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Das Os lacrimale, auch Tränenbein genannt, ist der kleinste Knochen des Gesichtsschädels und bildet einen Teil der medialen Augenhöhlenwand. Trotz seiner geringen Größe spielt es eine wichtige Rolle im Tränenabflusssystem, da es die knöcherne Grundlage für den Tränensack und den Tränen-Nasen-Gang bildet. Aufgrund seiner dünnen Struktur ist es besonders anfällig für Verletzungen und Frakturen. Die Anatomie, Funktion und klinische Bedeutung des Tränenbeins sind Thema dieses Artikels.
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Os lacrimale – Definition
Das Os lacrimale (Tränenbein) ist ein paarig angelegter, dünner Knochen des Gesichtsschädels (Viscerocranium). Er liegt an der medialen Wand der Orbita und ist einer der kleinsten Knochen des menschlichen Skeletts. Seine wichtigste anatomische Struktur ist die Fossa sacci lacrimalis, die den Tränensack (Saccus lacrimalis) aufnimmt und so eine entscheidende Rolle im Tränenabflusssystem spielt.
Os lacrimale – Anatomie
Das Os lacrimale befindet sich an der medialen Wand der Augenhöhle (Orbita) und grenzt an mehrere wichtige Knochen des Gesichtsschädels. Ventral artikuliert es mit der Maxilla (Oberkiefer), dorsal schließt es an das Siebbein (Os ethmoidale) an. Superior besteht eine Verbindung zum Os frontale (Stirnbein), während es kaudal in den Canalis nasolacrimalis übergeht. Zusammen mit der Maxilla bildet das Tränenbein die knöcherne Begrenzung der Tränengrube (Fossa sacci lacrimalis).
Strukturelle Merkmale
Das Tränenbein ist ein äußerst dünner, rechteckiger Knochen, den man anatomisch in zwei Abschnitte unterteilen kann. Der vordere Abschnitt trägt zur Begrenzung des Tränensacks bei, während der hintere Abschnitt an der medialen Orbita beteiligt ist. Mehrere knöcherne Strukturen prägen das Os lacrimale:
- Crista lacrimalis anterior: Ein schmaler Knochenkamm an der vorderen Begrenzung der Tränengrube, der den Tränensack stabilisiert und als Ansatzpunkt für das Ligamentum palpebrale mediale dient.
- Crista lacrimalis posterior: Eine Knochenerhebung, die zusammen mit der Crista lacrimalis anterior die Fossa sacci lacrimalis begrenzt. Dazwischen liegt die Fossa sacci lacrimalis, die als knöcherne Führung für den Tränensack dient.
- Sulcus lacrimalis: Eine knöcherne Rinne an der medialen Orbita, die zusammen mit der Maxilla den Canalis nasolacrimalis bildet. Dieser Kanal leitet die Tränenflüssigkeit in die Nasenhöhle weiter.
Canalis nasolacrimalis und Tränenabfluss
Der Canalis nasolacrimalis ist eine knöcherne Struktur, die sich vom Os lacrimale und der Maxilla nach kaudal erstreckt. Er beherbergt den Ductus nasolacrimalis, der die Tränenflüssigkeit vom Auge in die untere Nasenmuschel (Meatus nasi inferior) leitet. Dieser direkte anatomische Zusammenhang erklärt, warum die Nase nach starkem Weinen oft „läuft“.
Os lacrimale – Funktion
Das Os lacrimale spielt eine entscheidende Rolle im Tränenabflusssystem. Die Fossa sacci lacrimalis dient als knöcherne Führung für den Tränensack (Saccus lacrimalis), der die Tränenflüssigkeit in den Canalis nasolacrimalis leitet. Der Canalis nasolacrimalis wiederum leitet diese Flüssigkeit in die Nasenhöhle, wodurch er überschüssige Tränen abtransportiert.
Neben seiner Rolle im Tränenabflusssystem bildet das Os lacrimale einen kleinen Teil der medialen Orbitawand, wodurch er trotz seiner dünnen Struktur die Orbita stabilisiert und Ansatzpunkte für wichtige Weichteilstrukturen bietet. Darunter befindet sich das Ligamentum palpebrale mediale, das an der Bewegung und Stabilisierung der Augenlider beteiligt ist.
Tränenreflex
Das Os lacrimale ist über das Tränenabflusssystem funktionell mit dem vegetativen Nervensystem verbunden. Der parasympathische Anteil des Nervus facialis (VII. Hirnnerv) steuert den Tränenreflex, der die Tränendrüsen zur Produktion anregt. Eine seltene Fehlfunktion dieses Systems ist das Bogorad-Syndrom („Crocodile Tears Syndrome“), bei dem Tränenfluss unwillkürlich während des Essens auftritt. Diese Störung entsteht durch eine fehlerhafte Nervenregeneration nach einer Fazialisparese. Eine zusätzliche Verengung des Canalis nasolacrimalis kann den Tränenabfluss weiter behindern und das Symptom verstärken.
