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Urin, von vielen Menschen als “eklig” empfunden, spielt eine zentrale Rolle in der Gesundheit und im Wohlbefinden des menschlichen Körpers. Der Harn ist ein komplexes Flüssigkeitsausscheidungsprodukt, das tiefe Einblicke in den Zustand unserer Nieren, des Harntrakts und sogar des gesamten Organismus bietet. Von seiner Zusammensetzung und Farbe bis hin zu seiner diagnostischen Bedeutung bei der Früherkennung von Krankheiten reflektiert Urin nicht nur unsere körperliche Gesundheit, sondern auch unsere Lebensweise und Ernährungsgewohnheiten. Dieser Artikel untersucht die vielfältigen Aspekte des Urins, von seiner physiologischen Funktion bis zu seiner Rolle als Indikator für Gesundheitszustand und Krankheitsprävention.
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Urin – Definition
Urin, auch Harn genannt, ist ein Flüssigkeitsausscheidungsprodukt, das von den Nieren gebildet und über die Harnwege ausgeschieden wird. Es besteht hauptsächlich aus Wasser, gelösten Salzen, Stoffwechselendprodukten und anderen Substanzen, die vom Körper nicht mehr benötigt werden. Die Hauptfunktion des Urins ist die Ausscheidung von Abfallstoffen und überschüssigen Substanzen aus dem Blut, um das chemische Gleichgewicht im Körper aufrechtzuerhalten.
Urin ist – anders als Stuhlgang – steril.
Urin – Produktion und Filterung
Täglich fließen etwa 1.500 bis 2.000 Liter Blut durch die Nieren, was etwa 20 Prozent des gesamten vom Herzen geförderten Volumens in dieser Zeit entspricht. Im Bereich ihrer Filtrationsstationen – der Glomeruli – filtern sie durch ihren dreischichtigen Filter etwa 500 bis 2.000 Milliliter. Die Flüssigkeitsmenge, die pro Zeiteinheit von beiden Nieren filtriert wird, bezeichnet man als Glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Sie beträgt bei gesunden Menschen um die 120 ml pro Minute. Es entsteht der sogenannte Primärharn.
Die GFR im klinischen Kontext
Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) ist ein entscheidender Parameter zur Diagnose und Überwachung von Nierenerkrankungen. Sie ermöglicht die Früherkennung von chronischen Nierenerkrankungen, noch bevor Symptome auftreten, was eine frühzeitige Behandlung ermöglicht. Eine abnormale GFR kann auf akute oder chronische Nierenschäden hinweisen und erfordert oft sofortige medizinische Maßnahmen. Darüber hinaus hilft die GFR bei der Anpassung von Medikamentendosierungen, um sicherzustellen, dass die Nieren die Medikamente effizient verarbeiten und ausscheiden können.
Der Primärharn läuft nun durch das Tubulussystem der Nieren und wird dabei in mehreren Schritten modifiziert, um den endgültigen Urin zu produzieren. Diese Anpassungen basieren vor allem auf der Resorption von Stoffen aus den Tubuli zurück in die Blutgefäße und auf der Sekretion aus den Gefäßen in die Tubuli hinein. Die Sekretion betrifft dabei die sogenannten harnpflichtigen Substanzen, die nicht im Bereich der Glomeruli filtriert werden. Die Resorption betrifft vor allem Elektrolyte und Wasser. Dadurch steigt die Konzentration des Harns entlang des Wegs bis zum Sammelrohr immer weiter an. Bei der Ableitung des Harns über das Nierenbecken und den Harnleiter in die Harnblase sind etwa 99 Prozent des Volumens im Vergleich zum Primärharn resorbiert worden.
Harn – Zusammensetzung und Bestandteile
Im Normalfall ist der Urin bei einem pH von 5,6 bis etwa 7,0 leicht sauer. Der Hauptbestandteil ist Wasser, das auch nach der Aufkonzentration im Tubulussystem noch etwa einen Anteil von 95 Prozent ausmacht. Außerdem besteht 24-Stunden-Sammelurin aus etwa:
- 25 g Harnstoff
- 0,5 g Harnsäure
- 1,5 g Kreatinin
- 0,8 g Aminosäuren
- 3,0 g Ketonkörper
- 150 mg Protein
Trotz der Resorption finden sich außerdem auch noch einige Elektrolyte im Harn:
- 150mmol Natrium
- 50 mmol Kalium
- 40 mmol Ammonium
- 5 mmol Calcium
- 150 mmol Chlorid
- 35 mmol Phosphat
Darüber hinaus findet sich beispielsweise Oxalsäure im Urin, deren Salz (Oxalat) meist als Calciumoxalat vorliegt. Überschreitet dessen Konzentration das Löslichkeitsprodukt, fällt es aus und kann Harnsteine bilden. Oxalatharnsteine machen etwa 75 Prozent dieser Steine aus.
