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Das Y-Chromosom ist ein Geschlechtschromosom (Gonosom), das eine degenerierte, knapp fünfmal kleinere Variante des weiblichen Geschlechtschromosoms (X Chromosom) darstellt. Das Y Chromosom wird im familiären Stammbaum in beinahe unveränderter Form ausschließlich vom Vater auf den Sohn übertragen. Während weibliche Eizellen stets mit einem X-Chromosom ausgestattet sind, können Spermien der Männer entweder ein Y- oder ein X-Chromosom enthalten. Eine Eizelle kann entweder von einem Spermium mit Y- oder X-Chromosom befruchtet werden. Die Übertragung eines Y-Chromosoms führt letzten Endes zur Ausbildung des männlichen Phänotyps (äußeres Erscheinungsbild), während die Übertragung eines X-Chromosoms im Rahmen der Befruchtung zur Ausbildung des weiblichen Phänotyps führt.
Bei sämtlichen Säugetieren, wie z. B. dem Menschen, wird die Ausbildung des Geschlechts der Nachkommen ausschließlich durch die Genetik bestimmt. Worauf es beim Y-Chromosom sonst noch ankommt, erklärt der folgende Artikel.
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Y-Chromosom – Definition
Das Y-Chromosom ist neben dem X-Chromosom eines der beiden menschlichen Geschlechtschromosomen. Dabei stellen Chromosomen im Allgemeinen eine komprimierte Form der DNA (chromosomale DNA; Desoxyribonukleinsäure = Erbinformation) in eukaryotischen Zellen (Zellen, die einen Zellkern enthalten) dar.
Durch Übertragung dieses Chromosoms im Zuge der Befruchtung bildet sich der männliche Phänotyp aus und kommt, zusätzlich zu einem X-Chromosom nur bei Männern vor (XY). Somit wird das Y-Chromosom vom Vater auf den Sohn übertragen. Auf dem Y-Geschlechtschromosom liegen sämtliche Informationen (in Form von Genen), die für die Ausbildung männlicher primärer Geschlechtsmerkmale von größter Relevanz sind. Das als SRY (sex determining resion of Y-Gen) bezeichnete Gen liefert Genprodukte, die für die Entwicklung des Hodens von entscheidender Bedeutung sind.
Im Regelfall enthalten die Zellkerne der meisten eukaryotischen Zellen je zwei Geschlechtschromosomen (Frauen: XX, Männer: XY). Verglichen mit dem X-Chromosom ist das Y-Chromosom um ein Vielfaches kleiner und enthält deutlich weniger Gene. Während auf dem X-Chromosom knapp 2.000 Gene liegen, befinden sich auf dem Y-Chromosom lediglich 86 Gene. Mit Ausnahme der Ei- und Samenzellen sind in allen Körperzellen, die einen Zellkern enthalten, 46 Chromosomen (23 Paare) enthalten. Chromosomenpaare 1 – 22 werden als Autosomen bezeichnet, Chromosomenpaar 23 (Geschlechtschromosom) als Gonosomen.
Y-Chromosom – Aufbau und Pathologie
Das männliche Geschlechtschromosom weist eine Länge von rund 58 Millionen Basenpaaren auf. Diese Menge entspricht zwei Prozent des gesamten menschlichen Erbguts. Männliche Zellen mit Zellkern beinhalten je ein Y- und ein X- Chromosom (XY = hemizygot). Frauen hingegen sind mit zwei X-Chromosomen (XX) homozygot.
Die 86 Gene des Y-Chromosoms kodieren für 23 unterschiedliche Proteine. In der Genetik kann unter dem Terminus “Kodierung” das Ablesen der Aminosäurensequenz der Erbinformation verstanden werden, um Proteine aufzubauen (z. B. für die Entwicklung des Hodens). Im Laufe der Evolution (vielfach auch im langen Stammbaum einer Familie) veränderte sich das männliche Geschlechtschromosom gravierend und schrumpfte um ganze 66 Prozent. Kennzeichnend für dieses Chromosom ist, wie auch beim X-Chromosom, die typische X-Form mit vier Chromosomenarmen. Teilt man das Chromosom in der Mitte, erhält man zwei Chromatiden. Diese sind über die Verbindungsstelle (Zentromer) miteinander verbunden und formen das fertige Chromosom.
Um einen möglichst komprimierten Zustand innerhalb des Zellkerns der Zellen zu erreichen, ist chromosomale DNA um Proteine, die sogenannten Histone, gewunden. Dieser Komplex wird als Nukleosom bezeichnet. Nukleosomen legen sich in spiralförmiger Anordnung aneinander und bilden einen langen Strang, den Chromatinfaden. Der Chromatinfaden bildet weitere schlaufenförmige Anordnungen aus und erreicht letzten Endes den Zustand der größtmöglichen Komprimierung (= DNA).
Y-Chromosom – Funktion und genetische Bedeutung
Chromosomen enthalten die gesamte Erbinformation eines Individuums in Form von Genen. Die verschiedenen Genabschnitte dienen dazu, Proteine zu kodieren, die sämtliche Vorgänge innerhalb des Körpers aller Menschen regulieren und steuern. Die Gonosomen, zu denen das Y-Chromosom gezählt wird, bestimmen im Rahmen der Befruchtung einer Eizelle durch ein Spermium über das Geschlecht des zukünftig heranwachsenden Embryos.
