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Vor den Weisheitszähnen und deren Entfernung graut es vielen Erwachsenen. Die Operation wird oftmals als unangenehm empfunden. Nachdem sich der Artikel zunächst auf die anatomischen Grundlagen der Weisheitszähne konzentriert, wird genauer darauf eingegangen, unter welchen Umständen und weshalb Weisheitszähne entfernt werden müssen.
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Weisheitszähne – Definition
Weisheitszähne sind am Ende der beiden Zahnreihen des Oberkiefers und Unterkiefers zu finden. In der Fachsprache werden sie als dritte Molaren (Mahlzähne beziehungsweise Backenzähne) bezeichnet, entsprechend handelt es sich hierbei um die Zähne 18, 28, 38 und 48. Wann und in welchem Ausmaß sie hervortreten, ist individuell sehr unterschiedlich, häufig kommen sie aber im Alter zwischen 18 und 24 Jahren zum Vorschein.
Weisheitszähne – Anatomie und Funktion
Der Aufbau der Zähne ist in der Regel identisch zu den sichtbaren Backenzähnen. Wie alle anderen Molaren sind sie breit aufgebaut und exprimieren an ihrer Oberfläche diverse Höcker und Rinnen, wodurch das Zerkleinern der Nahrung ermöglicht wird.
Die Weisheitszähne sind heutzutage nicht mehr an dieser Aufgabe beteiligt. Sie entwickeln sich, bleiben aber jahrelang im Zahnfleisch verborgen, bevor sie unter Umständen herausbrechen. Evolutionsbiologisch ist ein Erklärungsansatz, dass die Vorfahren des Menschen breitere Kiefer mit mehr Zähnen hatten. Als sich im Laufe der Jahrtausende der Kiefer verkleinerte, blieb für die Weisheitszähne zu wenig Platz, um regulär ausgebildet zu werden. Dennoch sind bei jedem Menschen vier Weisheitszähne angelegt, oftmals brechen sie auch nicht durch das Zahnfleisch hindurch.
Begriffsherkunft
Die Benennung der Weisheitszähne erfolgte durch den späten Durchbruch im 'fortgeschrittenen' Alter. Als Nachzügler werden sie auch als 'Dens serotinus' bezeichnet, aus dem Lateinischen für 'zu spät kommend'. Der Name variiert aber auch in anderen Ländern. Im Japanischen werden sie zum Beispiel 'Liebeszähne' genannt, da sie zum Zeitpunkt der ersten großen Liebe sichtbar werden.
Weisheitszähne – Klinik und Erkrankungen
Weisheitszähne müssen keine Probleme verursachen. Häufig verläuft das ganze Leben ohne Komplikationen. Kritisch wird es allerdings, wenn durch den Platzmangel Entzündungen, Schwellungen oder Schmerzen hervorgerufen werden. Es ist durchaus möglich, dass die Weisheitszähne andere Zähne durch eine schiefe Lage und Reibung schädigen und somit weitere Symptome und Krankheiten verursachen. So ist es beispielsweise einfacher, dass Karies entsteht.
Um das Ausmaß der Einschränkung des Wachstums der Weisheitszähne zu beschreiben, wird in der Praxis die Klassifikation nach Pell und Gregory verwendet. Sie beschreibt, wie stark die Ausprägung und Überdachung des Unterkieferknochens (Ramus mandibulare) das Wachstum der Weisheitszähne behindert.
- Klasse 1: Es ist genügend Platz vorhanden.
- Klasse 2: Es ist weniger Platz vorhanden, als optimal wäre. Der Zahn wird teilweise vom Knochen überdeckt.
- Klasse 3: Es ist kein Platz vorhanden für das Wachstum. Der Zahn wird vollständig vom Knochen überdacht.
Folgen der Platzproblematik
Brechen die Weisheitszähne nur teilweise durch das Zahnfleisch (Teilretention), entstehen häufig Entzündungen. Die Ursache dafür liegt an der Bildung eines Operculums (Zahnfleischtasche). In dieser Mulde sammeln sich Bakterien, da sie nicht oder nur schwer gereinigt werden kann. Durch das enge Anliegen am Nachbarzahn fällt die Reinigung des Zahns auch schwer. Dieser Zustand fördert die Entstehung von Karies. Bleibt die Entzündung unbehandelt, kann sie zu Phlegmonen führen. Darunter wird eine weichteilbezogene, diffuse Infektionskrankheit verstanden.