Harnsteine
Harnsteine, auch bekannt als Nierensteine oder Urolithiasis, sind feste Ablagerungen, die sich in den Nieren oder den Harnwegen bilden und oft aus Mineralien und Salzen bestehen. Sie können starke Schmerzen, Blut im Urin und Blockaden in den Harnwegen verursachen, was zu Infektionen oder Nierenschäden führen kann. Die Behandlung von Harnsteinen reicht von erhöhter Flüssigkeitszufuhr und medikamentöser Unterstützung bis hin zu chirurgischen Eingriffen bei größeren Steinen oder komplizierten Fällen.
Urin – Funktion und Bedeutung
Urin spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Homöostase im Körper, indem er die Ausscheidung von Abfallstoffen und überschüssigen Substanzen ermöglicht (besonders der harnpflichtigen Substanzen Harnstoff, Kreatinin und Harnsäure). Hauptbestandteile des Urins sind Wasser, Harnstoff, Kreatinin, Elektrolyte und verschiedene gelöste Stoffwechselendprodukte. Durch die Filtration des Blutes in den Nieren werden schädliche Substanzen, überschüssige Ionen und Wasser aus dem Körper entfernt, während essentielle Substanzen wie Glukose und Aminosäuren zurückgewonnen werden. Diese Prozesse regulieren den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt, den Säure-Basen-Haushalt und tragen zur Entgiftung des Körpers bei.
Harnstoff
Harnstoff entsteht während des katabolen Stoffwechsels der Proteine und dient vor allem der Entsorgung des anfallenden Ammoniaks, der ohne Ausscheidung erheblich Schäden in den Zellen verursachen kann. Der Harnstoff im Urin korreliert dabei stark mit der aufgenommenen Menge Protein – auf 100 g entstehen etwa 30 g Harnstoff, wobei 50 Prozent der in der Niere filtrierten Menge rückresorbiert werden.
Harnsäure
Harnsäure (Urat) ist das Endprodukt des Purinstoffwechsels, bei dem die Purinnukleotide (Bauteile der DNA und RNA) abgebaut werden. Auch Harnsäure kann – ähnlich wie Oxalat – bei zu hoher Konzentration zu Urolithiasis führen.
Gicht
Gicht ist eine entzündliche Erkrankung, die durch die Ablagerung von Harnsäurekristallen in den Gelenken entsteht, was oft zu intensiven Schmerzen, Schwellungen und Rötungen führt. In den meisten Fällen sind die großen Zehengelenke betroffen, die Gicht kann sich aber auch an anderen Gelenken manifestieren. Die Therapie besteht aus medikamentöser Reduktion der Harnsäure im Blut und einer purinarmen Ernährung.
Kreatinin
Kreatinen entsteht im Muskelstoffwechsel. Es wird kontinuierlich produziert und seine Konzentration im Blut ist relativ stabil. Die Messung des Kreatininspiegels im Blut ist ein wichtiger Parameter zur Beurteilung der Nierenfunktion, insbesondere zur Schätzung der glomerulären Filtrationsrate (GFR). Ein erhöhter Kreatininspiegel kann auf eine eingeschränkte Nierenfunktion hinweisen, während niedrige Werte oft auf eine gute Nierenfunktion hinweisen.
Kreatininblinder Bereich
Der kreatininblinde Bereich bezieht sich auf einen Bereich der glomerulären Filtrationsrate (GFR), in dem Veränderungen im Kreatininspiegel im Blut nicht proportional zu Veränderungen in der tatsächlichen GFR sind. Dies liegt daran, dass Kreatinin nicht nur über Filtration, sondern auch über Sekretion in den Nieren ausgeschieden wird. Bei einer stark verminderten Nierenfunktion kann der Kreatininspiegel im Blut zunächst stabil bleiben, während die tatsächliche GFR bereits abnimmt. Dies macht die Interpretation von Kreatininwerten im kreatininblinden Bereich bei der Beurteilung der Nierenfunktion herausfordernd und erfordert oft zusätzliche diagnostische Tests wie die Messung der Kreatinin-Clearance oder die Anwendung spezieller Formeln zur Berechnung der geschätzten GFR..
Urinstatus
Der Urinstatus, auch als Urinanalyse bekannt, ist ein grundlegender diagnostischer Test zur Beurteilung der chemischen, physikalischen und mikroskopischen Eigenschaften des Urins. Er liefert wichtige Informationen über den Gesundheitszustand der Nieren, des Harnsystems sowie über den allgemeinen Zustand des Patienten. Die Analyse umfasst die Beurteilung der Farbe, Klarheit und des Geruchs des Urins sowie die Messung des spezifischen Gewichts, pH-Werts und Konzentrationen von Proteinen, Glukose, Ketonen, Bilirubin und Blut.
Makroskopische Beurteilung
Der erste Schritt der Beurteilung des Urins besteht in der makroskopischen Beurteilung des Urins. Beurteilende legen dabei einen Fokus darauf, ob der Urin klar oder trüb ist, schäumt oder welche Farbe er hat (eine rötliche Färbung kann beispielsweise für eine Hämaturie – also Blut oder rote Blutkörperchen im Urin – sein).
