Inhaltsverzeichnis
Vasopressin ist aufgrund seiner Wirkweise in der Bevölkerung eher weniger bekannt. Dabei nimmt das Hormon maßgeblich Einfluss vor allem auf den Wasser- und Salzhaushalt des Körpers. Dieser Artikel stellt seine wichtigsten Effekte vor und erläutert die Auswirkungen einer gestörten Vasopressin-Synthese.
Inhaltsverzeichnis
Vasopressin – Definition
Vasopressin ist ein zentrales Steuerhormon, das vor allem die Urinproduktion reguliert. Entsprechend seiner Wirkung wird es häufig auch als Antidiuretisches Hormon, abgekürzt ADH, oder als Arginin-Vasopressin (AVP) bezeichnet. Die synthetisch hergestellte Variante des Hormons ist Adiuretin.
Die Bildung von Vasopressin erfolgt im Hypothalamus, welcher das Hormon über den Hinterlappen der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) in den Blutkreislauf entsendet. Dies geschieht als Reaktion auf einen Flüssigkeitsmangel, den der Hypothalamus an einem Anstieg des Natrium-Gehaltes im eingedickten Blut erkennt. Darüber hinaus sinkt infolge des Volumenmangels im Blutgefäß-System der Blutdruck ab, was wiederum von Drucksensoren im Bereich des Aortenbogens und im rechten Vorhof des Herzens erfasst wird. Diese übermitteln ebenfalls das Signal zur Vasopressin-Ausschüttung an den Hypothalamus.
Vasopressin – Wirkung und Funktion
Vasopressin löst seine Effekte im Körper über die Bindung an Vasopressin-Rezeptoren an den Zielzellen aus. Dabei sind im Wesentlichen drei Mechanismen zu nennen, die sich gegenseitig ergänzen und den Kreislauf bei Flüssigkeits- oder Blutmangel stabilisieren können.
An der Niere steuert das Hormon die Eindickung des Harns. Die Nieren bilden in ihrem Inneren täglich etwa 180 Liter Primärharn, der ein komplexes Kanalsystem durchläuft und dabei zunehmend eingedickt wird, bis am Ende etwa 1,5 bis 2 Liter Urin zur Harnblase abfließen.
An der Harnkonzentration sind wasserdurchlässige Poren, die „Aquaporine“, beteiligt. Steigt der Vasopressin-Spiegel im Blut an, so wandern mehr Aquaporine in die Nierenkanälchen ein und mehr Wasser kann rückgewonnen werden, bevor der Urin die Nieren verlässt.
An den Blutgefäßen bewirkt Vasopressin einen Anstieg der Wandspannung, was zur Blutdrucksteigerung führt. Im Gehirn beeinflusst es zudem die Bildung weiterer Steuerhormone, die unter anderem die Nebennieren adressieren.
Durch die Beeinflussung des Wassergehaltes im Körper und des Blutdrucks wirkt sich Vasopressin auch indirekt auf die Organsysteme des Körpers aus.
Ein Mangel an Vasopressin liegt vor bei „Diabetes insipidus“. Diese Erkrankung, die nicht mit der Zuckerkrankheit („Diabetes mellitus“) verwechselt werden darf, äußert sich durch die Unfähigkeit der Niere zur Harnkonzentration. Betroffene scheiden täglich mehr als 20 Liter Urin aus und sind ständig gefährdet, auszutrocknen oder schwere Entgleisungen der Blutsalze zu erleiden. Diabetes insipidus und SIADH
Oft kann durch die Gabe von synthetisch hergestelltem Vasopressin die Urinausscheidung normalisiert werden. Entgegengesetzt wirkt sich das Syndrom der inadäquaten ADH-Freisetzung (SIADH) aus, bei dem beispielsweise Krebszellen massenhaft ADH produzieren. Durch die übermäßige Wasserrückaufnahme wird das Blut stark verdünnt, der Natriumwert im Blut fällt ab und der Körper lagert Flüssigkeit ein.
Herz-Kreislauf-System
Auf das Herz selbst wirkt Vasopressin eher indirekt, indem es durch die Steigerung des Gefäßwiderstandes und des Flüssigkeitsvolumens mehr Blut zur Verfügung stellt. Dies führt zu einer höheren Pumpkraft, mit der das Herz das Blutvolumen in den Kreislauf entsenden kann. Direkte Effekte von Vasopressin auf den Herzmuskel sind nicht bekannt.
Zentrales Nervensystem
Im Zentralen Nervensystem bindet Vasopressin an Rezeptoren, die eine vermehrte Synthese des Hormons ACTH veranlassen. Dieses regt wiederum die Nebennieren zur Produktion von Kortisol und Aldosteron an, was die Wiederaufnahme von Natrium und Wasser in der Niere fördert. Somit wird auf einem weiteren Weg dem Flüssigkeitsverlust entgegengewirkt und der Blutdruck gesteigert.
Glatte Muskulatur
Die Erhöhung der Wandspannung in den arteriellen Blutgefäßen ist der wichtigste Effekt von Vasopressin an glatten Muskelzellen. Dies machen sich Mediziner bei der Behandlung von Blutungen im Magen-Darm-Trakt zunutze.
Besteht ein erhöhter Druck in den Blutgefäßen des Bauchraumes, etwa infolge eines Leberschadens, so staut sich das Blut in das Venensystem der Eingeweide zurück und der Druck in den Gefäßen übersteigt deren Kapazität. Insbesondere die langen Venen, die entlang der Speiseröhre verlaufen, können hierdurch massiv aufgeweitet werden und schließlich platzen. Es kommt zu einer lebensbedrohlichen „Varizenblutung“.
