichts und des Hörens. Die Ursachen hierfür können unterschiedlich sein, ein Beispiel ist das Akustikusneurinom, auch Vestibularisschwannom genannt. Dabei handelt es sich um einen benignen (gutartigen) Tumor, der von den Schwann-Zellen der vestibulären Anteile des Nervs hervorgeht. Dadurch steigert sich der Druck, der auf den Nerven wirkt, schleichend, woraufhin sich eine einseitige Hörminderung, ein Tinnitus und eine Fazialisparese entwickelt. Weiterhin auffällig sind Gangunsicherheiten. Die Fazialisparese entsteht durch Kompression des Nervus facialis, der sich am Kleinhirnbrückenwinkel in unmittelbarer Nähe des Nervus vestibulocochlearis befindet. Analog kann auch der Nervus trigeminus unter einer Kompression leiden. Dann zeigen sich beim Patienten Parästhesien (Gefühlsstörungen) in seinem Versorgungsgebiet.
In der Diagnostik zeigt sich bei betroffenen Patienten in der Tonschwellenaudiometrie eine Hochtonschwerhörigkeit. Darauf basiert die Verdachtsdiagnose, welche durch ein MRT bestätigt werden kann. Therapeutisch bestehen die Möglichkeiten von radio- oder mikrochirurgischen Verfahren.
Hirnstammaudiometrie
Zur Frühdiagnostik des Vestibularisschwannoms kann die Hirnstammaudiometrie angewandt werden. Sie ist auch bekannt als Brainstem evoked Response Audiometry, kurz BERA. Weitere Indikationen für dieses audiometrische Verfahren sind Neugeborene, die beim Hörscreening auffällig sind oder Risikofaktoren für Hörstörungen aufweisen. Sie dient ebenfalls der Umfelddiagnostik bei Tinnitus, Neuropathia vestibularis oder asymmetrischer Hörminderung.
Der Hirnstammaudiometrie liegt folgendes Prinzip zu Grunde: Man leitet die frühen akustisch evozierten Potenziale, die etwa 1,5 bis 10 Millisekunden nach einem gesetzten Schallreiz auftreten, ab. Die Potentiale stellt man anschließend in Form von fünf Wellen dar. Die Wellen eins und zwei codieren für den proximalen (körpernahen) Teil des Nervus cochlearis. Die restlichen Wellen lassen Rückschlüsse über den Verlauf der Hörbahn im Hirnstamm zu. Dementsprechend ist eine Aussage über das Mittel- und Innenohr, sowie den Hörnerv möglich. Für die Untersuchung muss der Patient keine Mitarbeit leisten oder aufmerksam sein. Sie kann demnach sogar an schlafenden und sedierten Patienten durchgeführt werden.
Es existieren verschiedene Arten der BERA. Die AABR (Automated auditory Brainstem Response) findet ihren Einsatz beim Neugeborenenscreening. Die Frequenzabhängige (botched noise) BERA bestimmt die Hörschwelle in unterschiedlichen Frequenzen, etwa ein, zwei oder vier Kilohertz. Die Klick-BERA ermöglicht die Bestimmung der Hörschwelle und die allgemeine Beurteilung der Hörbahn.Arten der Hirnstammaudiometris
- Aumüller G et. al., Duale Reihe Anatomie, 6. Auflage, Thieme
- Akustikusneurinom, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 11.11.2024)
- Audiometrische Verfahren in der HNO, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 11.11.2024)