Während die weibliche Eizelle stets mit einem X-Chromosom ausgestattet ist, können die Spermien der Männer entweder ein Y- oder X-Chromosom transportieren. Befruchtet nun ein Spermium mit einem X-Chromosom die reife Eizelle (XX), wird neun Monate später ein Mädchen das Licht der Welt erblicken. Im umgekehrten Fall, wenn das Spermium ein Y-Chromosom überträgt (XY), wird es ein Junge sein.
Gene auf dem Y-Chromosom
Die Studie Strict evolutionary conservation followed rapid gene loss on human and rhesus Y chromosomes (März 2012; J. Hughes et al.) zeigt, dass über lange Zeit gesehen ein erheblicher Anteil der Gene auf dem Y-Chromosom verschwunden ist. Sie zeigt auch, dass ein Verlust der Gene innerhalb der letzten 25 Millionen Jahre kaum mehr nachgewiesen wurde. Diese Tatsache bestätigt, dass sich das Y-Chromosom trotz aller Bedenken in einem stabilen genetischen Zustand befindet. Ein genereller Verlust der Gene bzw. Genabschnitte ist viel mehr als natürlicher Vorgang, der bereits seit Millionen von Jahren unaufhaltsam anhält, zu betrachten.
Y-Chromosom – Klinik
Mit zunehmenden Alter schwindet das Y-Chromosom bei einer Vielzahl an Männern. Diese Tatsache ist unter anderem einer der Gründe, weshalb insbesondere Männer im gehobenen Alter anfälliger für diverse Krankheiten (z. B. Herzkrankheiten, Erkrankungen innerer Organe) sind als jüngere Menschen. Hinweise hierzu lieferte eine Studie aus dem Jahr 2022. An Mäusen konnte gezeigt werden, dass ein Schwund des Y-Chromosoms zu einer Schädigung eines oder mehrerer Organe führen kann.
Ähnlich ernsthafte Folgen für die Gesundheit kann es haben, wenn Männer im gehobenen Alter das Y-Chromosom in Stammzellen verlieren. Auch hier bewies eine Studie, dass Mäuse bei Verlust des Y-Chromosoms in Stammzellen des Blutes deutlich früher starben. Männliche Mäuse wurden gentechnisch so verändert, dass ein beachtlicher Teil ihrer Stammzellen kein männliches Geschlechtschromosom (Y) mehr enthielt. Jene gentechnisch veränderten Stammzellen waren für verantwortlich für die Bildung diverser Blutbestandteile.
Rund 40 Prozent der über 70-jährigen Männer besitzen kein Y-Chromosom in sämtlicher ihrer Blutzellen mehr. Mit steigendem Alter nimmt dieser Prozentsatz proportional zu. Blutzellen ohne das notwendige männliche Geschlechtschromosom stoßen komplexe Prozesse des Immunsystems an. Jene Prozesse führen zur Vernarbung (Fibrotisierung), wodurch die Herzleistung beachtlich abnimmt.
Häufige Fragen
- Was sagt das Y-Chromosom aus?
- Welches Geschlecht hat das Y-Chromosom?
- Wer hat das Y-Chromosom?
- Welche Krankheiten liegen auf dem Y-Chromosom?
Das Y-Chromosom ist verantwortlich für die Ausbildung der männlichen Geschlechtsmerkmale, da es im Gegensatz zum X-Chromosom Gene besitzt, deren Genprodukte (= Proteine) für die Ausbildung und Reifung der Hoden bzw. Spermien verantwortlich sind. Dieses typisch männliche Geschlechtschromosom wird ausschließlich vom Vater übertragen. Das heranwachsende Kind wird männlich sein und je ein Y- und ein X-Chromosom in den Zellkernen der Körperzellen aufweisen.
Befruchtet ein Spermium, welches das männliche Geschlechtschromosom Y besitzt, die Eizelle, wird das zukünftig im Mutterleib heranwachsende Kind männlich sein.
Ausschließlich Männer weisen den Genotyp XY auf. Die reifen Spermien männlicher Individuen enthalten entweder ein Y- oder ein X-Chromosom. Je nachdem, welches der beiden Chromosomen bei der Befruchtung übertragen wird, resultiert daraus ein männlicher oder weiblicher Nachkomme (Frauen: XX, Männer: XY). Weibliche Eizellen enthalten ein X-Chromosom. Tritt ein zweites X-Chromosom in die Eizelle ein, kommt es zur Ausbildung des weiblichen Erscheinungsbildes. Wird die Eizelle jedoch von einem Spermium mit Y-Chromosom befruchtet, kommt es zur Ausbildung des männlichen Erscheinungsbildes.
Der bis dato einzig bekannte Gendefekt auf dem Y-Chromosom ist eine Mutation bzw. Deletion (Verlust eines Abschnittes der DNA) des SRY-Gens. Resultierend daraus kommt es zu einer Fehlbildung des Hodens. Weitere assoziierte Krankheiten sind Mikrodeletionen bzw. Defekte, die zu Unfruchtbarkeit führen.