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Bewegungen, Gedanken und auch der Herzschlag beruhen auf blitzschnellen elektrischen Signalen im Körper. Um aber ein solches Signal weiterleiten zu können, muss die Zelle in einem bestimmten Ausgangszustand sein – dem Ruhepotential. Dieses Gleichgewicht bildet die Grundlage der Erregbarkeit von Nervenzellen, Muskelzellen und weiteren Zelltypen. Doch wie entsteht dieses Ruhepotential? Welche Mechanismen sorgen für den Erhalt dieses Potentials und warum ist es für unser gesamtes Nervensystem unabdingbar? Dieser Artikel beleuchtet die Physiologie, Entstehung und Bedeutung des Ruhepotentials, der beteiligten Mechanismen und der klinischen Relevanz.
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Ruhepotential – Definition
Das Ruhepotential beschreibt das Membranpotential einer erregbaren Zelle im Ruhezustand. Es entsteht durch das Aufrechterhalten einer ungleichen Ladungsverteilung von Natrium- und Kaliumionen entlang einer semipermeablen Membran. Es beträgt etwa -70 mV (Millivolt).
Ruhepotential – Physiologie und Entstehung
Das Ruhepotential ist als Membranpotential der beispielsweise erregbaren Nerven- oder Muskelzelle der sogenannte Grundzustand, welcher der Summe aller Diffusionspotenziale der intra- sowie extrazellulär auftretenden Ionen entspricht. Je nach Zelltyp ist das Ruhepotential unterschiedlich groß und liegt zwischen etwa -70 mV bis -90 mV und entspricht mehr oder weniger dem Kalium-Gleichgewichtspotential. Der Ladungsunterschied zwischen der Innen- und Außenseite der Zellmembran ruft dieses Potential hervor, wobei die Innenseite der Zellmembran negativ und die Außenseite positiv geladen ist. Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Konzentrationsangaben der relevanten Ladungsträger, für intra- und extrazellulär. Nicht nur Elektrolyte tragen zur Ladungsverteilung bei, sondern auch, vor allem intrazellulär liegende, negativ geladene Proteine. Die Angaben entsprechen als Beispiel einer idealisierten Nervenzelle.
Ion Konzentration extrazellulär Konzentration intrazellulär Natrium
Kalium
Calcium
Wasserstoff-Ionen (H+)
Chlorid
Protein-Anionen
Aufrechterhaltung und Entstehung
Die Aufrechterhaltung und Entstehung des Ruhepotentials kann durch die verschiedenen strukturelle Mechanismen erklärt werden. Durch das Zusammenwirken dieser Mechanismen entsteht ein stabiles und negatives Membranpotential, welches essenziell für die Erregbarkeit der Zellen ist. Die Brown’sche Molekularbewegung beschreibt, dass sich Moleküle und Ionen zufällig bewegen und eine gleichmäßige Verteilung im Raum anstreben. Diese Diffusion treibt den Ionenaustausch über die Zellmembran an.
Durch die selektive Permeabilität der Zellmembran (semipermeable Membran), lässt diese einige Ionen durch spezifische Ionenkanäle leichter passieren als andere. Sie führt dazu, dass Kaliumionen vergleichsweise leicht durch die Membran diffundieren können, während Natriumionen und große negativ geladene Proteine weitgehend zurückgehalten werden. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die Natriumkanäle normalerweise geschlossen und die Kaliumkanäle offen sind. Der dadurch hervorgebrachte kontinuierliche Ionentransport wird auch Leckstrom (konstanter Transport von Ionen über die Zellmembran von Neuronen) genannt. Die Kaliumionen diffundieren nach außen, und zwar so lange bis ein Gleichgewicht der elektrischen und osmotischen Kräfte entsteht. Sie folgen dazu dem osmotischen Gradienten zwischen hoher intrazellulärer und geringer extrazellulärer Kaliumkonzentration.
Damit das Ruhepotential stabil bleiben kann, gibt es aktive Transportmechanismen, welche gegen die passive Ionendiffusion vorgehen. Dazu gehört die Natrium-Kalium-ATPase, welche unter Energieverbrauch (ATP-Verbrauch) kontinuierlich drei Natrium-Ionen aus der Zelle und zwei Kalium-Ionen in die Zelle pumpt. Somit wird das Konzentrationsgefälle von Natrium und Kalium aufrechterhalten. Weitere zusätzliche Ionenkanäle regulieren ebenfalls den Einstrom und Ausstrom der Ionen. Die unterschiedlichen Ionenkonzentrationen intra- und extrazellulär sind essenziell für die Entstehung des Ruhepotentials. Dazu ist die intrazelluläre Konzentration der Kaliumionen höher als extrazellulär. Die extrazelluläre Natrium-Ionen-Konzentration ist höher als die intrazelluläre Konzentration der Natrium-Ionen.
Wird die Schwelle an einer Nervenfaser durch einen enitreffenden Reiz überschritten, so kommt es zur Öffnung der spannungsabhängigen Kalium- und Natrium-Kanäle, wodurch es zu einer Depolarisation und zur Auslösung eines Aktionspotenzials kommt. Dieses leitet das elektrische Signal dann entlang des Verlaufs der Nervenfaser fort.Aktionspotenzial
Ruhepotential – Bedeutung für die Körperzellen
Das Ruhepotential spielt eine wichtige Rolle in erregbare Zellen, insbesondere in Nervenzellen, Muskelzellen (Skelett-,Herz- und glatte Muskelzellen) und Sinneszellen. Es ist essenziell, um ein stabiles elektrisches Milieu innerhalb der Zelle aufrecht zu erhalten und eine gute Reaktion auf Reize zu ermöglichen. Ohne das Ruhepotential, wäre es den Nervenzellen nicht möglich Signale weiterzuleiten und Muskeln könnten nicht kontrahieren. Lebenswichtige Körperfunktionen wären also beeinträchtigt.
