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Die Scheidenflora, auch Vaginalflora, bezeichnet das natürliche Gleichgewicht von Mikroorganismen in der Vagina, das für die Gesundheit des Intimbereichs essenziell ist. Dieses empfindliche Gleichgewicht kann jedoch durch Faktoren wie hormonelle Schwankungen, Stress oder die Einnahme von Antibiotika gestört werden. Eine intakte Scheidenflora ist entscheidend für den Schutz vor bakteriellen Infektionen und Pilzerkrankungen sowie für das allgemeine Wohlbefinden. Dieser Artikel informiert ausführlich über die Zusammensetzung der Flora und die klinische Relevanz.
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Scheidenflora – Definition
Die Scheidenflora, auch als Vaginalflora bezeichnet, ist die natürliche mikrobielle Besiedlung der weiblichen Vagina, die hauptsächlich aus Milchsäurebakterien (Laktobazillen) besteht. Diese Bakterien erzeugen ein saures Milieu, das vor pathogenen Keimen schützt.
Scheidenflora – Funktion und Zusammensetzung
Die Zusammensetzung der Scheidenflora variiert je nach Lebensphase der Frau und individuellen Faktoren und die Scheidenflora etabliert sich mit dem Beginn der Menarche. Zudem hängen die Mikroorganismen auch von der ethnischen Herkunft der Person ab. Bei geschlechtsreifen Frauen dominieren Laktobazillen, insbesondere die Arten Lactobacillus crispatus, Lactobacillus gasseri, Lactobacillus iners und Lactobacillus jensenii. Diese Bakterien fermentieren Glykogen, das von den Epithelzellen der Vagina produziert wird, zu Milchsäure, wodurch ein pH-Wert zwischen 3,8 und 4,4, teilweise auch 5,2, aufrechterhalten wird. Dieses saure Milieu hemmt das Wachstum vieler pathogener Keime.
Neben Laktobazillen können auch andere Mikroorganismen in geringer Zahl in der Vagina vorhanden sein, darunter anaerobe Bakterien wie Bacteroides und Prevotella, sowie Hefepilze wie Candida albicans. Die Präsenz dieser Mikroorganismen in niedrigen Konzentrationen gilt als normal und stellt in der Regel kein Gesundheitsrisiko dar.
Der Einfluss der Ethnie auf die Zusammensetzung der Scheidenflora ist ein bemerkenswerter Aspekt, der in verschiedenen Studien untersucht wurde. Forschungsergebnisse zeigen, dass die Prävalenz bestimmter Lactobacillus-Arten je nach ethnischer Zugehörigkeit variiert. Beispielsweise haben afroamerikanische Frauen im Vergleich zu europäischen oder asiatischen Frauen häufiger eine geringere Dominanz von Lactobacillus-Arten und eine höhere Diversität anderer anaerober Bakterien. Diese Unterschiede können das Risiko für vaginale Infektionen beeinflussen und hängen vermutlich mit genetischen, hormonellen und umweltbedingten Faktoren zusammen. Solche Erkenntnisse sind entscheidend für die Entwicklung individueller Präventions- und Behandlungskonzepte.Ethnische Unterschiede
Die Scheidenflora wird zusammenfassend durch eine residente und transiente Mischflora charakterisiert, deren Zusammensetzung stark vom hormonellen Milieu und der sexuellen Aktivität abhängt. Die Mikroorganismen interagieren in synergistischer und antagonistischer Weise und formen dabei komplexe Keimkonsortien in Form von Biofilmen. Diese mikrobiologischen Strukturen regulieren sich selbst und beeinflussen gleichzeitig den Wirt. Ein Verlust einzelner Komponenten des mikroökologischen Systems führt zur Dysbiose, was pathogene Prozesse begünstigen kann.
Funktion
Die Hauptfunktion der Scheidenflora besteht im Schutz vor Infektionen. Laktobazillen tragen durch die Produktion von Milchsäure zur Aufrechterhaltung eines sauren pH-Werts bei, der das Wachstum pathogener Mikroorganismen hemmt. Einige Laktobazillen produzieren zudem antimikrobielle Substanzen wie Wasserstoffperoxid, die zusätzlich gegen pathogene Keime wirken. Ein weiterer Aspekt ist der zur Verfügung stehende Raum, denn die physiologische Flora lässt kaum Platz für pathogene Keime, denen somit schon zu Beginn ein verkleinerter Lebensraum zur Verfügung steht.
