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Der Thymus ist ein kleines Organ des menschlichen Immunsystems, das sich im oberen Brustbereich befindet. Trotz seiner bescheidenen Größe spielt er eine zentrale Rolle in der Reifung und Funktion der T-Lymphozyten, die entscheidend für die Abwehr von Infektionen und die Aufrechterhaltung der Immunüberwachung sind. Während seiner maximalen Aktivität in der Kindheit und Jugend bildet der Thymus das Rückgrat der adaptiven Immunantwort. Mit zunehmendem Alter durchläuft er einen natürlichen Schrumpfungsprozess, die sogenannte Thymusinvolution, was seine Funktionalität verändert. Dieser Artikel beleuchtet die Struktur, Funktion und Bedeutung des Thymus sowie die verschiedenen Erkrankungen, die dieses wichtige Organ betreffen können.
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Thymus – Definition
Der Thymus (Bries) ist ein Organ des lymphatischen Systems, das hinter dem Brustbein (Sternum) liegt und vor allem bei Kindern gut entwickelt ist. Er spielt eine zentrale Rolle im Immunsystem, indem er T-Lymphozyten (T-Zellen) reifen lässt. Diese Zellen sind für die adaptive Immunantwort wichtig, da sie lernen, zwischen körpereigenen und fremden Zellen zu unterscheiden.
Thymus – Anatomie und Aufbau
Der primär im oberen Mediastinum liegende Thymus gehört – wie auch das Knochenmark – zu den primären lymphatischen Organen, da er an der Lymphozytenreifung mitbeteiligen ist. Die Drüse liegt hinter dem Sternum (vor allem dem oberen Teil des Corpus sowie dem Manubrium) und vor den großen Gefäßen – Aorta ascendes, V. cava superior, Vv. brachiocephalicae und Truncus pulmonalis. Seine zwei Lappen (Lobi) bilden auf die Körperoberfläche projiziert ein Dreieck mit der Spitze nach unten (Trigonum thymicum), das in der Mitte zwischen den Projektionen der Pleurahöhlen liegt. Tatsächlich wird das in einer Bindegewebshülle liegende Organ von der Pleura mediastinalis seitlich begrenzt. Kaudal liegt der Herzbeutel und der N. phrenicus.
Die asymmetrischen Lappen des Bries verjüngen sind nach kaudal in die Hörner (Cornua). An den stellen wo die Kapsel sie durchdringt, teilt sie die Lobi in weitere kleine Läppchen (Pseudolobuli) ein. Beim Aufschnitt lässt sich eine dunklere Rinde (Cortex) vom eher hellen Mark (Medulla) unterscheiden. Die Lobuli sind alle im Bereich der Medulla verbunden.
Die Versorgung des Thymus erfolgt über Rami thymici, die der A. thoracica interna entspringen. Die Venae thymicae enden in der Vena brachiocephalica oder der Vena thyroidea inferior. Die Innervation erfolgt vor allem aus dem Halsganglien, also sympathisch (noradrenerg). Parasympathische Fasern stammen aus dem N. vagus. Anders als sekundäre lymphatische Organe besitzt das Bries keine lymphatisches Afferenzen. Seine efferenten Lymphgefäße enden in den mediastinalen Lymphknoten.
Thymusinvolution
Bei Neugeborenen ist der Thymus verhältnismäßig groß und wächst bis zur Pubertät, wo er seine Maximalgröße von etwa 30 g erreicht. Die Thymusinvolution ist der Prozess, bei dem der Thymus nach der Pubertät allmählich schrumpft und seine Aktivität abnimmt. Dabei wird funktionelles Thymusgewebe durch Fettgewebe ersetzt. Dies beginnt typischerweise in der Pubertät und setzt sich im Erwachsenenalter fort. Die Thymusinvolution führt zu einer verringerten Produktion von T-Lymphozyten (T-Zellen), was die Effizienz des Immunsystems im Alter beeinflussen kann. Beim Erwachsenen beträgt sein Gewicht noch etwa 18 g.
Histologie und Feinbau
Die histologische systematische Betrachtung erfolgt immer am juvenilen (kindlichen) Thymus, da dessen typische Organisation im Erwachsenenalter weitgehend durch Fettgewebe ersetzt wird (Thymusrestkörper). Die farbliche Gliederung des Parenchyms ist vor allem den Vorläuferzellen der T-Lymphozyten geschuldet (Prä-T-Lymphozyten oder Thymozyten), die aus dem Knochenmark über das Blut in den Thymus einwandern und primär im Cortex zu finden sind. Die wie kleinere Lymphozyten aussehenden Zellen teilen sich hier und rücken weiter zum Mark vor. Die Medulla besteht vor allem aus Epithelzellen, deren Zellplasma und –Kerne sehr viel blasser erscheinen. Sie bilden ein dreidimensionales Netz (epitheliales Retikulum). Außerdem finden sich hier einzelne Makrophagen und dendritische Zellen, die an der Selektion der naiven Lymphozyten beteiligt sind. Auch in der Rinde finden sich Epithelzellen, die aufgrund ihres unauffälligen Erscheinungsbilds und der geringen Stückzahl aber nicht oder kaum sichtbar sind. Sie umhüllen die Thymozyten.
