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An der Stelle, wo die Galle in den Zwölffingerdarm fließt, findet sich eine Schleimhautfalte. Dabei handelt es sich um die Papilla Vateri, auch Papilla duodeni major genannt. Im Folgenden geht der Artikel auf die Anatomie dieser Struktur ein und beschäftigt sich ausführlich mit den Pathologien der Papilla vateri.
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Papilla vateri – Definition
Die Papilla vateri beschreibt eine Schleimhautfalte, die im Pars descendens des Duodenums (Zwölffingerdarm) zu finden ist. Sie wird auch als Papilla duodeni major bezeichnet.
Die Bezeichnung der Falte geht auf den deutschen Mediziner, Botaniker und Philosophen Abraham Vater zurück. Er lebte im 18. Jahrhundert. Weitere Synonyme der Papilla vateri sind die Vater-Papille und Vater'sche Papille.Wortherkunft
Papilla vateri – Anatomie und Funktion
Um die Lage der Papilla duodeni major besser nachvollziehen zu können, lohnt sich ein kurzer Blick auf den Aufbau des Duodenums. Das Duodenum liegt C-förmig um das Pankreas (Bauchspeicheldrüse) herum und teilt sich in vier Abschnitte:
- Pars superior: Der Anfangsteil ist etwa fünf Zentimeter lang.
- Pars descendens: An der Flexura duodeni superior geht der Pars superior in den Pars descendens über.
- Pars horizontalis: Hier verläuft das Duodenum kurz horizontal.
- Pars ascendens: Dieser Teil steigt anschließend bis zur Flexura duodenojejunalis an und geht dort in das Jejunum über.
Die Papilla vateri liegt im Pars descendens. In diesen münden die beiden Ausführungsgänge von Leber und Pankreas. Der Ductus choledochus der Leber vereinigt sich kurz vor dem Eintritt in das Duodenum mit dem Ductus pancreaticus. Dadurch entsteht ein kurzer, gemeinsamer Ausführungsgang, die Ampulla hepatopancreatica. Sie mündet in den Pars descendens. Der Ausführungsgang der Leber führt die Galle und ist deshalb auch als großer Gallengang bekannt. Über den Ductus pancreaticus gelangt das Pankreassekret in den Darmtrakt, welches eine wichtige Rolle in der Verdauung spielt.
In seinem Verlauf von kranial nach kaudal wirft der Ductus choledochus eine weitere Schleimhautfalte auf, die Plica longitudinalis duodeni. An deren unterem Ende mündet der Gang gemeinsam mit dem Ductus pancreaticus in der Papilla duodeni major und das Sekret kann seine Wirkung im Darmtrakt entfalten.
Papilla duodeni minor
Manchmal existiert ein zweiter akzessorischer Pankreasgang (Ductus pancreaticus minor). Dieser mündet ebenfalls in den Pars descendens des Duodenums, allerdings nicht über die Papilla vateri. Er tritt stattdessen etwas oberhalb der Papilla duodeni major ein und bildet damit die kleinere Papilla duodeni minor, die auch als Papilla Santorini bezeichnet wird. Sie findet sich auch bei der unvollständigen Verschmelzung des Pankreas im Rahmen der Embryogenese.
Musculus sphincter Oddi
Die Papille ist durch einen Schließmuskel verschlossen, den Musculus sphincter Oddi, benannt nach Ruggero Oddi. Die anatomische Bezeichnung lautet Musculus sphincter ampullae hepatopancreaticae, benannt nach dem gemeinsamen Ausführungsgang. Er bildet die eigentliche Erhebung der Papille mit seiner glatten Muskulatur.
Über den Kontraktionszustand reguliert der Sphinkter die Entleerung der Galle und des Bauchspeicheldrüsensekrets.
Der Muskel besteht aus mindestens drei Segmenten. Einer davon ist der Sphincter communis, der einen Ring um die Ampulle bildet, außerdem legt sich je ein Schließmuskel um die beiden einzelnen Gänge. Im Rahmen der endoskopischen Papillotomie wird der Sphinkter Oddi teilweise oder komplett durchtrennt.