Vasopressin und davon abgeleitete Medikamente beeinflussen zwar kaum die Venen, da diese keine dicke Muskelschicht besitzen. Jedoch kann die Anspannung der Muskulatur in der Speiseröhre die aufgeweiteten Venen zusammendrücken und so die Blutung verringern. Dies verschafft den Behandlern Zeit für einen operativen Eingriff.
In einigen Ländern werden Vasopressin-haltige Medikamente auch zur Behandlung von Blutungen während Operationen, vor allem im Urogenitaltrakt, angewandt. Eine derartige Zulassung besteht in Deutschland aktuell nicht.
Mobilisierung von Energiereserven
Vasopressin selbst nimmt keinen Einfluss auf den Energiestoffwechsel. Die Steigerung des Herzzeitvolumens und die Aktivierung des Körpers durch Kortisol und weitere Stress-Botenstoffe erhöhen jedoch den Energiebedarf des Körpers. Dies führt letztlich zu einem Abbau der Eigenreserven.
Sonstige Effekte
Bisher nur teilweise entschlüsselt ist der Einfluss von Vasopressin auf die Emotionsregulation. Frühere Studien am Tiermodell ergaben, dass eine Unterdrückung von Vasopressin mit einer Verringerung des Fürsorgeverhaltens und der Versorgung des Nachwuchses einhergeht. Wissenschaftler nehmen daher an, dass Vasopressin einen wichtigen Einfluss auf Gehirnfunktionen wie die Verarbeitung emotionaler Reaktionen, das Gedächtnis und die Impulskontrolle haben könnte.
Vasopressin – Abbau
Vasopressin besitzt eine extrem kurze Halbwertszeit von nur etwa drei Minuten im Blut. Hiernach erfolgen der enzymatische Abbau des Hormons und die anschließende Ausscheidung über die Nieren. Somit ist ein gezielter Einfluss auf den Wasserhaushalt möglich, während zeitgleich eine übermäßige Wassereinlagerung verhindert wird. Dies ist wichtig, denn starke Schwankungen des Flüssigkeitshaushaltes können die Regulation der Blutsalze und insbesondere von Natrium stören. Dies kann schwerwiegende Folgen vor allem für die empfindlichen Gehirnzellen haben.
Häufige Fragen
- Was ist die Wirkung von Vasopressin?
- Was erhöht den Vasopressin-Spiegel?
- Was passiert, wenn der Körper zu viel Vasopressin hat?
- Wann wird Vasopressin ausgeschüttet?
Die wichtigste Wirkung von Vasopressin ist die Stabilisierung des Flüssigkeits- und Salzhaushaltes des Körpers. Über die Bildung des Hormons an seine Zielrezeptoren wird einerseits die Wasserausscheidung durch die Niere verringert, weiterhin der Blutdruck gesteigert und zuletzt die Ausschüttung von Kortisol und weiteren Hormonen der Nebennierenrinde angeregt.
Die wichtigsten Signale zur Steigerung der Vasopressin-Ausschüttung sind ein Abfall des arteriellen Blutdrucks und einen Anstieg des Natriumgehaltes im Blut. Die entsprechenden Sensoren befinden sich am Hypothalamus des Gehirns, sowie am Aortenbogen und im rechten Herzvorhof.
Ein erhöhter Vasopressin-Spiegel, der beispielsweise bei übermäßiger ADH-Synthese durch Adenome oder Tumoren auftreten kann, führt vorrangig zu einer Überwässerung des Körpers. Dies zeigt sich durch einen Abfall des Natriumspiegels im Blut und häufig durch sichtbare Flüssigkeitseinlagerungen wie Ödeme an den Beinen oder im Bauchraum.
Vasopressin wird situativ ausgeschüttet, wenn die entsprechenden Sensoren am Hypothalamus oder den Blutgefäßen einen Flüssigkeitsmangel wahrnehmen. Erfolgt die ADH-Bildung entkoppelt vom Bedarf, etwa durch einen Tumor, der sich der Regulation durch die Sensoren entzieht, so findet häufig eine permanente Freisetzung kleiner Hormonmengen statt. Dies hat zur Folge, dass Veränderungen wie die Hyponatriämie im Blut und die Flüssigkeitseinlagerungen nicht akut auftreten, sondern sich schleichend entwickeln. Oft werden sie erst viel später oder als Zufallsbefunde entdeckt. Dabei kann es sein, dass sich ein Tumor oder Adenom erst einige Zeit nach Beginn der ADH-Synthese zeigt.
- Bidlingmaier M., Antidiuretisches Hormon. In: Gressner, A. M, und Arndt, T., Lexikon der medizinischen Laboratoriumsdiagnostik (Springer, 2. Auflage, 2013)
- Lee, E. J. et al., Effect and safety of diluted vasopressin injection on bleeding during robot-assisted laparoscopic myomectomy: a protocol for a randomised controlled pilot trial. In: BMJ open (BMJ Publishing Group Ltd., Ausgabe 9/2022)
- Witte, A.M. et al., Fathers today: design of a randomized controlled trial examining the role of oxytocin and vasopressin in behavioral and neural responses to infant signals. In: BMC Psychology (Springer Medizin, Ausgabe 7/2019)