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Ein Paraganglion ist eine kleine, spezialisierte Zellgruppierung im menschlichen Körper, die mit dem Nervensystem zusammenarbeitet und bestimmte Hormone produziert. Paraganglien spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation von Blutdruck und Atmung.
Dieser Artikel erklärt, was Paraganglien sind, wie sie funktionieren und warum sie medizinisch wichtig sind. Außerdem geht er darauf ein, welche Symptome auftreten können, wenn die Strukturen erkranken, und wie ein sogenanntes Paragangliom erkannt wird.
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Paraganglion – Definition
Paraganglien sind spezialisierte Strukturen des neuroendokrinen Systems. Sie bestehen aus endokrinen Zellen, die Hormone und Neurotransmitter produzieren, sowie aus Stützzellen, die eine formgebende Funktion übernehmen. Paraganglien sind vor allem für die Sekretion von Katecholaminen wie Adrenalin und Noradrenalin bekannt, die eine Schlüsselrolle bei der Regulation von Blutdruck, Herzfrequenz und Stoffwechselprozessen spielen. Funktionell stellen sie damit eine Zwischenstufe auf dem Spektrum vom vegetativen Nervensystem und dem endokrinen, hormonellen System dar.
Paraganglien kann man sich zusammenfassend wie kleine “Kontrollzentralen” im Körper vorstellen, die sich in der Nähe von großen Nerven oder Blutgefäßen befinden.
Paraganglion – Embryologie
Entwicklungsgeschichtlich entstehen die Zellen der Paraganglien, ähnlich wie die Zellen des Nebennierenmarks, aus den Sympathikoblasten. Darunter versteht man die Ursprungszellen für die Grenzstrangganglien (sympathische Ganglien) und das Nebennierenmark. Sie stammen aus dem Ektoderm, dem äußeren Keimblatt, und wandern im Laufe der Embryogenese aus der Neuralleiste aus.
Neuralleistenzellen beschreiben eine embryonale Zellpopulation, die viele Strukturen des peripheren Nervensystems bildet. Sie wandern während der Embryonalentwicklung in verschiedene Regionen des Körpers und differenzieren sich in eine Vielzahl von Zelltypen, darunter die Hauptzellen (neuroendokrine Zellen) und Stützzellen der Paraganglien.
Die Entwicklung der Paraganglien verläuft je nach Lage unterschiedlich:
- Sympathische Paraganglien: Diese entstehen entlang des Grenzstrangs und der Aorta. Die Neuralleistenzellen, die diese Strukturen bilden, sind für die Produktion von Katecholaminen verantwortlich.
- Parasympathische Paraganglien: Diese entwickeln sich in der Nähe der großen Blutgefäße des Kopf-Hals-Bereichs. Ihre sensorische Funktion als Chemorezeptoren ist eng mit der Entwicklung der Hirnnerven verknüpft.
Störungen während der Embryogenese können zu Fehlbildungen oder Funktionsstörungen der Paraganglien führen, was klinische Konsequenzen wie Atemregulationsprobleme oder Stoffwechselstörungen haben kann.
Paraganglion – Histologie
Histologisch bestehen Paraganglien aus zwei Hauptzelltypen:
- Hauptzellen (Typ I): Diese neuroendokrinen Zellen speichern und sezernieren Hormone und Neurotransmitter wie Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin. Sie sind in sogenannten „Zellballen“ (Zellulae globosae) organisiert, die charakteristisch für Paraganglien sind. Die Hauptzellen haben eine hohe Dichte an Sekretgranula, die ihre Funktion unterstreichen.
- Stützzellen oder gliale Hüllzellen (Typ II): Diese Zellen ähneln Gliazellen und unterstützen die Hauptzellen strukturell und funktionell. Sie tragen zusätzlich zur Signalverarbeitung bei.
In den Glomera ordnen sich die Hauptzellen in Nestern an. In ihrer direkten Umgebung liegen fenestrierte Kapillaren. Die Hauptzellen bilden dabei Synapsen mit afferenten, auf sie zu führenden, Nervenfasern. Sie enthalten zudem elektronendichte Granula, die zum Beispiel Dopamin, Serotonin und Peptide speichern. In der Umgebung der Zellnester liegen die Hüllzellen mit ihren dünnen Fortsätzen zur Stabilisierung.
Sympathische Ganglien enthalten Noradrenalin und Peptide in den Granula. Die Innervation ist im Gegensatz zu den Glomera, also den parasympathischen Ganglien, sehr spärlich. Herrscht ein Sauerstoffmangel (Hypoxie), setzen sie Noradrenalin frei, welches die Herzfrequenz, den Blutdruck und dementsprechend die Sauerstoffversorgung der Organe verbessert.
Paraganglien sind von einem dichten Netzwerk aus Kapillaren durchzogen, das die schnelle Aufnahme und Freisetzung von Hormonen ermöglicht. Die Zellstruktur und die Nähe zu Blutgefäßen unterstreichen die Rolle der Paraganglien als Vermittler zwischen Nervensystem und endokrinem System.
Paraganglion – Funktion
Alle Paraganglien teilen sich die grundlegenden Funktionen. Sie reagieren auf einen abfallenden Sauerstoffpartialdruck oder einen steigenden Kohlenstoffdioxidpartialdruck. Die genaue Funktion unterscheidet sich allerdings zwischen parasympathischen und sympathischen Paraganglien.