Blickt man genau auf den Aufbau der Papille, findet man Verstrebungen, die die drei einzelnen Ringmuskeln miteinander längs verbinden. Besonders in der Ampulle liegen zudem feine quere Falten und Krypten, die einer Jalousie ähneln. Sie sorgen für einen gewissen Schutz vor den Verdauungssäften.
Die Blutversorgung gewährleistet die Arteria retroduodenalis mit einem ventralen und einem dorsalen Ast, die den Plexus arteriosus bilden
Papilla vateri – Klinik
Im Normalbefund einer Endoskopie zeigt sich die Papilla duodeni major als eine rötliche Erhebung, die mit glatter Schleimhaut überzogen ist. Nutzt man die Plica longitudinalis duodeni als Orientierung, ist die Papille leichter auffindbar. Es kann vorkommen, dass die Papilla vateri durch die Plica horizontalis verdeckt ist. Dabei handelt es sich um eine quer verlaufende Schleimhautfalte.
Klinische Varianten
Betrachtet man die Mündung der beiden Gänge, so lassen sich vier Varianten unterscheiden.
- Y-Typ: Er ist der häufigste mit etwa 70 Prozent. Hierbei vereinigen sich Ductus choledochus und Pankreasgang zu einem langen gemeinsamen Endstück, dem Common Channel. In etwa fünf Prozent der Fälle bildet sich eine Erweiterung (Ampulle) und damit eher selten.
- V-Typ: Hier liegt nur ein minimaler Common Channel vor oder er fehlt komplett. Dann münden beide Gänge direkt in die Papilla vateri. Die Häufigkeit dieser Variante liegt zwischen zehn und zwanzig Prozent.
- U-Typ: Mit der gleichen Häufigkeit findet sich der U-Typ. Die Gänge sind durch ein Septum getrennt und münden separat in die Papille.
- Typ 2: Mit etwa fünf Prozent Wahrscheinlichkeit tritt der Typ 2 als eine seltene Variante des Pankreas divisum auf, wobei die Gänge komplett voneinander getrennt liegen. Der Ductus choledochus mündet alleine in die Papilla vateri, während der Pankreasgang in die Papilla Santorini mündet.
Tumore der Papilla Vateri
Insgesamt sind Tumore an der Papilla Vateri selten. Liegt ein Tumor vor, handelt es sich meistens um ein Adenom. Obwohl das Gewebe sehr häufig mit Verdauungssekreten in Kontakt kommt, entwickeln sich besonders im Vergleich zum Übrigen Gastrointestinaltrakt nur sehr selten Tumore in dieser Lokalisation. Neben den Adenomen ist die Entstehung von intestinal differenzierten Adenokarzinomen und neuroendokrinen Tumoren oder Karzinomen in der Region möglich.
Der zellulär und strukturell komplexe Aufbau der Papilla vateri legt nahe, dass dort entstehende Tumore sehr verschieden differenziert sein können. Ebenfalls fällt bei fortgeschrittenen bösartigen Tumoren oft die Unterscheidung zwischen einer papillären oder extrapapillären Lokalisation nicht leicht. Diese Zuordnung ist aber für die TNM-Klassifikation sehr wichtig. Die Tumore definieren sich im Gesamten betrachtet vor allem durch die Lokalisation des Tumorzentrums in der Papille, sowie dem Nachweis von präkanzerösen Läsionen in dem Epithel der Papille. Außerdem spielt für die Tumorklassifikation die histologische Differenzierung und der Immunphänotyp eine Rolle.
Eine Prädisposition von Papilloadenomen und -karzinomen stellt die familiäre adenomatöse Polyposis dar. Dabei handelt es sich um eine autosomal-dominant vererbbare Mutation eines Tumorsuppressor-Gens. Diese Mutation erhöht nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines Tumors der Papilla vateri, das Lebenszeitrisiko für ein kolorektales Karzinom liegt bei 100 Prozent. Eine noch schwerwiegendere Form ist die phänotypische Variante als Gardner-Syndrom, bei der die klinischen Pathologien noch stärker ausgeprägt sind.
- Aumüller G et. al., Duale Reihe Anatomie, 5. Auflage, Thieme
- Kolonpolypen, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 08.09.2024)
- Gaßler N et. al., Tumoren der Papilla Vateri, Pathologe 33, https://doi.org/... , (Abrufdatum: 08.09.2024)