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Sekretin gehört zu den regulierenden Hormonen im Magen-Darm-Trakt. Gemeinsam mit weiteren Peptiden spielt es eine wesentliche Rolle für eine effiziente Verarbeitung der zugeführten Nahrung. Dieser Artikel erklärt die Wirkweise des Hormons und diskutiert aktuelle sowie potentielle künftige Einsatzbereiche für das Hormon in der medizinischen Diagnostik und Therapie.
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Sekretin – Definition
Das Hormon Sekretin zählt zur Gruppe der Peptidhormone des Verdauungstraktes. Seine Aufgabe ist die Einleitung der Nahrungsaufspaltung im oberen Dünndarm. Zu diesem Zweck wird es unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme von den Sekretin-synthetisierenden S-Zellen des Zwölffingerdarms (Duodenum) und des oberen Dünndarms (Jejunum) ausgeschüttet.
Es gibt drei grundlegende Reize für die Sekretinfreisetzung. Dies sind einerseits mechanische Dehnungen am Übergang vom Magen zum Zwölffingerdarm, weiterhin das Absinken des lokalen pH-Wertes unter eine Grenze von 4,5 durch den Übertritt der Magensäure in das Darmlumen und schließlich die Ankunft von Protein-Abbauprodukten im Dünndarm, die als Folge der Nahrungsaufspaltung im Magen anfallen.
Das Hormon gelangt nach seiner Freisetzung in den Pfortaderkreislauf und wird von diesem dem großen Blutkreislauf zugeführt. Somit kann es neben den Verdauungsorganen auch weiter entfernte Körperregionen wie das Gehirn erreichen und beeinflussen.
Das Hormon Somatostatin ist der einzige Gegenspieler im menschlichen Körper, der die Sekretinfreisetzung hemmt.
Sekretin – Wirkung und Funktion
Die Ausschüttung von Sekretin regt die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) zu einer Steigerung der Wasser- und Bicarbonatabgabe in den Dünndarm ab. Dies sorgt dafür, dass der Speisebrei gut durchmischt wird und dessen pH-Wert wieder ansteigt. Neben dem Schutz der Darmwand vor der Magensäure führt dies vor allem zu einer idealen Vorbereitung der anschließenden Aufspaltung und Aufbereitung der zugeführten Nahrung. Auch einige Dünndarmdrüsen, die Brunner-Drüsen, geben als Reaktion auf ansteigende Sekretinspiegel vermehrt Sekrete ab.
Weitere Effekte sind eine Verlangsamung der Magen-Darm-Passage, was dem Verdauungstrakt mehr Zeit zur Nährstoffaufnahme bietet, und eine Hemmung der Magensäurefreisetzung durch eine Unterdrückung von Gastrin.
Herz-Kreislauf-System
Während die Wirkung von Sekretin auf den Verdauungstrakt gut untersucht ist, sind direkte Effekte des Hormons auf das Herz-Kreislauf-System bislang nicht bekannt. Indirekt beeinflusst es jedoch die Blutversorgung des Körpers und auch die Herzfunktion. Denn durch die Förderung der Verdauungsprozesse begünstigt es die Umlenkung eines großen Teils des Blutvolumens in den Verdauungstrakt und sorgt zeitgleich dafür, dass ein Gefühl von Müdigkeit nach dem Essen einsetzt. Dies geht wiederum mit einer Beschleunigung des Herzschlags bei gleichzeitiger Reduktion des Blutdrucks einher.
Zentrales Nervensystem
Auch die Wirkung des Hormons im Zentralen Nervensystem ist noch nicht vollumfänglich verstanden und Gegenstand aktueller Forschungen. Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer Studie der Arbeitsgruppe des Lehrstuhls für Molekulare Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München. Diese hatte bei der Untersuchung der Sekretin-Effekte festgestellt, dass das Hormon an der Ausbildung des Sättigungsgefühls nach der Nahrungsaufnahme beteiligt ist. Sollten sich diese Beobachtungen in weiteren Untersuchungen bestätigen, könnte sich Sekretin künftig als Therapeutikum zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas etablieren.
Glatte Muskulatur
Sekretin entspannt die glatte Muskulatur im Verdauungstrakt. In der Folge verlangsamt sich die Magen-Darm-Passage, was die Verdauungsvorgänge unterstützt. Im Herz-Kreislauf-System führt der Einfluss des Hormons zu einem Absinken des Blutdrucks. Dieser Effekt resultiert ebenfalls auf einer Entspannung glatter Muskelzellen, die an der Ummantelung der Blutgefäße beteiligt sind. Darüber hinaus gehende Einflüsse des Hormons auf die glatte Muskulatur anderer Organsysteme sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt.
