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Zum Hinterhaupt hin wird das Großhirn durch den Okzipitallappen abgeschlossen. Dieser beheimatet mit der primären, sekundären und tertiären Sehrinde die zentrale Verschaltungsstelle für sämtliche visuellen Informationen, welche von den Augen an das Gehirn weitergeleitet werden. Nach deren Aufarbeitung in den Sehrinden und Untergliederung unter anderem in Objektwahrnehmung, Farbdifferenzierung und Gesichtserkennung werden die generierten Inhalte zur weiteren Verarbeitung in andere Bereiche des Gehirns übermittelt.
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Okzipitallappen – Definition
Wie sein Name bereits andeutet, ist der Okzipitallappen der am Hinterhaupt gelegene Anteil des Großhirns. Er enthält das Sehzentrum und stellt somit einen der wichtigsten Bereiche für die Verarbeitung der visuellen Sinneseindrücke dar.
Okzipitallappen – Anatomie und Aufbau
Der Okzipitallappen liegt oberhalb des Tentorium cerebelli und wird nach ventral, also nach vorne, durch den Sulcus parietooccipitalis gegenüber dem Parietallappen abgegrenzt. Unter letzterem liegt der Temporallappen. Beide sind funktionell eng mit dem Okzipitallappen verbunden. Die Blutversorgung des Okzipitallappens erfolgt aus der A. cerebri porterior.
Am Okzipitalpol, dem hintersten Abschnitt des Okzipitallappens, liegt im Sulcus calcarinus die primäre Sehrinde, Area 17 nach Brodmann oder auch Anteil V1. Wie der übrige Isocortex weist sie einen mehrschichtigen Aufbau mit sechs übereinander liegenden Laminae auf. Dabei ist Lamina 4, welche sensorische Informationen enthält, besonders stark ausgeprägt, sodass deren markhaltigen Fasern makroskopisch als Gennari- bzw. Vicq d’Azyr-Streifen sichtbar sind. Daher wird das Areal auch „Area striata“ genannt. Lamina 4 wird hier in drei Bereiche A, B und C unterteilt.
Die primäre Sehrinde liegt medial zum Interhemisphärenspalt hin ausgerichtet und wird hufeisenförmig von der sekundären und der tertiären Sehrinde, bestehend aus Area 18 und 19 mit den Anteilen V 2-3 und V 4-5, umschlossen.
In der Retina beginnen Sehbahnfasern in unterschiedlichen Zellgruppen. Magnozelluläre Ganglienzellen verschalten dabei Informationen über Bewegungen und Objekte unabhängig von deren Farbe. Die Bilder werden über großzellige Neurone bis zum Unterbereich C der Lamina 4 des primären Sehzentrums fortgeleitet und nach dortiger Bearbeitung in Bereich 4 B übermittelt.
Entsprechend übernehmen parvozelluläre Ganglienzellen die Bereiche des hochauflösenden Sehens und die Farbverarbeitung. Ihre Informationen gelangen von der primären Sehrinde in die Laminae 2 und 3 der sekundären Sehzentren. Somit erfolgt innerhalb der einzelnen Abschnitte der Sehrinde die Verschaltung der Informationen strikt getrennt sowohl nach ihrem Ursprung als auch nach ihrem Inhalt.
Das Großhirn
Okzipitallappen – Säulen und Zelltypen
Neben der horizontalen Schichtung in Laminae werden innerhalb der Sehrinde die Informationen in dreidimensionalen, bandförmigen Strukturen verarbeitet, die auch plastisch als Säulen bezeichnet werden. Deren Aufbau und Funktion wird im Folgenden erläutert.
Orientierungssäulen
Die grundlegende Bilderkennung erfolgt über Orientierungssäulen. Diese enthalten Zellbündel, welche Hell-dunkel-Kontraste zur Erkennung von Linien nutzen. Durch Zusammenschau sämtlicher Linienpunkte aller Orientierungssäulen ergibt sich ein vollständiges Bild. In den Orientierungssäulen existieren drei Zelltypen:
- einfache Zellen: Sie erfassen die Konturen starrer Objekte. Dabei fällt ihre Reizantwort umso stärker aus, je exakter die betrachteten (Linien)Punkte in ihrer Ausrichtung mit der Ausrichtung der einfachen Zelle übereinstimmen. Daher reagieren beispielsweise vertikale Zellen am stärksten auf vertikale Linien.
- komplexe Zellen: Sie sammeln die Informationen der einfachen Zellen über die Linienpunkte eines Objektes und können hierdurch auch die Konturen beweglicher Objekte erfassen.
