Inhaltsverzeichnis
Das Steißbein wird häufig im Zusammenhang mit dem Kreuzbein genannt und in seiner Bedeutung eher vernachlässigt. Wie wichtig es ist, fällt häufig erst bei Beschwerden und Schmerzen auf. Was genau das Steißbein ist, welche Funktionen es als unterster Teil der Wirbelsäule erfüllt und was die häufigsten Patientenleiden in seinem Zusammenhang sind, erklärt der folgende Artikel.
Inhaltsverzeichnis
Steißbein – Definition
Das Steißbein (auch: der Steiß, Latein: Os coccygis) ist der kaudalste, also „unterste“ Teil der Wirbelsäule und besteht aus drei bis vier verschmolzenen Wirbeln, die meist völlig zurückgebildet sind. Es formt eine Sakralkyphose, also eine Krümmung nach ventral (zum Bauch hin), die am Abfedern von Bewegungen beim Aufrechten Gang des Menschen beteiligt ist. Obwohl die willkürliche Bewegung des Steißes beim Menschen – im Gegensatz zum Schwanz vieler Tierarten – nicht möglich ist, erfüllt der Knochen dennoch wichtige Funktionen im Körper: Er dient als Ansatzpunkt für wichtige Strukturen im Becken. Darüber hinaus ist seine Beweglichkeit wichtig bei Schwangerschaft und Geburt.
Steißbein – Anatomie und Lage
Bei den drei bis fünf Wirbeln (Vertebrae coccygae), die schon während der embryonalen Entwicklung zum Steißbein verschmelzen, handelt es sich um rudimentäre Anlagen, bei denen sich – im Gegensatz zu den verschmolzenen Wirbeln des Kreuzbeins – keine charakteristischen Strukturen eines Wirbelkörpers erkennen lassen.
Nur beim kranialsten Wirbel lassen sich noch einige Überreste von den typischen Wirbelkörper-Bauteilen erkennen: Zum sich ihm anschließenden Kreuzbein und zu der beide Strukturen verbindenden Art. sacrococcygea hin besitzt er ähnlich den kranialen Gelenkfortsätzen anderer Wirbelkörper zwei kleine Cornua coccygea. Auch Querfortsätze (Procc. transversus) lassen sich bei ihm finden.
Steißbein – Aufgaben und Funktion
Als Ansatzpunkt für das Lig. sacrococcygeus anterius und das Lig. sacrococcygeus posterius, die die knorpelhafte Verbindung zwischen Kreuz- und Steißbein stärken, ist der Knochen insgesamt an der Stabilisierung des Beckens beteiligt. Wirklich wichtig wird seine Funktion in der Schwangerschaft, genauer gesagt bei der Geburt. Bereits während der Schwangerschaft wird vom Gelbkörper und der Plazenta das Proteohormon Relaxin produziert, dass die Beckenbodenmuskulatur lockert und die Beweglichkeit des Beckengürtels steigert – auch die des Steißes. Dieser wird während des Geburtsvorgangs passiv nach dorsal gedrückt, was eine Weitung des Geburtskanals ermöglicht.
Klinik: Das Steißbein in der Gynäkologie
Der Steiß hat gleich mehrere Bedeutungen in der Gynäkologie, vor allem bei Schwangerschaften:
- Die Pelvimetrie ist eine Methodik, bei der anhand der Beckenmaße eventuelle Probleme beim Geburtsvorgang im Vorhinein erkannt werden können. Das Becken wird hierfür durch vaginale Sonografie vermessen. Ein wichtiger Diameter ist dabei die sogenannte Beckenausgangsebene, der Abstand zwischen der Spitze des Steißbeins und dem Symphysenunterrand. Bei Frauen beträgt der Abstand physiologisch etwa neun Zentimeter, die durch Bewegung des Steißes um zwei Zentimeter erweitert werden können.
- Bei Ultraschalluntersuchungen von Feten kann anhand der Scheitel-Steiß-Länge (SSL) ab der 9. Entwicklungswoche eine Aussage über das Alter des Feten getroffen werden. Ist das Alter bekannt, kann man das Wachstum beurteilen.
Steißbein – Schmerzen, Verletzungen und Erkrankungen
Beschwerden am Steißbein können die unterschiedlichsten Ursachen haben. Eine Überlastung, Verspannung oder Reizung können Schmerzen (eine sogenannte Coccygodynie) auslösen. Bei der Geburt können die Bänder überdehnen oder sogar reißen. Die häufigsten Verletzungen am Steiß sind Brüche oder Luxationen. Alle Informationen zu den wichtigsten Ursachen für Steißbeinschmerzen liefern die folgenden Abschnitte.
