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Reflexe sind blitzschnelle, unwillkürliche Reaktionen des Körpers, die zur Sicherung des Überlebens dienen. Ohne bewusstes Nachdenken zieht man die Hand von einer heißen Herdplatte zurück oder blinzelt automatisch, wenn etwas ins Auge fliegt. Doch was genau steckt hinter diesen automatischen Abläufen? Dieser Artikel behandelt, wie Reflexe funktionieren, welche Arten es gibt und welche Bedeutung sie für die medizinische Diagnostik haben.
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Reflex – Definition
Ein Reflex ist eine automatisch und schnell ablaufende Reaktion auf einen äußeren oder inneren Reiz. Dabei erfolgt die Antwort des Körpers stereotyp, das heißt, sie verläuft immer nach einem festen Schema und kann nicht willentlich beeinflusst werden.
Reflexe sind unwillkürlich und werden durch das Nervensystem gesteuert, ohne dass das Gehirn aktiv an der Verarbeitung beteiligt ist. Dies ermöglicht extrem schnelle Reaktionen, die oft eine Schutzfunktion für den Organismus haben, beispielsweise das Zurückziehen der Hand bei Berührung einer heißen Oberfläche.
Je nach Funktion und Verschaltung unterscheidet man verschiedene Arten , die spezifische Aufgaben im Körper übernehmen. Diese Reflexe können sowohl in der alltäglichen Motorik als auch in medizinisch-diagnostischen Untersuchungen eine wichtige Rolle spielen.
Reflexbogen
Ein Reflexbogen beschreibt die neuronale Verbindung zwischen einem Rezeptor (Sinneszelle) und einem Effektor (z. B. Muskel), über die Reaktionen ohne bewusste Steuerung ablaufen. Diese schnellen, automatischen Reaktionen dienen oft dem Schutz des Körpers und werden direkt im Rückenmark verarbeitet, ohne Beteiligung des Gehirns.
So läuft dieser Prozess ab:
Schrittnummer | Schrittname | Was passiert? |
1 | Reizaufnahme | Ein Rezeptor nimmt den Reiz wahr (z. B. Schmerz, Hitze). |
2 | Reizumwandlung | Der Reiz wird in ein elektrisches Signal umgewandelt. |
3 | Erregungsleitung (afferent) | Sensorische Nervenfasern leiten das Signal zum Rückenmark. |
4 | Erregungsverarbeitung | Umschaltung im Reflexzentrum des Rückenmarks (monosynaptisch oder polysynaptisch). |
5 | Erregungsleitung (efferent) | Motorische Nervenfasern leiten das Signal zum Effektor. |
6 | Reaktion | Der Muskel führt eine schnelle Bewegung aus (z. B. Hand zurückziehen). |
7 | Regulation | Die Renshaw-Hemmung begrenzt die Erregungsdauer, um eine übermäßige Muskelaktivierung zu verhindern. |
Reflex – Einteilung und Arten
Reflexe kann man anhand verschiedener Parameter in unterschiedliche Gruppen einteilen.
Eigen- und Fremdreflex
Angeborene Reaktionen auf bestimmte Reize werden auch als unbedingte Reflexe bezeichnet. Sie sind bereits bei der Geburt vorhanden oder entwickeln sich im Laufe der frühen Kindheit. Man unterscheidet sie in Eigen- und Fremdreflexe, je nachdem, ob Sensor und Effektor im selben Organ liegen oder nicht.
Eigenreflex | Fremdreflex | |
Definition | Monosynaptischer Reflex: Sensor und Effektor befinden sich im gleichen Organ. | Polysynaptischer Reflex: Sensor und Effektor liegen in verschiedenen Organen, die Verschaltung erfolgt über mehrere Rückenmarkssegmente. |
Beispiel | Muskeldehnungsreflex (z. B. Bizepssehnenreflex, Patellarsehnenreflex, Achillessehnenreflex) | Rückziehreflex des Beines, Analreflex, Bauchhautreflex, Kremasterreflex |
Ziel | Erhaltung der Muskelspannung und Schutz vor Überdehnung | Schutzreaktion – z. B. Wegziehen des Fußes nach schmerzhafter Reizung, um weitere Verletzungen zu vermeiden. |
Sensor | Muskelspindel | Nozizeptoren (Schmerzrezeptoren) |
Adäquater Reiz | Dehnung des Muskels | Mechanische Gewebsverletzung |
Ablauf |
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Beendigung des Reflexes |
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Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Arten besteht also in der Verschaltungsstruktur: Während der Eigenreflex monosynaptisch ist und direkt über das Rückenmark gesteuert wird, ist der Fremdreflex polysynaptisch und bindet mehrere Schaltstellen mit ein.
