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Der Parietallappen wird auch als Scheitellappen bezeichnet. Der medizinische Begriff lautet Lobus parietalis und bezieht sich seinerseits auf das paarige Scheitelbein (Os parietale), das die Seitenwände des Schädels bildet. Beim Parietallappen handelt es sich um einen Abschnitt des Großhirns (Telencephalon), der für die Verarbeitung sensorischer Eindrücke zuständig ist. Ohne die Funktion des Lobus parietalis wären Aufgaben wie räumliche Wahrnehmung, Lesen oder Rechnen unmöglich.
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Wo im menschlichen Körper befindet sich der Parietallappen?
Der Parietallappen reicht vom Sulcus centralis (Zentralfurche), seiner vorderen Grenze, bis hin zum Brodmann-Areal 19, das bereits zum Okzipitallappen, dem kleinsten Hirnlappen des Großhirns, gehört. Man kann sich eine hintere Linie vom Sulcus parietooccipitalis (= Furche zwischen Scheitellappen und Hinterhauptslappen) bis zur Incisura praeoccipitalis denken. Unten grenzt der Lobus parietalis an den Temporallappen. Die Grenze liegt ungefähr auf derselben Ebene wie der Sulcus lateralis (Sylvische Fissur bzw. Sylvische Furche).
Was ist ein Sulcus?
Sulcus, Plural: sulci, heißt Furche. Im Gehirn befinden sich viele dieser Sulci, die auch als Begrenzung und damit zur Unterteilung verschiedener Hirnareale dienen.
Der Aufbau des Parietallappens
Innerhalb des Parietallappens verläuft der Sulcus intraparietalis. Dieser teilt den hinteren Teil des Parietallappens in ein oberes und ein unteres Parietalläppchen, den Lobulus parietalis superior bzw. den Lobulus parietalis inferior. Am oberen Ende des Sulcus lateralis, der einen Teil der unteren Grenze des Parietallappens zum Temporallappen ausmacht, befindet sich der Gyrus supramarginalis. Bei diesem handelt es sich um eine Windung (Gyrus) der Großhirnrinde, die das Brodmann-Areal 40 beherbergt. Die beiden Parietalläppchen enthalten viele der Brodmann-Areale.
Allgemein wird zwischen einer vorderen (Cortex parietalis anterior) und einer hinteren (Cortex parietalis posterior) Parietalrinde unterschieden. Im vorderen Kortex, direkt hinter der Zentralfurche, befindet sich der Gyrus postcentralis, bei dem es sich um den primären somatosensorischen Kortex (auch Primär- oder S1-Feld genannt) handelt. Dieser umfasst außerdem die Brodmann-Areale 1, 2, 3a und 3b. Zudem enden im somatosensorischen Kortex die Hinterstrang- sowie die Schmerzbahn. Der Sulcus postcentralis, der parallel zum Sulcus centralis verläuft, trennt den Gyrus postcentralis vom Rest des Parietallappens.
Versorgt wird der Parietallappen durch die Arteria cerebri media und die Arteria cerebri anterior.
Parietallappen: Funktion
Der Lobus parietalis (Parietallappen) ist in erster Linie für die somatosensorische Wahrnehmung verantwortlich. Diese umfasst vor allem haptische, also tastbedingte, Empfindungen. Allerdings ist der Parietallappen auch an der visuellen Reizverarbeitung beteiligt: Über aufsteigende Leitungsbahnen der Hirnstrangbahn werden epikritische Impulse in den Neokortex des Parietallappens transportiert. Zu den epikritischen Impulsen zählen das feine Tastempfinden und die bewusste Propriozeption, also die bewusste Wahrnehmung des eigenen Körpers nach dessen Lage im Raum.
Protopathische Impulse hingegen finden ihren Weg über die Vorderseitenstrangbahn zum Parietallappen. Als protopathische Informationen werden Empfindungen wie Schmerz, Temperaturwahrnehmung und grobes Tastempfinden bezeichnet.
Sowohl epikritische als auch protopathische Signale werden im primären somatosensiblen Kortex empfangen, der sich über die Brodmann-Areale 1,2 und 3 erstreckt. Im primären somatosensorischen Kortex befinden sich verschiedene Felder, die einer bestimmten Körperregion entsprechen:
S1-Feld – Funktion
Der vordere Teil des S1-Feldes enthält Schmerz- und Temperaturinformationen (protopathische Sensibilität), im mittleren Teil werden epikritische Informationen (Feindiskriminierung von Berührungsreize) verarbeitet. Im hintersten Teil kommen Informationen über die Bewegung und die Stellung der Gelenke an.