Os lacrimale – Klinische Bedeutung
Das Os lacrimale kann durch moderate Gewalteinwirkung, insbesondere bei medialen Orbitafrakturen, brechen. Besonders häufig entstehen Frakturen durch Schläge auf die Augenregion, Stürze oder Verkehrsunfälle.
Da das Os lacrimale Teil der medialen Orbitawand ist, treten solche Brüche oft gemeinsam mit Orbitafrakturen auf. Besonders bei medialen Blow-out-Frakturen, bei denen die dünnen Knochenstrukturen der Orbita nach außen brechen, kann das Os lacrimale betroffen sein. Bei einer medialen Blow-out-Fraktur kann Orbitafett oder Gewebe des Musculus rectus medialis in das Siebbeinzellsystem verlagert werden, was zu Diplopie (Doppelbilder) oder Bewegungseinschränkungen des Auges führen kann.
Ein weiteres Problem ist eine mögliche Verlagerung oder Schädigung des Tränensacks, der sich in der Fossa sacci lacrimalis befindet. Dadurch kann der normale Abfluss der Tränenflüssigkeit gestört werden, was eine anhaltende Epiphora (ständiges Tränenlaufen) zur Folge hat. In schweren Fällen kann eine operative Rekonstruktion des Tränenabflusssystems erforderlich sein.
Dakryozystitis
Eine Dakryozystitis, die Entzündung des Tränensacks, entsteht, wenn der Canalis nasolacrimalis blockiert ist und die Tränenflüssigkeit nicht mehr abfließen kann. Der Rückstau der Tränen bildet einen optimalen Nährboden für Bakterien, was zu einer eitrigen Infektion des Tränensacks (Saccus lacrimalis) führt.
Typische Symptome einer Dakryozystitis sind neben Schwellung und Rötung im Bereich des inneren Augenwinkels ein Druckschmerz über der Tränengrube, sowie eitrige Sekretion, die sich bei Druck auf den Tränensack entleeren kann.
Eine akute Dakryozystitis wird meist durch Staphylococcus aureus oder seltener Streptococcus pneumoniae verursacht und erfordert eine antibiotische Therapie. In schweren Fällen kann sich ein Abszess bilden, der chirurgisch eröffnet werden muss.
Bei einer chronischen Dakryozystitis liegt oft eine fibrotische Verengung des Tränen-Nasen-Gangs vor, die zu anhaltendem Tränenstau und Infektionen führt. In solchen Fällen hilft meist nur ein chirurgischer Eingriff.
Dakryozystorhinostomie (DCR)
Bei chronischen oder wiederkehrenden Entzündungen des Tränensacks kann eine Dakryozystorhinostomie (DCR) durchgeführt werden. Dabei wird eine neue Verbindung zwischen dem Tränensack und der Nasenhöhle geschaffen, um den Abfluss der Tränenflüssigkeit wiederherzustellen.
Die Operation kann auf zwei Arten erfolgen:
- Externe Dakryozystorhinostomie: Ein kleiner Schnitt wird an der Haut des inneren Augenwinkels gesetzt. Das Os lacrimale wird teilweise entfernt, um eine direkte Verbindung zwischen Tränensack und Nasenhöhle herzustellen.
- Endoskopische Dakryozystorhinostomie: Der Eingriff erfolgt minimalinvasiv über die Nasenhöhle, ohne äußere Narben zu hinterlassen.
Beide Verfahren haben das Ziel, eine dauerhafte Drainage zu schaffen. In manchen Fällen kann es jedoch zu Narbenbildung und erneuter Obstruktion kommen.
Tumoren und Veränderungen
Das Os lacrimale kann in seltenen Fällen von Tumoren oder knöchernen Veränderungen betroffen sein. Dazu gehören:
- Lakrimaldrüsentumoren: Obwohl die Tränendrüse nicht direkt im Os lacrimale liegt, können benachbarte Tumoren Druck auf das Tränenabflusssystem ausüben.
- Osteomyelitis: Eine Knochenentzündung kann das Os lacrimale betreffen, insbesondere nach schweren Gesichtstraumen oder Operationen.
- Fibrosierende Knochenerkrankungen: Erkrankungen wie die Morbus Paget oder fibröse Dysplasie können die Struktur des Os lacrimale verändern und zu Tränenabflussstörungen führen.
- Aust G et. al., Duale Reihe Anatomie (Thieme, 6. Auflage, 2024)
- Schünke M et. al., Prometheus LernAtlas der Anatomie, Kopf, Hals, Neuroanatomie (Thieme, 5. Auflage, 2018)
- Schädel, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 10.03.2025)