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Der Vorderdarm ist in der Embryologie ein zentraler und kranialer Abschnitt des embryonalen Darmrohrs. Er bildet die Grundlage für zahlreiche essenzielle Organe des Verdauungs- und Atmungssystems. Seine Entwicklung beginnt in der frühen Embryonalphase und führt zur Entstehung von Lunge, Pharynx, Ösophagus, Magen und dem oberen Teil des Duodenums. Neben den anatomischen Besonderheiten ist vor allem die Kenntnis über embryologische Entwicklung bedeutend für das Verständnis angeborener Fehlbildungen und Erkrankungen. Dieser Artikel erläutert die Anatomie, Embryologie sowie klinisch relevante Aspekte des Vorderdarms.
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Vorderdarm – Definition
Als Vorderdarm wird der embryonale, vordere Abschnitt des primitiven Darmrohrs bezeichnet, das sich während der Darmentwicklung aus dem Endoderm entwickelt. Er erstreckt sich von der Mundhöhle bis zum Mitteldarm und beinhaltet eine Vielzahl von Organen und Strukturen, die für die Verdauung und Atmung essenziell sind.
Vorderdarm – Anatomie und Embryologie
Insgesamt erstreckt sich der Darmkanal von der Rachenmembran bis zur Kloakenmembran und gliedert sich in vier Abschnitte:
- den Schlunddarm, welcher dem kranialen Teil des Vorderdarms entspricht: erstreckt sich von der Rachenmembran bis zum Abgang der Lungenknospe
- dem kaudalen Teil des Vorderdarms: verläuft von der Lungenknospe bis zur Leberknospe
- Mitteldarm: verläuft von der Leberknospe bis hin zur hinteren Darmpforte (die hintere Darmpforte entspricht beim Erwachsenen dem sogenannten Cannon-Böhm-Punkt)
- Enddarm: verläuft von der hinteren Darmpforte bis zur Kloakenmembran
Aus dem Endoderm entwickelt sich in der dritten bis achten Embryonalwoche der Vorderdarm. Der Pharynx, Ösophagus, der Magen und teilweise auch das Duodenum entwickeln sich aus ihm. Durch eine Aussprossung des Vorderdarms bilden sich auch die Luftröhre (Trachea) und die Lunge.
Die Lungenentwicklung beginnt mit der Formung des Sulcus laryngotrachealis, die als Rinne in der dritten bis vierten Entwicklungswoche aus der ventralen Zone des Vorderdarms entsteht. Aus dem dorsalen Teil entwickelt sich der Ösophagus.
Entwicklung des Ösophagus
Die Ösophagusanlage ist zunächst nur ein kurzes Rohr. Durch das Strecken der oberen Körperhälfte und dem Deszensus des Zwerchfells im Rahmen der weiteren Entwicklung verlängert sich das Rohr. Schließlich bildet das umgebene Mesenchym um das Rohr zwei Muskelschichten.
Die innere Epithelschicht des sich ausbildenen Ösophagus proliferiert zwischenzeitlich so sehr, dass sich das Lumen im 2. Monat der Entwicklung teilweise verschließt. Im 3. Monat kommt es zur Rekanalisierung, jedoch kann es dort auch zu Fehlbildungen kommen und der Fetus kann kein Fruchtwasser schlucken.Ösophagusverschluss
Entwicklung des Magens
Zunächst findet sich eine Erweiterung, die spindelförmig ist und im unteren Abschnitt des Vorderdarms liegt, vor. Durch eine unterschiedliche Wachstumsgeschwindigkeit der hinteren Wand der Magenanlage entstehen die große und die kleine Kurvatur des Magens. Die Magenanlage dreht sich um 90 Grad um ihre Längsachse im Uhrzeigersinn, welches man als Magendrehung bezeichnet. Dabei wird die gr0ße Kurvatur nach links und die kleine Kurvatur nach rechts verlagert. Der linke Nervus vagus gelangt so als Truncus vagalis anterior auf die Vorderwand des Magens, während der rechte Nervus vagus als Truncus vagalis posterior auf die Hinterwand des Magens gelangt.
Im Anschluss kommt es zu einer sogenannten zweiten Magendrehung bzw. Magenkippung um eine sagittale Achse. So wird die Kardia des Magens nach links und leicht unten verlagert, während der Pylorus rechts und etwas nach oben gerichtet wird. Bis der Magen seine endgültige Ausrichtung sowie Form erreicht, kommt es zweimal zu Änderungen der Lage in der embyronalen Entwicklung.
Entwicklung des Duodenums
Das Duodenum entsteht aus dem Endteil des Vorderdarms und dem Anfangsteil des Mitteldarms. Der proximale Teil bis etwa zur Papilla duodeni major entsteht aus dem Endteil des Vorderdarms.