S2-Feld – Aufgaben
Im primären somatosensorischen Kortex erfolgt lediglich eine Abbildung der entgegengesetzten Körperhälfte. Anders verhält es sich beim sekundären somatosensorischen Kortex S2: Dieser besteht aus einem Teil des Brodmann-Areals 2 und bildet beide Körperhälften ab. Der S2 befindet sich hinter dem Gyrus postcentralis und enthält Informationen aus dem S1-Feld, die weiterverarbeitet werden sollen.
Anatomie weiterer Felder im Parietallappen
Im hinteren Teil des Parietallappens findet sich der parieto-temporo-okzipitale Assoziationskortex. In diesem assoziativen Gebiet des Großhirns werden Impulse verarbeitet, die aus anderen Feldern der Großhirnrinde stammen. Sie dienen der visuellen und der räumlichen Orientierung sowie der Sprache. In den Kortexbereich des Sulcus intraparietalis eingebettet liegt ein kleiner Rindenbereich, der für die Rechenfähigkeit zuständig ist.
Überhaupt sind die verschiedenen Gebiete der Großhirnrinde nach wie vor Gegenstand aktueller Forschungsbemühungen. So kann der Sulcus intraparietalis überhaupt als eigenständiges Funktionszentrum betrachtet werden, das als Schnittstelle zwischen dem visuellen und dem motorischen System dient und somit vor allem Bewegungen der Hände und der Augen kontrolliert und steuert.
Parietallappen: Klinik
Veränderungen oder Läsionen des Parietallappens können zu bestimmten Symptomen führen. Wird der Lobus parietalis im vorderen Bereich geschädigt, kommt es in der Regel zu Taubheit. Darüber hinaus ist das Empfinden auf der gegenüberliegenden Körperseite beeinträchtigt. Betroffenen fällt es schwer, Ort und Art einer sensorischen Empfindung zu identifizieren. Auch der Tastsinn leidet, sodass Gegenstände anhand ihrer Form und Beschaffenheit nicht erkannt werden können.
Bei Schäden im mittleren Bereich des Parietallappens kommt es zu Problemen mit Rechnen und Schreiben. Außerdem haben Betroffene Mühe, rechts und links voneinander zu unterscheiden.
Beeinträchtigungen an der nicht dominanten Hälfte des Lobus parietalis – in der Regel handelt es sich hierbei um die rechte Hälfte – führen dazu, dass Betroffene an Apraxie leiden. Sie können einfachen Aufgaben wie dem Anziehen nicht nachkommen. Die räumliche Wahrnehmung ist gestört, sodass sich Betroffene selbst in einer vertrauten Gegend verlaufen.
Weitere Krankheitsbilder
Es gibt zudem eine Reihe von Erkrankungen, die in direktem Zusammenhang zur Funktion des Parietallappens stehen. Dazu gehört beispielsweise das Gerstmann-Syndrom, das infolge einer Schädigung des Brodmann-Areals 40 entsteht. Zu den Symptomen gehören Schwierigkeiten beim Schreiben und Rechnen.
Eine weitere Erkrankung ist das Balint-Syndrom, bei dem es zu Störungen der räumlichen Orientierung ebenso wie zur Unfähigkeit zielgerichteter Greifbewegungen kommt.
Bei Krankheiten, die mit einer Rechenschwäche einhergehen, lassen sich anatomische und funktionelle Veränderungen im Bereich des Sulcus intraparietalis feststellen. Dies ist zum Beispiel bei Monosomie X (Turner-Syndrom) der Fall.
1. Spektrum, Lexikon Neurowissenschaft, Somatosensorischer Cortex, https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/somatosensorischer-cortex/11950 (Abrufdatum: 12.03.2023).
2. MSD Manuals, Funktionsstörungen des Gehirns, https://www.msdmanuals.com/de/heim/st%C3%B6rungen-der-hirn-,-r%C3%BCckenmarks-und-nervenfunktion/funktionsst%C3%B6rungen-des-gehirns/gehirnsch%C3%A4den-nach-gehirnregion (Abrufdatum: 12.03.2023).