- Sympathische Paraganglien: Diese Strukturen reagieren eigenständig auf Reize, da sie nur schwach mit Nerven verbunden sind. Bei Sauerstoffmangel setzen sie das Hormon Noradrenalin direkt ins Blut frei. Dies führt dazu, dass die Herzfrequenz und der Blutdruck steigen, wodurch die Organe besser mit Sauerstoff versorgt werden.
- Parasympathische Paraganglien: Diese funktionieren auf eine andere Weise. Sie stehen in direktem Kontakt mit Nerven (etwa dem Vagusnerv und dem Glossopharyngeusnerv) und geben bei Reizung den Neurotransmitter Adenosintriphosphat (ATP) ab. Das ATP aktiviert spezielle Rezeptoren an den Axonen, die Signale an das Gehirn weiterleiten. Dort wird dann die Atmung verstärkt, um mehr Sauerstoff ins Blut zu bringen. Weiterhin nehmen parasympathische Paraganglien durch die Ausschüttung von Dopamin parakrin Einfluss auf die Empfindlichkeit (Sensitivität) der Chemosensoren.
Paraganglion – Klinik des Paraganglioms
Ein Paragangliom ist ein neuroendokriner Tumor, der aus den Hauptzellen der Paraganglien hervorgeht. Diese Tumoren können überall dort auftreten, wo sich Paraganglien befinden, am häufigsten jedoch im Kopf-Hals-Bereich und entlang des Grenzstrangs. Meistens sind sie benigne (gutartig), teilweise aber auch maligne (bösartig). Paragangliome werden in zwei Kategorien unterteilt:
- Funktionelle Paragangliome: Diese Tumoren produzieren überschüssige Katecholamine, was zu Symptomen wie Bluthochdruck, Herzrasen, Schweißausbrüchen und Kopfschmerzen führt. Diese Form geht vorwiegend aus sympathischen Paraganglien hervor.
- Nicht-funktionelle Paragangliome: Diese Tumoren produzieren keine Hormone und bleiben oft symptomlos, bis sie durch ihre Größe oder Lage Druck auf umliegende Strukturen ausüben und Beschwerden verursachen. Hierbei sind meistens parasympathische Paraganglien betroffen. Es kann in diesem Rahmen zur Lähmung von Hirnnerven oder zu Tinnitus kommen.
Die Ursache von Paragangliomen ist noch nicht abschließend geklärt. Klar ist jedoch, dass erbliche Faktoren eine große Rolle spielen. Besonders häufig finden sich Mutationen in Genen, welche für die Untereinheiten der Succinatdehydrogenase codieren. Dabei handelt es sich um ein Enzym der Atmungskette und des Citratzyklus. Paragangliome treten auch öfter in Verbindung mit Syndromen wie dem Von-Hippel-Lindau-Syndrom auf. Hierbei treten Gefäßmissbildungen auf. Unbehandelt können Paragangliome zu schwerwiegenden Komplikationen führen, wie hypertensiven Krisen oder Metastasenbildung bei bösartigen Formen.
Diagnostik und Therapie
- Diagnostik: Paragangliome werden meist durch bildgebende Verfahren wie CT oder MRT diagnostiziert. Die nuklearmedizinische Methode der Szintigraphie und der PET kann ebenfalls bei der Diagnostik eingesetzt werden. Biochemische Tests auf erhöhte Meta- und Normetanephrine (Katecholaminmetabolite) im Blut oder Urin sind entscheidend für die Diagnose funktioneller Tumoren.
- Therapie: Die Behandlung umfasst in der Regel die chirurgische Entfernung des Tumors. Funktionelle Tumoren erfordern zusätzlich eine medikamentöse Behandlung zur Kontrolle der Hormonüberproduktion vor und nach der Operation.
Phäochromozytom
Ein Phäochromozytom ist eine Subklasse der sympathischen, funktionellen Paragangliome. Bei diesem Typ ist zu über 80 Prozent das Nebennierenmark betroffen, die restlichen 20 Prozent tritt in extraadrenalen Paraganglien auf. In 85 Prozent der Fälle liegt eine benigne Form vor. Ein Viertel der Fälle beruhen zudem auf hereditären Gegebenheiten.
Die Symptome ergeben sich durch die Überproduktion von Katecholaminen und deren Wirkung auf die einzelnen Organe. Ein anfallsartiger Symptombeginn ist typisch. Patienten präsentieren sich häufig mit Hypertonie und Tachykardie, Kopfschmerzen, Unruhe, Angst und Schweißausbrüchen. Seltener tritt ein Tremor, Blässe im Gesicht und Gewichtsverlust auf. Falls der Tumor operabel ist, wird er chirurgisch entfernt. Bei benignen inoperablen Phäochromozytomen gibt man dauerhaft Phenoxybenzamin, einen Alphablocker.
- Lüllmann-Rauch, Taschenlehrbuch Histologie, 6. Auflage, Thieme, 2019
- Favier, J et. al, Paraganglioma and phaeochromocytoma: from genetics to personalized medicine. Nat Rev Endocrinol 11, (2015). https://doi.org/... .2014.188, (Abrufdatum: 26.11.2024)
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