- hyperkomplexe Zellen: Diese können neben streifenförmigen Signalen auch auf Ecken oder Winkel reagieren, welche sich in einer bestimmten Richtung durch das Blickfeld bewegen.
Augendominanzsäulen
Je ein Bündel von Orientierungssäulen zur Erfassung eines Radius von 0 bis 180 Grad bildet die Augendominanzsäule, welche die Informationen von einem festgelegten kleinen Punkt der Netzhaut eines Auges erfasst. Entsprechend existiert für den gleichen Gesichtsfeldausschnitt eine zweite Dominanzsäule für das andere Auge. Bei seitendifferenter Wahrnehmung, etwa bei einseitiger Sehschwäche, übernimmt im Verlauf das dominante Auge die entsprechenden Bereiche. Zudem existieren in den Dominanzsäulen sogenannte Blobs. Diese Zellfasern sind für die Farbdifferenzierung zuständig.
Hypersäulen
Die beiden zusammengehörenden Augendominanzsäulen für eine bestimmte Position des Sehfeldes bilden gemeinsam die etwa einen Millimeter große Hypersäule oder Positionssäule.
Okzipitallappen – Aufgaben
Als derjenige Teil des Gehirns, welcher die Sehrinden beheimatet, liegt die Kernaufgabe des Okzipitallappens in der Verschaltung visueller Informationen. Dabei ist jedem Bereich der Sehrinde ein Bildausschnitt fest zugeordnet. Achtzig Prozent der Sehrindenfläche entfallen auf die Fovea centralis, den Punkt des schärfsten Sehens, was eine ungestörte Fokussierung auf einen gezielt anvisierten Punkt ermöglicht.
Die Informationen, welche die Sehrinde über die Sehstrahlung erreichen, werden in die sekundären Sehzentren (Brodmann-Areale 18 und 19) weitergegeben, wo sie verarbeitet und je nach Art der Information Teilbereichen wie der Gesichts- oder Farberkennung, dem Sprachzentrum oder motorischen Arealen zugeordnet werden. Beispielsweise kann unter Einbeziehung des frontalen Sehfeldes eine motorische Hinwendung zur gründlichen Untersuchung eines Objektes eingeleitet werden. Auch Blickfolgebewegungen wie die Beobachtung der Flugbahn eines Balls werden in diesem Bereich des Gehirns generiert. Die gezielte Zuwendung zum Auslöser eines Geräusches wird durch eine Verbindung mit den Informationen aus der Hörbahn im Bereich des Mesencephalons ermöglicht.
Okzipitallappen – Funktion und Wahrnehmung
Die Informationen aus dem Auge werden über den Sehnerv und zwischengeschaltete Zentren zum Corpus geniculatum laterale des Thalamus weitergeleitet und erreichen von dort aus topographisch sortiert über die Sehstrahlung die Sehrinde.
In Areal 17 erfolgt die Verschaltung und Verteilung der Information ohne inhaltliche Bewertung. In den Arealen 18 und 19 werden die Daten mit bekannten Mustern verknüpft und erhalten somit im Zusammenspiel mit anderen Anteilen des Gehirns ihre Bedeutung, etwa wenn ein Gesicht wieder erkannt oder die Bewegungskaskade zum Fangen eines Balls eingeleitet wird (wobei der Ball zunächst als solcher identifiziert werden muss).
Okzipitallappen – Beschwerden und Krankheiten
Aufgrund der unterschiedlichen Verarbeitung der visuellen Informationen haben Schädigungen der Sehrinde unterschiedliche Auswirkungen. Diese sind in den folgenden Abschnitten in Kürze zusammengefasst.
Schädigung der primären Sehrinde
Diese können von kleinen Gesichtsfeldausfällen bis hin zu einer vollständigen Erblindung auf der kontralateralen Seite führen (da auf einer Seite die visuelle Information der Gegenseite verarbeitet wird). Da die primären Sehrinden beider Hemisphären direkt gegenüber liegen (medialwärts zum Interhemisphärenspalt ausgerichtet), wirken sich raumfordernde Prozesse wie Tumore häufig auf beide Seiten aus. Durchblutungsstörungen betreffen hingegen eher eine Seite, sodass je nach Gesichtsfeldausfall schon grob auf die Lokalisierung der Schädigung geschlossen werden kann.
Da der Akkommodationsreflex (zur Feineinstellung der Augenlinse für die Nahsicht) abhängig von einer funktionierenden Sehrinde ist, fällt dieser bei deren Schädigung häufig aus. Der Patient kann also in der Nähe nur noch unscharf sehen.