Zusätzlich zu dieser Thematik ist es möglich, dass nur auf einer Kieferseite der Weisheitszahn durchbricht. Es verschiebt sich die Kauebene und nächtliches Knirschen, Zahnschäden und Schmerzen im Bereich des Kiefers können auftreten.
Weisheitszähne – Operative Entfernung
Aus den oben genannten Gründen kann eine Entfernung der Weisheitszähne sinnvoll sein. Diese Entscheidung sollte aber jeder Patient mit seinem Zahnarzt persönlich besprechen, um eine individuelle Risiko- und Nutzenabwägung durchzuführen.
Operatives Vorgehen
Die OP wird in der Regel mit örtlicher Betäubung durchgeführt. Auf Wunsch des Patienten oder bei verschiedenen Indikationen kann aber auch eine Analgosedierung oder Vollnarkose erfolgen. Letztere wird allerdings lediglich in Ausnahmefällen eingesetzt. In der Arztpraxis kann der Eingriff ambulant vom Zahnarzt oder Kieferchirurgen des Vertrauens durchgeführt werden.
Mit der Technik der Extraktion wird der Zahn nach vorherigem Einschnitt des umliegenden Gewebes entnommen. Extraktion bezeichnet die Entfernung eines bereits durchbrochenen Zahns, wobei der Zahn durch eine Zange fixiert und anschließend hin und her bewegt wird. Dadurch weiten sich die Alveolarknochen und der Zahn kann leichter herausgenommen werden. Durch eine Drehung werden auch die Sharpney-Fasern durchtrennt, die den Zahn im Zahnfleisch halten. Grundsätzlich erfolgt die Entnahme dementsprechend auf Grundlage des Hebelwirkungsgesetzes der Physik. Die Technik unterscheidet sich allerdings je nach Lage des Weisheitszahns und wird auf diese angepasst.
Im Anschluss an die chirurgische Öffnung kann die Wunde entweder direkt mit einer Naht verschlossen oder offen behandelt werden, indem eine Tamponade eingelegt wird. Die Dritte Möglichkeit bietet einen Kompromiss dieser beiden Vorgehensweisen, wobei eine Streifeneinlage unter die Naht gelegt wird. Jedes Möglichkeit hat Vor- und Nachteile in Bezug auf die Wundheilung, sodass individuell entschieden werden muss, welche Art gewählt wird.
Mögliche Komplikationen
Bei der chirurgischen Entfernung der Weisheitszähne im Unterkiefer können folgende Komplikationen auftreten:
- Schädigung des Nervus alveolaris inferior: Dieser Nerv verläuft in enger anatomischer Beziehung zu den Weisheitszähnen. Er innerviert sensibel die Unterlippe, das Kinn und die Zähne und motorische Teile der suprahyoidalen Muskulatur. Bei Schädigung kann lokal die Myelinscheide betroffen sein, sodass ein temporärer und reversibler Ausfall die Folge ist (Neurapraxie). Wird das Axon teilweise verletzt, ist eine Regeneration möglich, da die Grundstruktur noch vorhanden ist (Axonotmesis). Ist allerdings der komplette Nerv durchtrennt, muss dies mikrochirurgisch behoben werden (Neurotmesis).
- Schädigung des Nervus lingualis: Wird dieser Nerv verletzt, zeigt sich das symptomatisch durch Taubheit oder Kribbeln der Zunge.
Weitere allgemeinere Komplikationen umfassen das generelle Risiko einer Extraktion und unter anderem eine mögliche Kieferfraktur sowie Schwellungen und Hämatome. Andere Komplikationen wie Nachblutungen sind nicht ausgeschlossen.
Nachsorge
Im Anschluss an die Operation sollte die Einnahme von verordneten Schmerzmedikamenten erfolgen. Auf Medikamente, die Acetylsalicylsäure (ASS) enthalten, sollte verzichtet werden (beispielsweise Aspirin), da diese die Blutgerinnung hemmen. Im Laufe der ersten Woche verschließt sich im Regelfall die Wunde von alleine.
In den ersten Tagen unterstützt Kühlen bei den Schmerzen und der Schwellung. Zu vermeiden sind Koffein, Milchprodukte und sportliche oder körperliche Belastung. Die Zahnpflege wird wie gewohnt fortgesetzt, die Wundstelle kann mit einer weichen Bürste gereinigt werden. Alternativ ist eine Spülung mit einer Chlorhexidin-haltigen Lösung anzuraten, um die Keimbelastung zu vermindern.
- Weber T, Memorix Zahnmedizin, 3 Auflage, Thieme
- Aumüller G et. al., Duale Reihe der Anatomie, 5. Auflage, Thieme