Weitere Strukturen: Hassall-Körperchen
Schon bei Kleinkindern, vermehrt aber in späteren Stadien finden sich im Thymus Zusammenschlüsse von Epithelzellen, die sich homogen verbinden und zwiebelartig zusammenlegen. Die entstehenden Gebilde nennt man Hassall-Körperchen. Ihre Funktion ist aktuell noch nicht vollständig aufgeklärt.
Blut-Thymus-Schranke
Die Blut-Thymus-Schranke ist eine Barriere im Thymus, die den Austausch von Substanzen zwischen dem Blut und dem Thymusgewebe kontrolliert. Sie besteht aus mehreren Komponenten, vom Thymus zu den Gefäßen hin:
- epithelial Retikulumzellen des Thymuscortex (1)
- Basalmembran der Retikulumzellen (2)
- perivaskulare Bindegewebswand (3)
- Basalmembran der Kapillare (4)
- Endothelzellen (5)
Diese Schranke schützt die sich entwickelnden T-Lymphozyten (T-Zellen) vor dem Kontakt mit fremden Antigenen aus dem Blut, wodurch eine vorzeitige Aktivierung oder Toleranz dieser Zellen verhindert wird. Somit spielt die Blut-Thymus-Schranke eine entscheidende Rolle bei der Reifung und Selektion der T-Zellen im Thymus.
Bries – Funktion und Hormone
Primäre Funktion des Bries ist die Reifung von Thymozyten zu fertigen T-Lymphozyten. Vor der Fertigstellung der Abwehrzellen „lernen“ diese im Thymusgewebe zwischen körpereigenen und körperfremden Antigenen zu unterscheiden, um später potenziell bedrohliche Fremdstoffe zu erkennen. Dafür interagieren die Thymozyten in ihrer Reifung immer wieder mit den an den spezialisierten Epithelzellen befindlichen Rezeptoren (MHC) und erwerben ihre T-Zell-Rezeptoren (TCR) . Zunächst erfolgt die positive Selektion, bei der nicht-selbstreaktive Zellen zu reifen T-Lymphozyten ausdifferenziert werden. Die selbstreaktiven Zellen werden durch Apoptose abgebaut (negative Selektion). Nur circa jede 10. Zelle differenziert sich vollständig im Thymus.
Benennung der Lymphozyten
Die Benennung nach B- und T-Zellen erfolgt durch den Ausreifungsort:
- B-Zellen reifen am Ort ihrer Produktion, im Knochenmark (Bone marrow)
- T-Zellen reifen im Thymus
Der Thymus ist auch für die Produktion einiger immunregulierender Hormone verantwortlich. Deswegen wird er auch als „Thymusdrüse“ bezeichnet, obwohl er nicht über eine klassische Drüsenstruktur verfügt.
Thymus – Erkrankungen und Beschwerden
Erkrankungen des Thymus sind extrem selten und gehen oft mit schwerwiegenden Schäden einher. Dazu gehört die Thymusaplasie, bei der das Organ fehlgebildet oder nicht vorhanden ist, was zu schweren Immundefekten führt. Thymome und Thymuskarzinome sind Tumoren des Thymus, die Symptome wie Husten, Brustschmerzen und Atembeschwerden verursachen können. Myasthenia gravis, eine Autoimmunerkrankung, ist oft mit Thymusproblemen verbunden und führt zu Muskelschwäche. Thymushyperplasie, eine Vergrößerung des Thymus, kann ebenfalls auftreten und ist manchmal mit Autoimmunerkrankungen verbunden. Diese Erkrankungen erfordern eine genaue Diagnose und oft eine spezialisierte Behandlung.
Häufige Fragen
- Was ist die Aufgabe des Thymus?
- Wie gelangen T-Zellen in den Thymus?
- Was sind Thymus Peptide?
- Warum haben Erwachsene keinen Thymus?
Der Thymus reift T-Lymphozyten, die für die adaptive Immunantwort wichtig sind. Er selektiert diese Zellen, um sicherzustellen, dass sie zwischen körpereigenen und fremden Antigenen unterscheiden können. Dadurch schützt der Thymus den Körper vor Infektionen und Autoimmunerkrankungen.
T-Zellen gelangen in den Thymus durch das Blut. Sie wandern durch spezialisierte Blutgefäßstrukturen, die Blut-Thymus-Schranke genannt werden. Diese Schranke ermöglicht es den T-Zellen, in das Thymusgewebe einzudringen, wo sie dann verschiedene Entwicklungs- und Reifungsprozesse durchlaufen. Nach ihrer Reifung verlassen die T-Zellen den Thymus und gelangen über das Blut in den restlichen Körper, um ihre immunologischen Funktionen auszuüben.
Thymus-Peptide sind kurze Ketten von Aminosäuren, die vom Thymus produziert werden. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Regulierung und Unterstützung der Reifung und Funktion von T-Lymphozyten im Immunsystem. Diese Peptide helfen dabei, die Immunantwort zu modulieren und die Kommunikation zwischen verschiedenen Zellen des Immunsystems zu verbessern.
Erwachsene haben keinen funktionalen Thymus mehr, weil er im Laufe der Zeit, insbesondere nach der Pubertät, allmählich schrumpft und durch Fettgewebe ersetzt wird, ein Prozess, der als Thymusinvolution bezeichnet wird. Während des Erwachsenenalters verliert der Thymus seine Fähigkeit, effizient T-Lymphozyten zu produzieren, was zu einem Rückgang der Immunfunktion im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen führt.
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