Urinteststreifen
Urin-Teststreifen enthalten chemische Reagenzien, die mit spezifischen Substanzen im Urin reagieren und Farbveränderungen anzeigen, um Parameter wie pH-Wert, spezifisches Gewicht, Glukose, Protein, Ketonkörper, Bilirubin, Urobilinogen, Nitrit und Blut zu messen. Sie sind in der klinischen Praxis besonders nützlich, da sie eine schnelle Diagnose ermöglichen und oft als Screening-Tool dienen, um frühzeitig bestimmte Krankheiten oder Zustände zu identifizieren. Zum Beispiel deutet das Vorhandensein von Glukose im Urin auf Diabetes mellitus hin, während Nitrit auf eine Harnwegsinfektion hinweisen kann.
Mikroskopische Analyse und Sedimente
Die mikroskopische Analyse des Urins ist ein wichtiger Bestandteil der Urinuntersuchung, der es ermöglicht, zelluläre und partikuläre Bestandteile im Urin zu identifizieren und zu quantifizieren. Unter dem Mikroskop können verschiedene Zellen wie rote Blutkörperchen (Erythrozyten), weiße Blutkörperchen (Leukozyten) und Epithelzellen nachgewiesen werden. Die Anwesenheit und Anzahl dieser Zellen kann wichtige diagnostische Hinweise auf verschiedene Erkrankungen geben, wie z.B. Harnwegsinfektionen (bei Leukozyten), Nierensteinen oder Nierenentzündungen (bei roten Blutkörperchen).
Die Sedimentanalyse des Urins bezieht sich auf die mikroskopische Untersuchung von abgesetzten Partikeln im Urinsediment nach Zentrifugation. Sie ermöglicht die Identifizierung und Quantifizierung von Zellen, Kristallen, Bakterien und anderen Partikeln, die für die Diagnose von Harnwegs- und Nierenerkrankungen entscheidend sind. Diese Analyse liefert wertvolle Informationen über den Gesundheitszustand der Nieren und des Harntrakts, da sie auf Infektionen, Entzündungen, Kristallbildung und andere pathologische Prozesse hinweisen kann.
Häufige Fragen
- Wie sieht kranker Urin aus?
- Kann Blut im Urin auch harmlos sein?
- Was macht ein Urologe wenn man Blut im Urin hat?
- Hat man bei einer Blasenentzündung Eiweiß im Urin?
Kranken Urin kann mehrere abnormale Merkmale aufweisen, die auf verschiedene Gesundheitsprobleme hinweisen. Trübung oder Verfärbungen, wie braun, rot oder dunkelgelb, können auf das Vorhandensein von Blut, Bilirubin oder anderen Stoffen hinweisen. Ein ungewöhnlicher Geruch kann auf Infektionen oder Stoffwechselstörungen hindeuten. Das Vorhandensein von Schaum kann auf eine hohe Proteinkonzentration im Urin hinweisen, was auf Nierenschäden oder -erkrankungen hindeuten könnte.
Ja, Blut im Urin, auch Hämaturie genannt, kann manchmal harmlos sein. Es gibt Situationen, in denen Hämaturie keine ernsthafte Gesundheitsgefahr darstellt. Zum Beispiel kann intensives körperliches Training, wie Laufen oder Gewichtheben, kurzfristig Blut im Urin verursachen. Auch kleinere Verletzungen oder Infektionen der Harnwege können vorübergehende Hämaturie auslösen, ohne dass eine ernsthafte Erkrankung vorliegt. Die Periode kann zu falsch positiven Hämaturieergebnissen führen. Dennoch sollte das Vorhandensein von Blut im Urin immer medizinisch abgeklärt werden, um ernsthafte Ursachen wie Nierensteine, Tumoren oder Nierenerkrankungen auszuschließen.
Wenn ein/e Urologe/-in Blut im Urin feststellt, führt er/sie eine Urinanalyse und Bluttests durch, um die Ursache zu ermitteln. Bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder CT sowie eine Zystoskopie (Blasenspiegelung) können zur Untersuchung von Nieren, Blase und Harnwegen eingesetzt werden. Diese Schritte helfen, strukturelle Anomalien oder andere Ursachen der Hämaturie zu identifizieren und den richtigen Behandlungsplan zu erstellen.
Ja, bei einer Blasenentzündung (Zystitis) kann Eiweiß im Urin nachgewiesen werden. Eine Entzündung der Blase führt häufig dazu, dass kleine Mengen Eiweiß aus dem Blut in den Urin gelangen. Zusätzlich können andere Anzeichen wie erhöhte Leukozytenzahl, das Vorhandensein von Nitriten und Blut im Urin auftreten, die auf eine Infektion hinweisen.
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- Urinstatus: Harnstreifentest und Sedimentanalyse, https://viamedici.thieme.de/... (Abrufdatum 12.07.2024)