Bedeutung des Ruhepotentials für die Nervenzellen
Das Ruhepotential ist wesentlich für die Erregbarkeit von Nervenzellen. Gäbe es das Spannungsgefälle nicht, so wäre eine Weiterleitung elektrischer Signale unmöglich. Durch spezifische Reize kann es zu einer Depolarisation kommen. Dadurch werden letztlich Aktionspotenziale ausgelöst, die die Signalweiterleitung zwischen Zellen ermöglichen.
Ruhepotential in anderen Zelltypen
Neben den Nervenzellen besitzen auch andere Zelltypen ein Ruhepotenzial, dazu gehören folgende Zelltypen:
- Muskelzellen: Das Ruhepotential der Muskelzellen liegt bei etwa -90 mV und ist entscheidend für die Kontraktionsfähigkeit.
- Herzmuskelzellen: Sie besitzen ein stabiles Ruhepotential, welches wichtig für die koordinierte Erregungsweiterleitung des Herzens ist.
Veränderungen des Ruhepotentials und ihre Folgen
Kommt es zu Abweichungen vom normalen Ruhepotential, kann es zu schwerwiegenden Folgen für die Zellfunktion kommen. Beispielsweise kann es zur Hyperpolarisation kommen. Dies tritt auf, wenn das Membranpotenzial negativer als das Ruhepotenzial ist, was aufgrund von einem verstärkten Kaliumausstrom oder Chlorideinstrom geschehen kann.
Bei der Depolarisation wird das Membranpotenzial positiver und es steigt die Wahrscheinlichkeit eines Aktionspotentials. Kommt es zu Störungen dieses Mechanismus, kann es zu Übererregbarkeit kommen, wie es bei bestimmten neurologischen Erkrankungen der Fall ist.
Ruhepotential – Klinische Relevanz
Ein gestörtes Ruhepotenzial kann zu verschiedene pathologische Bildern führen. Es kann zu einer erniedrigten Kaliumkonzentration im Blut kommen, zur sogenannten Hypokaliämie. Dies würde in einer Hyperpolarisation resultieren, wodurch die Nervenzellen weniger erregbar wären und es zu Lähmungen kommen kann. Eine Hyperkaliämie kann zu einer Depolarisation führen und die Erregbarkeit der Zellen übermäßig steigern, was Herzrhythmusstörungen und Muskelkrämpfe zur Folge haben kann. Neurologische Krankheiten wie Epilepsie können mit gestörten Membranpotenzialen verbunden sein, da die übermäßige Erregbarkeit der Nervenzellen zu unkontrollierten Entladungen führt.
Messung des Ruhepotentials
Das Ruhepotential kann durch Mikroelektroden experimentell an lebenden Zellen gemessen werden. Die Messelektrode wird durch die Zellmembran in den Intrazellukärraum eingestochen und eine zweite sogenannte Bezugselektrode wird von außen an die Zelle gehalten. Diese Technik erlaubt, die Spannungsverhältnisse innerhalb und außerhalb der Zelle direkt zu ermitteln. Zudem lassen sich so Veränderungen des Membranpotenzials beobachten. Das Innere der Zelle ist negativ geladen, dies bedeutet also es wird eine negative Spannung gemessen. Da sich die Werte je nach Zelltyp unterscheiden, kann man Schwankungen zwischen -100 mV und -50 mV feststellen.
In den 1930er Jahren wurde ein Riesenaxon eines Tintenfisches (Kalmar) als erstes Modell für die Erforschung des Membranpotentials verwendet. Die Axone der Tintenfische haben eine außergewöhnliche Größe und war deshalb ideal für elektrophysiologische Messungen und die ersten Grundlagenlieferungen zum Verständnis der Nervensignalübertragung.Kalmar-Riesenaxon
Häufige Fragen
- Was ist das Ruhepotential?
- Warum ist das Ruhepotential negativ?
- Welche Rolle spielt die Natrium-Kalium-Pumpe?
- Was passiert, wenn das Ruhepotential gestört wird?
Das Ruhepotential ist die elektrische Spannung, die zwischen der Innen- und Außenseite einer unerregten Zellmembran vorliegt. Es beträgt in den meisten Nervenzellen etwa -70 mV und entsteht durch die ungleiche Verteilung von Ionen sowie die selektive Durchlässigkeit der Zellmembran.
Das Innere der Zelle ist im Vergleich zur Außenseite negativ geladen, weil Kalium-Ionen durch spezielle Kanäle aus der Zelle heraus diffundieren, während große negativ geladene Proteine (Anionen) in der Zelle verbleiben. Die Natrium-Kalium-Pumpe sorgt zudem dafür, dass mehr Natrium-Ionen nach außen als Kalium-Ionen nach innen transportiert werden, was das negative Potential verstärkt.
Die Natrium-Kalium-Pumpe hält das Ruhepotential aufrecht, indem sie drei Natriumionen aus der Zelle und zwei Kaliumionen in die Zelle pumpt. Dieser aktive Transport verhindert, dass sich die Ionenverteilung ausgleicht und das Ruhepotential verloren geht.
Eine Veränderung des Ruhepotentials kann zu einer spontanen Erregung der Zelle oder einer Beeinträchtigung der Signalweiterleitung führen. Dies kann durch Ionenkanalstörungen oder einen Mangel and Kalium oder Natrium bedingt sein.
- Schmidt et al. (Hrsg.): Physiologie des Menschen: mit Pathophysiologie. 31. Auflage Springer2010
- Ruhe- und Aktionspotenzial, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum 16.02.2025)