Reiz-Reaktions-Schema
Reflexe sind feste, unveränderbare Abläufe, die automatisch und unwillkürlich auf einen Reiz folgen. Sie ermöglichen schnelle Reaktionen, oft zum Schutz des Körpers, und werden über das Rückenmark gesteuert.
Viszerale Reflexe
Viszerale Reflexe steuern die unbewussten Reaktionen der inneren Organe auf bestimmte Reize. Sie sind essenziell für lebenswichtige Prozesse wie die Blasen- und Darmentleerung oder Schutzmechanismen wie die Abwehrspannung bei akutem Abdomen.
Ein Beispiel ist der Blasenentleerungsreflex, ein viszero-viszeraler Reflex. Dabei erfassen Dehnungsrezeptoren in der Blasenwand die zunehmende Füllung mit Urin. Die Erregung wird über afferente Nervenfasern ans Rückenmark geleitet, wo der Reflex ausgelöst wird. Dies führt zur Kontraktion des M. detrusor vesicae (Blasenmuskulatur) und zur Erschlaffung des M. sphincter vesicae (Schließmuskel), sodass die Blase entleert wird. Nach der Entleerung entspannen sich die Blasenmuskeln wieder, während der Schließmuskel kontrahiert, um eine erneute Füllung zu ermöglichen.
Weitere viszerale Vertreter sind die Darmperistaltik, die für die Weiterbewegung des Speisebreis sorgt, und die Magensaftsekretion als Reaktion auf Nahrungsaufnahme.
Gemischte Reflexe
Gemischte Reflexe entstehen durch das Zusammenspiel von somatischen und viszeralen Nerven. Sie verbinden das vegetative Nervensystem mit dem somatischen System und spielen eine wichtige Rolle in der Schmerzübertragung und Schutzreaktionen des Körpers.
Ein bekanntes Beispiel ist der viszero-kutane Reflex, auch bekannt als Head’sche Zonen. Hierbei führt eine Reizung der Nozizeptoren eines Organs zur Aktivierung viszerosensibler Afferenzen, die über das Rückenmark Signale an den Kortex senden. Das Gehirn kann den Schmerz jedoch nicht exakt lokalisieren und ordnet ihn einem entsprechenden Hautgebiet (Dermatom) zu. Dadurch entstehen übertragene Schmerzen, die auf eine Organerkrankung hinweisen können.
Ein weiteres Beispiel ist der viszero-muskuläre Reflex, der sich in Form der Abwehrspannung bei akutem Abdomen äußert. Auch der kuti-viszerale Reflex, bei dem äußere Wärme (z. B. eine Wärmflasche) zur Entspannung gereizter Eingeweide führt, gehört zu dieser gemischten Gruppe.
Frühkindliche Reflexe
Frühkindliche Reflexe sind angeborene Reaktionen, die bei Neugeborenen eine wichtige Rolle spielen, sich jedoch im Laufe der Entwicklung zurückbilden. Sie unterstützen das Baby bei der Nahrungsaufnahme und bieten erste Schutzmechanismen.
Typische Beispiele sind der Greifreflex, bei dem Druck auf die Handinnenfläche das reflexartige Greifen auslöst, sowie der Suchreflex. Letzterer sorgt dafür, dass das Baby bei Berührung des Mundwinkels den Kopf dreht und den Mund öffnet, um die Brust oder Flasche zu finden. Diese verschwinden meist innerhalb der ersten Lebensmonate, wenn das Nervensystem ausreift und bewusste Bewegungen übernimmt.
Erworbene Reflexe
Erworbene Reflexe sind nicht angeboren, sondern entstehen durch Lernen oder Konditionierung. Sie können durch wiederholte Reiz-Reaktions-Kopplungen gebildet und gefestigt werden.
Ein klassisches Beispiel ist der Pawlowsche Hund, bei dem ein Hund darauf konditioniert wurde, auf einen neutralen Reiz (z. B. Glockenton) mit Speichelfluss zu reagieren, weil er diesen mit Futter assoziierte.