Darüber hinaus spielen Laktobazillen eine Rolle bei der Modulation des lokalen Immunsystems. Sie können die Produktion von Zytokinen beeinflussen und somit die Immunantwort der Vaginalschleimhaut stärken. Ein stabiles mikrobielles Gleichgewicht in der Vagina ist daher essenziell für die Prävention von Infektionen und die Aufrechterhaltung der vaginalen Gesundheit.
Scheidenflora – Einflussfaktoren
Für das klinische Verständnis der Erkrankungen ist zunächst eine Definition von Eubiose und Dysbiose notwendig.
Unter Eubiose versteht man ein stabiles mikrobielles Gleichgewicht in der Scheidenflora, bei dem nützliche Mikroorganismen – insbesondere Laktobazillen – dominieren und ein saures Milieu schaffen. Dieses Gleichgewicht schützt die Vaginalschleimhaut vor pathogenen Keimen und fördert die lokale Immunabwehr und erfüllt damit seine Funktion.
Im Gegensatz dazu beschreibt Dysbiose eine Störung dieses Gleichgewichts, bei der schädliche Mikroorganismen überwiegen. Sie verdrängen die physiologische Besiedlung und können sich im Verlauf weiter ausbreiten, was häufig zu Infektionen und weiteren gesundheitlichen Problemen im Intimbereich führt.
Die Scheidenflora ist ein dynamisches System, das durch zahlreiche innere und äußere Einflüsse beeinflusst wird. Zu den wichtigsten Einflussfaktoren zählen hormonelle Einflüsse, Stress, Antibiotika, die Intimhygiene und die sexuelle Aktivität.
Hormonelle Schwankungen
Während der geschlechtsreifen Phase fördern Östrogene die Einlagerung von Glykogen in den Epithelzellen der Vaginalschleimhaut. Laktobazillen nutzen Glykogen als Substrat für die Milchsäureproduktion, wodurch der pH-Wert der Vagina im sauren Bereich bleibt (pH 3,8–4,5). Dieses saure Milieu hemmt das Wachstum pathogener Keime, weshalb man auch von einem Säureschutzmantel spricht.
In der Schwangerschaft erhöht der hohe Östrogenspiegel die Anzahl der Laktobazillen und bietet zusätzlichen Schutz vor Infektionen. Gleichzeitig steigt durch die veränderte Anatomie das Risiko für mechanische Dysbiosen.
Mit dem Rückgang der Östrogenproduktion in der Menopause nimmt die Glykogenverfügbarkeit ab, was zu einer Reduktion der Laktobazillen führt. Der vaginale pH-Wert steigt, wodurch pathogene Keime leichter gedeihen können.
Antibiotika
Antibiotika wirken nicht selektiv und können sowohl pathogene als auch nützliche Mikroorganismen der Scheidenflora eliminieren:
Breitbandantibiotika greifen häufig die residente Laktobazillen-Population an, wodurch opportunistische Erreger wie Candida albicans oder anaerobe Bakterien die Oberhand gewinnen können. Wiederholte Antibiotikabehandlungen können zu rezidivierenden Infektionen führen, da sich die Laktobazillen-Population nicht vollständig regeneriert.
Übertriebene Intimhygiene
Hygieneverhalten spielt eine zentrale Rolle für die Scheidenflora, kann jedoch auch schädlich sein, wenn übertriebene Maßnahmen ergriffen werden:
Aggressive Reinigungsmittel, etwa Produkte mit Parfüm, Seifen oder antibakteriellen Wirkstoffen, zerstören das saure Milieu der Vagina und fördern Dysbiosen. Studien zeigen außerdem, dass häufige Vaginalspülungen die Laktobazillen-Dichte reduzieren und das Risiko für bakterielle Vaginose erhöhen. Eine langes Tragen von Tampons kann das mikroklimatische Milieu verändern und das Wachstum von Keimen wie Staphylococcus aureus begünstigen, was in seltenen Fällen zum Toxischen Schocksyndrom führen kann.
Sexuelle Aktivität
Sexuelle Aktivität beeinflusst die Scheidenflora sowohl direkt als auch indirekt:
Der alkalische pH-Wert von Sperma hebt das saure Milieu der Vagina vorübergehend an, wodurch das Wachstum pathogener Mikroorganismen begünstigt werden kann. Auch ein häufiger Partnerwechsel erhöht das Risiko für Dysbiosen und sexuell übertragbare Infektionen, da fremde Keime in die Scheidenflora eingebracht werden können. Einige Gleitmittel und Latexprodukte können die Vaginalschleimhaut zusätzlich reizen oder den pH-Wert beeinflussen, was Dysbiosen fördern kann.