Schädigung der sekundären und tertiären Sehrinde
Trotz der räumlichen Nachbarschaft zur primären Sehrinde zeigen sich bei einer Schädigung in den benachbarten Bereichen gänzlich andere Ausfallerscheinungen. Da die sekundären Sehzentren (V2-5) bereits sämtliche Bildinformationen erhalten haben, bestehen keine Gesichtsfeldausfälle mehr. Allerdings ist die Bildverarbeitung gestört. Dies kann zu einer visuellen Agnosie führen, was bedeutet, dass der Patient das Gesehene nicht mehr wieder erkennen oder deuten kann. So sind vertraute Gesichter plötzlich fremd, Objekte oder Farben können nicht mehr benannt werden. Die Ausfälle sind besonders gravierend, wenn die dominante Hälfte des Gehirns betroffen ist.
Schädigungen im Bereich der sekundären Sehzentren können durch fehlerhafte Interpretation oder Fehlverknüpfung visuelle Halluzinationen auslösen.
Häufige Fragen
- Was ist der Okzipitallappen?
- Wo liegt die Sehrinde?
- Welche Sehstörungen hat man bei einem Hirntumor?
- Wo sitzt ein Glioblastom?
Der Okzipitallappen ist der hinterste Bereich des Telencephalons. In ihm befinden sich in erster Linie die Brodmann Areale 17, 18 und 19, welche der primären, sekundären und tertiären Sehrinde entsprechen. Es bestehen afferente Verbindungen insbesondere aus der Sehstrahlung, welche den Okzipitallappen vom Thalamus ausgehend erreicht. Die Efferenzen laufen einerseits zum Parietallappen (Bewegungssteuerung und Objektwahrnehmung), weiterhin zum Temporallappen (Gesichts -und Farberkennung) sowie zu vielen weiteren Schaltzentren im Gehirn, in denen eine optimale Verknüpfung mit anderen Informationen generiert wird.
Die Sehrinden liegen am und rund um den Okzipitalpol des Telencephalons im Okzipitallappen. Dabei wird die primäre Sehrinde, Brodmann Area 17, welche medialwärts zum Interhemisphärenspalt hin ausgerichtet ist, hufeisenförmig von der sekundären und der tertiären Sehrinde (Brodmann Area 18 und 19) umgeben.
Ausfallerscheinungen im Bereich der Sehrinden, welche durch einen Hirntumor verursacht werden, können vielfältige Erscheinungsbilder haben. Oft kann man anhand der Gesichtsfeldausfälle schon abschätzen, an welcher Stelle im Gehirn eine Schädigung eingetreten ist. Ist nur eine Hemisphäre betroffen, so fällt in der Regel nur das kontralaterale Gesichtsfeld aus. Bei Prozessen, die zum Beispiel durch verdrängendes Wachstum beide Hemispähren betreffen, werden entsprechend beide Gesichtsfelder beeinträchtigt.
Bei Tumoren, die lediglich die sekundäre oder tertiäre Sehrinde betreffen, ist das Sehen als solches nicht gestört, aber die wahrgenommenen Bilder können nicht mehr interpretiert werden, es besteht eine visuelle Agnosie. Bei einer Schädigung der Sehstrahlung im Bereich des Temporallappens kommt es zu einem Ausfall der oberen Gesichtsfeldhälften. Liegt der Tumor hingegen in den oberen Anteilen der Sehstrahlung, so fällt eher der untere Teil aus.
Da unmittelbar vor der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) die Informationen aus den seitlichen Gesichtsfeldern im sogenannten „Chiasma opticum“ auf die Gegenseite kreuzen, kann ein Tumor der Hypophyse durch Druck an dieser Stelle zu Ausfällen der äußeren Gesichtsfeldhälften führen. Es entsteht eine bitemporale Hemianopsie, der Patient sieht wie mit Scheuklappen nur noch zentrale Anteile des Gesichtsfeldes.
Glioblastome sind die häufigsten bösartigen Hirntumore. Es wird angenommen, dass sie von den Stützzellen des Gehirns, den Gliazellen, ausgehen. Theoretisch können Glioblastome an jeder Stelle im Gehirn auftreten, so dass je nach betroffenem Gebiet unterschiedliche motorische oder sensorische Ausfallerscheinungen auftreten können. Neben Kopfschmerzen, die ein recht unspezifisches Anzeichen sein können, lösen Glioblastome gelegentlich epileptische Anfälle aus.
- Visuelle Informationsverarbeitung im Gehirn, https://www.allpsych.uni-giessen.de/... (Abrufdatum: 14.03.2023)
- Glioblastom, https://www.glioblastom.de/... (Abrufdatum: 14.03.2023)