Steißbeinfistel
Bei der auf Deutsch gerne als Steißbeinfistel bezeichneten Erkrankung handelt es sich um eine Entzündung der Gesäßfalte (Rima ani), die durch den Fachbegriff Sinus pilonidalis beschrieben wird. Sie kann als Ursachen beispielsweise Adipositas, Acne inversa oder langes Sitzen haben. Mit dem Steißbein an sich hat diese Erkrankung nichts zu tun, weswegen die deutsche Bezeichnung eher missverständlich ist.
Steißbeinbruch
Ein Steißbeinbruch ist sehr schmerzhaft und wird von Patienten/-innen häufig als einschießender Schmerz, der bis in den Kopf gehen kann, wahrgenommen. Ein Bruch kann bei Unfällen – etwa einem Sturz auf das Steißbein – Tritten oder bei der Geburt vorkommen. Nach der eigentlichen Verletzung nehmen Patienten/-innen die Fraktur vor allem durch Schmerzen beim Sitzen wahr. Von anderen Beschwerden lässt sich die Verletzung anhand einer schmerzhaften Beweglichkeit während rektaler Untersuchungen unterscheiden.
Steißbeinluxation
Luxationen des Steißbeins können, genau wie ein Bruch, traumatische Ursachen haben. Auch eine langanhaltende Falschbelastung kann eine Luxation zur Folge haben. Diese kann dabei sofort oder Jahre später auftreten. Bis dahin haben Patienten/-innen häufig andere Kompensationsmechanismen entwickelt, um sich bei Schmerzen zu entlasten. Diese können jedoch wiederum andere Beschwerden auslösen. Auch hier erfolgt die Untersuchung des Steißes rektal.
Häufige Fragen
- Welche Übungen bei Schmerzen am Steißbein?
- Was tun bei Steißbein-Schmerzen in der Schwangerschaft?
- Wie bekommt man eine Entzündung am Steißbein?
- Wie entsteht eine Fistel am Steißbein?
Ob und welche Übungen gegen Schmerzen am Steißbein helfen können, hängt stark von der Ursache der Schmerzen ab. Generell gilt aber, dass vieles und häufiges Sitzen die Schmerzen eher verstärkt. Meist kann also Aufstehen und die Lockerung des Steißes bei Schmerzen helfen, zum Beispiel durch spezielle Dehnübungen oder die Massage mit einer Faszienrolle.
Steißbein-Schmerzen in der Schwangerschaft können durch die gelockerte Gelenkverbindung zwischen Steiß- und Kreuzbein entstehen und sind sehr unangenehm. Hier hilft es am meisten, möglichst wenig zu sitzen und den Steiß damit zu entlasten. Bei der Entlastung kann auch ein spezielles Kissen helfen. Ansonsten können einfach Dehnübungen das Mittel der Wahl sein.
Mit einer Steißbeinentzündung reagiert die Knochenhaut auf eine Überlastung, die meist über einen langen Zeitraum hinweg anhält. Gründe können eine vorher vorhandene Steißbein-Luxation, vieles Sitzen oder generell wenig Bewegung sein. Die Entzündung äußert sich in Schmerzen um die Steißbein-Wirbel herum, vor allem beim Sitzen.
Eine Steißbeinfistel hat genaugenommen nichts mit dem eigentlichen Knochen zu tun, sondern tritt an der Rima ani, der Gesäßfalte, auf. Die entzündliche Veränderung der Haut kann viele unterschiedliche Ursachen haben. Klassisch als Gründe sind beispielsweise Adipositas oder Acne inversa. Auch körperliche Voraussetzungen wie ein besonders starker Haarwuchs oder eine verstärkte Schweißproduktion können zu Steißbeinfisteln führen. Generell erhöht vieles Sitzen die Wahrscheinlichkeit einer Fistel.
- Schünke, Prometheus LernAtlas – Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem, Thieme (Verlag), 6. Auflage, 2022
- Platzer, Taschenatlas Anatomie, Band 1: Bewegungsapparat, Thieme (Verlag), 12. Auflage, 2018
- Brand-Saberi, Kurzlehrbuch Embryologie, Thieme (Verlag), 4. Auflage, 2022
- Königshoff, Kurzlehrbuch Biochemie, Thieme (Verlag), 4. Auflage, 2018
- Sailer, Referenz Allgemein- und Viszeralchirurgie, Thieme (Verlag), 1. Auflage, 2021
- Niethard, Duale Reihe Orthopädie und Unfallchirurgie, Thieme (Verlag), 9. Auflage, 2022