Reflex – Klinik
Reflexe sind ein wichtiger diagnostischer Bestandteil der neurologischen Untersuchung. Sie können getestet werden, um Erkrankungen des Nervensystems zu erkennen, insbesondere Störungen der Reflexbögen oder zentrale Nervenschädigungen.
Ein Beispiel für einen pathologischen Reflex ist der Babinski-Reflex, der bei Säuglingen normal, bei Erwachsenen jedoch ein Hinweis auf eine Schädigung des zentralen Nervensystems sein kann.
Die Reflexprüfung erfolgt mit speziellen Instrumenten, darunter ein Reflexhammer (z. B. zur Testung des Patellarsehnenreflexes), Nadel, Pinsel oder Wattestäbchen (z. B. zur Untersuchung von Fremdreflexen).
Mögliche Befunde sind in dieser Hinsicht:
- Areflexie: Fehlende Reflexe
- Hyporeflexie: Verminderte Reflexe
- Normoreflexie: Normale Antwort
- Hyperreflexie: Übersteigerte Reflexe, oft pathologisch
Das Reflexniveau in der neurologischen Untersuchung kann wie folgt angegeben werden:
- ausgefallen
- schwach
- mittellebhaft
- lebhaft
- gesteigert
- Kloni (unwillkürliche rhythmische Zuckungen)
Die Reflexprüfung liefert wertvolle Hinweise auf periphere und zentrale Nervenschädigungen und ist ein fester Bestandteil der neurologischen Diagnostik.
Häufige Fragen
- Was für Reflexe hat der Mensch?
- Was bedeutet es, wenn man keine Reflexe hat?
- Was bedeutet es, wenn die Reflexe gesteigert sind?
- Welche unbedingten Reflexe gibt es?
- Was ist der Moro-Reflex?
Der Mensch besitzt eine Vielzahl an Reflexen, die in unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden können. Dazu gehören Eigenreflexe (z. B. Patellarsehnenreflex), Fremdreflexe (z. B. Rückziehreflex), viszerale Reflexe (z. B. Blasenentleerungsreflex) sowie gemischte Reflexe (z. B. viszero-kutaner Reflex). Zudem gibt es frühkindliche Reflexe, die sich im Laufe der Entwicklung zurückbilden, und erworbene Reflexe, die durch Lernen oder Konditionierung entstehen.
Das Fehlen von Reflexen, auch Areflexie genannt, kann ein Hinweis auf eine Schädigung des peripheren Nervensystems sein. Dies tritt beispielsweise bei Polyneuropathien, Rückenmarksverletzungen oder Erkrankungen wie dem Guillain-Barré-Syndrom auf. Da Reflexe direkte Verbindungen zwischen Nerven und Muskeln widerspiegeln, kann ihr Ausbleiben auf eine Unterbrechung der Signalweiterleitung hinweisen.
Eine Hyperreflexie bedeutet, dass Reflexe übermäßig stark ausfallen, was oft auf eine Schädigung des zentralen Nervensystems hinweist. Dies kann bei Schädigungen des Rückenmarks oder des Gehirns, z. B. durch einen Schlaganfall oder Multiple Sklerose, auftreten. Charakteristisch ist, dass Reflexe intensiver oder länger anhaltend sind und manchmal auch unwillkürliche Muskelzuckungen (Kloni) auftreten.
Unbedingte Reflexe sind angeborene, automatische Reaktionen, die nicht erlernt werden müssen. Dazu gehören Eigenreflexe (z. B. Patellarsehnenreflex), Fremdreflexe (z. B. Rückziehreflex) sowie frühkindliche Reflexe (z. B. Greifreflex oder Suchreflex). Diese Reflexe haben oft eine Schutzfunktion oder unterstützen grundlegende Überlebensmechanismen, wie die Nahrungsaufnahme bei Neugeborenen.
Der Moro-Reflex ist ein frühkindlicher Reflex, der bei Neugeborenen auftritt und sich meist im Laufe der ersten Lebensmonate zurückbildet. Er wird durch eine plötzliche Lageveränderung oder ein lautes Geräusch ausgelöst und zeigt sich durch ein ruckartiges Ausbreiten der Arme mit anschließender Umklammerungsbewegung. Dieser Reflex dient vermutlich dem Schutz des Säuglings und hilft dabei, auf unerwartete Reize zu reagieren.
- Spinale Leitungsbahnen und Reflexe, Amboss, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 19.03.2025)
- Beurteilung des Neugeborenen, viamedici, https://viamedici.thieme.de/... (Abrufdatum: 19.03.2025)