Stress und Immunsystem
Stress beeinflusst die Scheidenflora über neuroendokrine und immunologische Mechanismen:
Chronischer Stress erhöht die Produktion von Cortisol, was die Immunabwehr schwächt und die Anfälligkeit für Infektionen erhöht. Eine geschwächte Immunabwehr wiederum begünstigt das Wachstum pathogener Mikroorganismen, da die Schutzfunktion der Vaginalschleimhaut reduziert ist.
Fremdkörper und medizinische Eingriffe
Frauen mit Kupferspiralen haben ein erhöhtes Risiko für bakterielle Vaginose, da das IUP (Intrauterinpessare) als Fremdkörper eine Veränderung der mikrobiellen Balance begünstigen kann. Vaginale oder geburtshilfliche Eingriffe können zusätzlich das vaginale Milieu mechanisch stören und das Risiko für Infektionen erhöhen.
Scheidenflora – Erkrankungen
Gerät das Mikrobiom der Vagina aus dem Gleichgewicht, können sich pathogene Keime vermehren und zu verschiedenen Erkrankungen führen.
Ein erstes Beispiel hierfür ist die bakterielle Vaginose. Eine Reduktion der Laktobazillen führt zu einer Überwucherung anaerober, pathogener Bakterien wie Gardnerella vaginalis, Prevotella und Mobiluncus. Symptomatisch tritt typischerweise vermehrter, unangenehm fischig riechender Ausfluss, Juckreiz und Brennen auf. Oft bleibt die bakterielle Vaginose jedoch asymptomatisch
Die Diagnose erfolgt über den sogenannten Amintest (fischiger Geruch nach Zugabe von Kalilauge), den Nachweis von Clue Cells im Nativpräparat oder die Messung eines erhöhten vaginalen pH-Werts (>4,5). Die Therapie erfolgt meist mit Antibiotika wie Metronidazol oder Clindamycin, die die anaeroben Keime reduzieren. Probiotika können unterstützend eingesetzt werden, um die Laktobazillen wiederherzustellen. Eine unbehandelte bakterielle Vaginose kann das Risiko für Frühgeburten, postpartale Infektionen und sexuell übertragbare Krankheiten erhöhen.
Eine weitere Erkrankung der Scheidenflora ist die vaginale Pilzinfektion (Vulvovaginale Candidose). Sie wird durch Überwucherung von Hefepilzen, meist Candida albicans, verursacht und oft begünstigt durch Antibiotikatherapie, Diabetes oder ein geschwächtes Immunsystem. Patientinnen präsentieren sich häufig mit einem starken Juckreiz, Rötung, Schwellung der Vulva sowie einem weißlich-krümeligem Ausfluss.
Die Diagnose wird durch die mikroskopische Untersuchung eines Vaginalabstrichs (Nachweis von Hefezellen) oder eine Pilzkultur bestätigt. Lokale Antimykotika (z. B. Clotrimazol) oder systemische Antimykotika (z. B. Fluconazol) werden therapeutisch eingesetzt. Probiotika auch hier unterstützend eingesetzt werden. Chronische oder rezidivierende Infektionen können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und erfordern oft eine längere Therapie.
Risiko für STIs
Zudem besteht bei einer Dysbalance der Flora ein erhöhtes Risiko für sexuell übertragbare Infektionen (sexually transmitted infections, STIs). Eine gestörte Scheidenflora (Dysbiose) erhöht die Anfälligkeit für Infektionen wie Chlamydien, Gonorrhoe oder HIV, da die natürliche Barrierefunktion des sauren Milieus verloren geht. Die Symptome variieren je nach Infektion, von Ausfluss und Brennen bis hin zu asymptomatischen Verläufen. Laboruntersuchungen wie PCR-Tests oder Kulturen werden zur Diagnose verwendet.
Für die Therapie werden Antibiotika oder antivirale Medikamente eingesetzt, abhängig vom Erreger. Die gleichzeitige Behandlung von Sexualpartnern ist wichtig, um eine erneute Infektion zu verhindern. Unbehandelte Infektionen können zu Unfruchtbarkeit, chronischen Schmerzen oder erhöhtem HIV-Risiko führen.
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