Dass das Duodenum aus Teilen des Vorder- und Mitteldarms entsteht ist auch Grund dafür, dass es aus Ästen des Truncus coeliacus und aus Ästen der Arteria mesenterica superior versorgt wird.Versorgung Duodenum
Bei der Entwicklung entsteht zunächst durch starkes Längenwachstum der Duodenalanlage eine C-förmige Schlinge. Nach der Magendrehung zeigt die Schlinge mit der Wölbung nach rechts und der obere Abschnitt entwickelt sich zur Pars superior, der konvexe Schenkel ist die Pars descendens und der untere Schenkel wird zur Pars horizontalis. Am Anfang des 2. Embryonalmonats proliferieren die Epithelzellen so stark, dass das Duodenum kurzzeitig obliteriert. Gegen Ende des 2. Monats ist das Lumen wieder vollständig rekanalisiert.
Arterielle Versorgung des Vorderdarms
Die arterielle Versorgung des Vorderdarms erfolgt hauptsächlich über den Truncus coeliacus, einen großen arteriellen Gefäßstamm, der direkt aus der Aorta adominalis entspringt. Er versorgt die Organe des Vorderdarms mit sauerstoffreichem Blut. Die Äste versorgen verschiedene Teile der Derivate des Vorderdarms und gewährleisten die Funktionen der Organe des Vorderdarms:
- Arteria gastrica sinistra: Versorgt die kleine Kurvatur des Magens und gibt Äste zum Ösophagus ab
- Arterie hepatica communis: Teilt sich in mehrere Äste, die Leber, Gallenblase, Magen, Duodenum und Pankreas versorgen
- Arteria splenica: Versorgt die Milz und gibt Äste an den Magen und das Pankreas ab.
Distal des Vorderdarms übernimmt die Arteria mesenterica superior die Versorgung des Mitteldarms.
Vorderdarm – Klinik
Das Verstehen der Anatomie und Embryologie des Vorderdarms ist essenziell, um angeborene Fehlbildungen und erworbene Erkrankungen ebenfalls besser zu verstehen.
Zu den angeborenen Fehlbildungen gehört die Ösophagusatresie und tracheoösophageale Fistel. Hierbei kommt es zu einer Fehlbildung durch unvollständige Trennung der Speise- und Luftröhre.
Eine weitere angeborene Fehlbildung kann die Hypertrophie des Pylorusmuskels darstellen, da sie zu Erbrechen im Neugeborenenalter führt. Kommt es zu einer Fehlentwicklung der ventralen Pankreasknospe, so kann das Duodenum eingeengt werden, es tritt eine Duodenalstenose auf.
Ein weiteres Krankheitsbild, welches das Duodenum betrifft ist die Duodenalatresie. Wird das Lumen im Laufe der Embryonalentwicklung nicht wieder rekanalisiert, so kann es zur Duodenalatresie kommen. Neugeborene fallen in dem Fall bereits in den ersten Lebenstagen durch ein galliges Erbrechen auf. Häufig ist auch der Oberbauch eher verdickt, während der Unterbauch eher eingefallen ist. Die Behandlung einer Duodenalatresie erfolgt durch eine Operation.
Zudem gibt es auch erworbene Erkrankungen, die den Magen oder den Ösophagus betreffen können. Dazu gehört einmal die Gastroösophageale Refluxkrankheit. Bei diesem Krankheitsbild funktioniert der untere Ösophagussphinkter nicht richtig, sodass Magensaft in die Speiseröhre zurück fließt. Dies führt zu Sodbrennen, Schmerzen oder Geschwüren in der Speiseröhre.
Bei Magengeschwüren, einem Ulcus ventriculi, handelt es sich um ein Ungleichgewicht zwischen Magensäureproduktion und einer Störung der Schutzmechanismen der Magenschleimhaut. Ursache dafür sind beispielsweise Infektionen mit Helicobacter pylori oder eine langfristige Einnahme nicht-steroidaler Antirheumatika (NSAR).
Häufige Fragen
- Was gehört alles zum Vorderdarm?
- Wie entwickelt sich der Vorderdarm im Embryo?
- Welche Blutversorgung hat der Vorderdarm?
Der Vorderdarm umfasst den Pharynx, Ösophagus, Magen, die Leber, die Gallenblase, Bauchspeicheldrüse und den proximalen also ersten Abschnitt des Dünndarms (Duodenum). Durch eine Aussprossung des Vorderdarms bilden sich auch die Luftröhre (Trachea) und die Lunge
Der Vorderdarm entsteht aus dem primitiven Darmrohr in der dritten bis achten Embryonalwoche und differenziert sich in spezialisierte Organe
Er wird hauptsächlich durch den Truncus coeliacus versorgt, der Arterien für Magen, Leber, Milz und Pankreas bereitstellt.
- Aumüller et al.: Duale Reihe Anatomie. 1. Auflage Thieme 2006
- Übersicht des Verdauungssystems, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum 06.03.2025)