Einsatz von Sekretin zur medizinischen Diagnostik
Sekretin eignet sich zum Nachweis einer fehlregulierten Hormonbildung im Verdauungstrakt. So führt beim Sekretin-Gastrin-Test (auch „Sekretin-Provokationstest“) die Gabe von Sekretin bei Patienten mit gastrinbildenden Tumoren zu einer pardoxen Steigerung der Gastrinfreisetzung, während bei Gesunden der Gastrinspiegel absinkt. Beim Sekretin-Cholezystokinin-Test (auch „Sekretin-CCK-Test“, „Sekretin-Caerulein-Test“ oder veraltet „Sekretin-Pankreozymin-Test“) wird Sekretin mittels Sonde in den Zwölffingerdarm eingebracht und die reaktive Sekret- und Bicarbonatausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse vor Ort gemessen. Dieser Test kann einen Ausfall der Bauchspeicheldrüsen-Funktion nachweisen.
Mobilisierung von Energiereserven
Studiendaten deuten darauf hin, dass Sekretin den Stoffwechsel des braunen Fettgewebes steigert und dabei dessen Energieverbrauch erhöht. Damit begünstigt es die Mobilisierung der körpereigenen Reserven. Gleichzeitig kann der Körper auf der anderen Seite durch eine gesteigerte Nährstoffaufnahme neue Vorräte für die Depots bilden. In Verbindung mit der vermuteten Förderung des Sättigungsgefühls könnte es dazu beitragen, eine angestrebte Gewichtsabnahme zu erleichtern.
Sonstige Effekte
Weitere Effekte von Sekretin sind derzeit nicht bekannt. Es gibt jedoch immer wieder neue Ansätze, Sekretin in Studien zu untersuchen, sodass die Zukunft weitere Erkenntnisse bringen kann.
Sekretin – Abbau
Sekretin hat nur eine kurze Halbwertszeit von wenigen Minuten im Blut. Hiernach erfolgt der Abbau des Hormons durch enzymatische Spaltung. Anschließend scheiden die Nieren die Abbauprodukte mit dem Urin aus. In der Regel normalisieren sich die Blutspiegel des Gastrins innerhalb von einer Stunde nach Ende der Nahrungsaufnahme.
Häufige Fragen
- Was ist die Wirkung von Sekretin?
- Was erhöht den Sekretin-Spiegel?
- Was passiert, wenn der Körper zu viel Sekretin hat?
- Wann wird Sekretin ausgeschüttet?
Sekretin regt die Bauchspeicheldrüse und weitere Verdauungsorgane zur Abgabe von Sekret und Bicarbonat in den Speisebrei an. Gleichzeitig hemmt es die Magensäurebildung durch Unterdrückung der Gastrinsynthese und verlangsamt die peristaltische Bewegung im Verdauungstrakt. Somit hilft das Hormon, im Dünndarm optimale Bedingungen für die Spaltung und Verarbeitung der aufgenommenen Nahrung zu schaffen.
Reize für eine Erhöhung der Sekretinspiegel sind der Übertritt von Magensäure in den Dünndarm und ein Absinken des dortigen pH-Wertes, eine Anhäufung von Proteinbestandteilen im Zwölffingerdarm und die mechanische Aufweitung des oberen Verdauungstraktes durch den Speisebrei.
Erkrankungen mit erhöhter Sekretinbildung sind sehr selten. Es handelt sich dabei in der Regel um Tumoren der Bauchspeicheldrüse. Ein Überschuss an Sekretin äußert sich durch eine übermäßige Bicarbonatbildung im Verdauungstrakt und eine vermehrte Sekretzugabe zum Speisebrei. Die Folge sind Durchfälle und Entgleisungen der Blutsalze (Elektrolyte).
Sekretin wird akut ausgeschüttet, wenn die genannten Reize im oberen Dünndarm das entsprechende Signal auslösen. Durch seine sehr kurze Halbwertszeit im Blut kann das Hormon die Verdauungsvorgänge gezielt steuern und ideal an die Nahrungsaufnahme anpassen.
- Stehle, P. et. al., Funktionen des Gastrointestinaltraktes. In: Einführung in die Humanernährung (Springer Spektrum, 2024)
- Gressner A. M. et. al., Sekretin. In: Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik (Springer, 3. Auflage, 2019)
- Li, Y. et al., Secretin-activated brown fat mediates prandial thermogenesis to induce satiation. In: Cell (Elsevier, 6. Ausgabe, 2018)