Inhaltsverzeichnis
Das Wernicke-Areal übernimmt eine wichtige Aufgabe der täglichen Kommunikation. Dieser kleine Bereich an der Seite des Hirns kann Sprache im Gehirn zunächst aus den Hörsignalen zusammensetzen und richtig interpretieren. Dieser Artikel beschäftigt sich ausführlich mit der Anatomie und den assoziierten Erkrankungen des Areals, sowie deren Folgen für die Kommunikationsfähigkeit.
Inhaltsverzeichnis
Wernicke Areal – Definition
Das Wernicke Areal, oder auch Wernicke Sprachzentrum, beschreibt einen Bereich in der Großhirnrinde, der sich im hinteren Bereich des Temporallappens (Lobus temporalis) befindet. Das Areal erhält und entsendet Fasern von und zu anderen Bereichen des Gehirn und dient darüber der Grundlage des Sprachverständnisses.
Der Name leitet sich von dem Entdecker ab, dem Neurologen Carl Wernicke. Andere geläufige Bezeichnungen sind Wernicke-Zentrum, Wernicke-Region oder sensorisches Sprachzentrum.
Wernicke Areal – Lage und Projektionen
Das sensorische Sprachzentrum befindet sich im hinteren Teil des Gyrus temporalis superior, dem obersten Rindenbereichs des Temporallappen. Von dort aus erstreckt es sich bis zu den Gyri angularis et supramarginalis des Parietallappens. Nach der Brodmann-Einteilung beschreibt das Brodmann-Areal 22 das Wernicke-Areal.
Es liegt meist auf der dominanten Hemisphäre, bei Rechtshändern meist also auf der linken Hemisphäre. Bei Linkshändern ist das Areal auch vorwiegend auf der linken Seite angelegt, kann aber auch rechtshemisphärisch vorkommen.
Projektionen
Das Wernicke Areal erhält afferente und sendet selbst efferente Fasern. Afferent erfüllt es vorwiegend seine Funktion als Teil des sekundär auditorischen Cortex, indem es Fasern der primären Hörrinde erhält. Diese senden einfach formuliert die Hörsignale, die das Ohr wahrnimmt, an das Wernicke Areal, welches diese aufnimmt und interpretiert. Die primäre Hörrinde umfasst die Gyri temporalis transversi (Heschl-Querwindung) des Temporallappens. Außerdem erhält das Areal Fasern vom Gyrus angularis, welcher Informationen des sekundär visuellen Cortex entsendet. Somit bringt das Wernicke Areal Gehörtes und Gesehenes zusammen.
Diese Informationen sendet das sensorische Sprachzentrum efferent an kortikale Assoziationsfelder zur weiteren Verarbeitung sowie an das Broca-Areal, das motorische Sprachzentrum. Dieses dient der Sprachproduktion, gibt also den Impuls zum Sprechen.
Wernicke Areal – Funktionen
Hauptfunktion des Wernicke Areals ist die Integration von Sprach- und Textinhalten und damit das Sprachverständnis. Dafür arbeitet es mit den sprachmotorischen Anteilen des Cortex, dem Broca-Areal, zusammen und erhält visuelle und akustische Signale und Informationen von den umliegenden Cortexgebieten. Dadurch kann man auf äußere Reize spontan reagieren.
Wernicke Areal – Klinik und Pathologien
Das Sprachverständnis ist essentiell für eine ausreichende zwischenmenschliche Kommunikation. Deshalb sind von Pathologien betroffene Patienten oft nicht in der Lage, an normalen Konversationen teilzunehmen.
Wernicke-Aphasie
Eine klinische Erkrankung in Bezug auf das Wernicke-Areal ist die Aphasie. Darunter versteht man im Allgemeinen erworbene zentrale Sprachstörungen nach abgeschlossenem Spracherwerb, welche größtenteils durch eine Schädigung der linken Hemisphäre ausgelöst wird. Etwa 80 Prozent aller Aphasien werden durch Schlaganfälle verursacht und haben deshalb eine vaskuläre Genese. Dabei ist das Gewebe des Gehirns nicht mehr ausreichend durchblutet und es stirbt ab. Dadurch verliert es seine Funktionsfähigkeit.
Die Wernicke-Aphasie ist eines der Standardsyndrome, die auch als sensorische beziehungsweise rezeptive Aphasie bezeichnet wird. Leitmerkmale sind folgende Aspekte:
- Paragrammatismus: Dieses Phänomen beschreibt einen meist komplexen, aber grammatikalisch nicht korrekten Satzbau, bei dem die Reihenfolge von Satzteilen, Satzteilverdopplungen oder zum Beispiel fehlerhafte Konjugationen vorliegen.
- Paraphasien: Hierbei formuliert die betroffene Person unbewusst Wörter falsch. Dabei unterscheidet man zwischen phonematischen Paraphasien, der Erfindung von neuen Wörtern, die dem Ursprungswort ähneln, und der semantischen Paraphasie. Hierbei verwechselt man verwandte Wörter.
- Phonematischer und semantischer Jargon: Diese Formen beschreiben die Steigerung der Paraphasien. Das Gesagte ergibt dann keinen Sinn mehr.
Das Sprachverständnis ist bei der Form der Aphasie mittel bis stark eingeschränkt. Ein wichtiges Kriterium zur Abgrenzung zu der Broca-Aphasie ist die flüssige spontane Sprachproduktion. Teilweise zeigt sich auch Logorrhö. Das Gesagte hat allerdings meistens keinen sinnhaften Zusammenhang. Das Nachsprechen, Lesen und Schreiben ist auch nur eingeschränkt möglich.
Logorrhö beschreibt eine psychomotorische Störung, bei der sich ein ununterbrochener Rededrang präsentiert. Das übermäßige Reden erschwert die sinnvolle Kommunikation enorm. Typischerweise tritt sie bei paranoider Schizophrenie und der Manie auf.Logorrhö
Betroffenen Personen fällt das Benennen von Objekten sehr schwer, teilweise ist es nicht möglich. Sie tendieren deshalb zu Umschreibungen und Paraphasien.
Pathophysiologisch liegt eine Läsion im Versorgungsgebiet der Arteria temporalis posterior vor, welche zu einer Schädigung des hinteren Temporallappens führt, wo das Wernicke Areal liegt. Therapeutisch versucht man die sprachlichen Fähigkeiten zu Reaktivieren und Kompensationsstrategien zu entwickeln, um eine Teilhabe am sozialen Leben zu ermöglichen. Basis hierfür stellt die Sprachtherapie dar, welche durch transkranielle Gleichstromstimulation ergänzt werden kann. In diversen Studien zeigen sich auch einige Medikamente als hilfreich, die aber für dieses Anwendungsgebiet noch nicht zugelassen sind.
Die Arteria temporalis posterior ist ein Endast der Arteria cerebri media, eines der drei Hauptgefäße des Gehirns. Sie versorgt den Temporallappen mit Blut und Nährstoffen und befindet sich dementsprechend in der Nähe des Temporallappens.Arteria temporalis posterior
- Schünke M et. al., Prometheus Lernatlas der Anatomie (Hals-, Kopf- und Neuroanatomie), 5. Auflage, Thieme
- Aphasien – klinische Anwendung, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 23.10.2024)